Walter Kunz blickt auf ein erfolgreiches Berufsleben zurück. Der heute 77-Jährige führte über 30 Jahre lang eine Kinderarztpraxis in Forchheim, war zuvor als Assistenzarzt am Erlanger Uniklinikum tätig. Stillstand aber sei noch nie sein Ding gewesen, beteuert der gebürtige Mecklenburger und so hat Walter Kunz in seinem "Unruhestand" nebenbei mit Erfolg die Gesellenprüfung zum Geigenbauer abgelegt. "Wenn man im Alter noch etwas Neues anpacken kann, dann sollte man das auch tun", sagt er.
Geigenspiel schon als Bub
Die Liebe zur Musik und zum Instrument begleitet ihn bereits seit seinem achten Lebensjahr. Kunz ist recht geschickt mit dem Bogen, wird über die Jahrzehnte immer besser. Das Musizieren allein aber reicht ihm nicht. Er will seine Geigen selbst bauen. Das ist eine Wissenschaft für sich, ein filigranes Handwerk, das viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl benötigt. Bei Geigenbaumeister Günter Lob in Bubenreuth geht der musikalische Senior quasi in die Lehre.
Langzeit-Praktikant
Angefangen hat alles mit einem Schnupper-Praktikum. Aus einer Woche wurden insgesamt elf Jahre. Walter Kunz wird zum Dauergast in der international erfolgreichen Werkstatt für Geigen- und Zupfinstrumente. Günter Lob fertigt nicht nur hochwertige Instrumente unter anderem für den Sultan von Oman oder die Nürnberger Staatsphilharmoniker, er erkennt auch, wer Talent für das schwierige Handwerk hat. Bei seinem Schützling sieht er dieses schnell. "Walter ist so ein lieber Mensch, es hat einfach Spaß gemacht, seine Fortschritte zu beobachten", betont Lob.
Anmeldung zur Gesellenprüfung
Lob ermutigt den 77-Jährigen auch, die Gesellenprüfung abzulegen. Das Wissen in Theorie und Praxis habe er sich ja bereits erworben. Walter Kunz stellt sich der Herausforderung, vertieft sich in Handwerkskunde, Holzwissenschaften oder auch präzises Sägen im Millimeterbereich. Besonders aufwändig ist der Bauplan für sein Gesellenstück, eine Geige, "Modell Stradivari". Technisches Zeichen hatte der Geigenbauaspirant nie gelernt. Am Ende gelingt das Unternehmen. Walter Kunz besteht die Externen-Prüfung der Handwerkskammer Mittelfranken mit der Note 2 und darf sich somit offiziell Geigenbauer nennen.
Geigen für die Enkel
Sieben Geigen hat Walter Kunz inzwischen schon gebaut. Verkaufen will er die Instrumente nicht. Auch eine Anstellung als Geigenbauer ist und war nie sein Ziel. Letztlich ging es dem 77-Jährigen vor allem um die Bestätigung, dass seine Handwerkskunst offiziell gewürdigt wird und er sich noch einmal einer neuen Aufgabe widmen konnte. Geigen bauen will er weiterhin. Sechs Enkelkinder habe er inzwischen, sagt Walter Kunz. Da hoffe er doch, dass seine musikalische Leidenschaft ansteckend sei und der ein oder andere Nachfahre vielleicht sogar auf einem seiner Instrumente das Musizieren lerne.
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