Der Angeklagte im Prozess um die Messerattacke in Aschaffenburg am zweiten Verhandlungstag, er sitzt neben seinem Übersetzer.
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Der Angeklagte im Prozess um die Messerattacke in Aschaffenburg am zweiten Verhandlungstag, er sitzt neben seinem Übersetzer.
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Messerangriff in Aschaffenburg: "Der war wie im Wahn"

Messerangriff in Aschaffenburg: "Der war wie im Wahn"

Vor dem Aschaffenburger Landgericht ist heute die Verhandlung um die tödliche Messerattacke im Aschaffenburger Park Schöntal fortgesetzt worden. Dabei sagten auch die Erzieherinnen aus, die die Tat hautnah miterleben mussten.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Mainfranken am .

Vor dem Aschaffenburger Landgericht ist heute die Verhandlung um die tödliche Messerattacke im Aschaffenburger Park Schöntal fortgesetzt worden. An dem zweiten Verhandlungstag sagten Zeugen aus, die die Tat live miterleben mussten. Darunter zwei Erzieherinnen der Kindergruppe, die attackiert worden war. Und ein 73-Jähriger, der einschritt und selbst schwer verletzt wurde. Zwei Menschen wurden am 22. Januar dieses Jahres getötet, darunter ein zweijähriger Junge.

Erzieherinnen wollten Park noch verlassen

Zu Beginn der Verhandlung sagten die beiden Erzieherinnen aus, die an dem Tag mit fünf Krippenkindern in einem Bollerwagen spazieren waren. Bereits auf dem Weg in den Park sei ihnen der Mann mit der hellblauen Jacke aufgefallen. Er habe vor sich hingeredet und eine der Erzieherinnen mit Blicken taxiert. Beide Frauen schilderten, wie unwohl sie sich gefühlt hätten durch die Anwesenheit des Mannes, der ihnen gefolgt sei. Schließlich hätten sie Angst bekommen und beschlossen, den Park schnellstmöglich zu verlassen. Der Mann habe auf sie hochgradig verrückt gewirkt.

Erzieherinnen arbeiten nach Traumatherapie wieder

Beide Frauen haben eine Traumatherapie gemacht und arbeiten mittlerweile wieder. Zwei der damals fünf Kinder, die im Bollerwagen saßen und das "Massaker", wie es eine der Frauen beschreibt, mitansehen mussten, sind noch in der Kinderkrippe. Zwar seien sie zur Aufarbeitung im Park Schöntal gewesen, meiden diesen heute aber. "Der war wie im Wahn, der war im Krieg", schilderte die 59-jährige Erzieherin, die den Angreifer von den Kindern abhalten wollte, von diesem aber weggestoßen wurde. Dabei brach sie sich ein Handgelenk. Ihre Kollegin habe zu dem Zeitpunkt den Bollerwagen geschnappt, um die Kinder schnell wegzubringen.

Angeklagter gab an, Stimmen zu hören

Nach der Aussage der beiden Erzieherinnen verliest der Vorsitzende Richter Karsten Krebs mehrere Verlaufseinträge, die im Bezirkskrankenhaus Lohr gemacht wurden. Immer wieder berichten die behandelten Ärzte darin von Stimmen, die der 28-Jährige hören würde. Dabei würden es sich um Stimmen von Soldaten, verstorbenen Taliban und Agenten handeln. Diese Agenten hätten ihm auch befohlen, Kinder zu töten. Auch unter Einfluss von Medikamenten habe der Afghane angekündigt, jemanden etwas anzutun. Gleichzeitig empfinde er Scham und habe gehofft, dass die Polizei ihn erschießt.

73-Jähriger schritt bei Tat ein

Die Zeugenaussage des 73 Jahre alten Mannes, der versuchte, den Messerstecher von den Kindern abzuhalten, dauerte nur kurz. "Ich will nichts mehr davon wissen und versuche es zu vergessen!", sagte der Mann vor Gericht. Er war am Tattag mit seiner Frau und dem Hund im Park. Der Täter stach sechsmal auf ihn ein und biss ihm in die Hand. "Das, was Sie an dem Tag getan haben, war heldenhaft!", sagte der Vorsitzende Richter zu ihm. Seinem Einsatz sei es zu verdanken, dass an dem Tag nicht noch weitere Personen zu Schaden kamen.

Aggressives Verhalten kurz vor der Tat

Die Zeugenaussage einer Asylsozialbearbeiterin des Aschaffenburger Landratsamts wurde verlesen, die über einen Zeitraum von zwei Jahren mit dem 28-jährigen Afghanen Kontakt hatte. Sie berichtete, dass er bereits mehrfach aggressiv war gegenüber Polizisten und einem Sanitäter und wegen Exhibitionismus am Bahnhof aufgefallen ist. Am 10. Januar – 12 Tage vor der Tat – habe sie ihn zu einem Psychiater begleitet. Damals soll er völlig unvermittelt im Gespräch das Wort "children", auf Deutsch "Kinder", fallengelassen haben. Sie berichtete über die unterschiedlichen Aufenthaltsorte des Beschuldigten in Deutschland und schilderte, dass er "in einem schnellen Abwärtstrend unterwegs war".

Stimmungsschwankungen und tiefe Verwirrung

Schließlich sagte ein Polizeibeamter mit pakistanischen Wurzeln vor Gericht aus, der kurz nach der Festnahme des Beschuldigten die Übersetzung übernahm. Der Beschuldigte habe Urdu sprechen können – sei in Pakistan geboren – habe aber verlangt, mit jemandem auf Paschtu (Amtssprache in Afghanistan) sprechen zu können. Bereits zu Beginn habe er geglaubt, mit einem Geisteskranken zu sprechen, so der Beamte. Er habe hin und her gewippt und Stimmungsschwanken gehabt. Mal sei er abwesend, mal aggressiv, mal tief traurig gewesen. "Warum ist das passiert, wessen Plan war das?", habe er gefragt. Und: "Ich wollte nicht mehr hier sein, aber die Deutschen haben mir nicht geholfen!" Der Prozess wird am 23.10. fortgesetzt.

Im Video: Tödliche Messerattacke - Zweiter Prozesstag in Aschaffenburg

Zweiter Prozesstag in Aschaffenburg
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Zweiter Prozesstag in Aschaffenburg

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