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Die Zahl der Asylanträge in Deutschland geht zurück - von rund 350.000 in 2023 auf rund 250.000 im vergangenen Jahr. Das zeigen aktuelle Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) (externer Link). Gleichzeitig ist die Zahl der Asylklagen vor deutschen Verwaltungsgerichten stark gestiegen. 2024 gingen bei den Gerichten mehr als 100.000 neue Klagen ein, 2023 waren es noch knapp 72.000. Allein in Bayern stieg die Zahl um 66 Prozent auf mehr als 25.000 neue Fälle.
Zahl der Asylklagen übersteigt die 100.000er-Marke
Ein Grund ist, dass das BAMF seine aus Vorjahren anhängigen Asylverfahren inzwischen schneller abarbeitet. Unter anderem würden nun Anträge von Asylbewerbern aus Herkunftsländern wie Afghanistan, wo politische und wirtschaftliche Entwicklungen zuletzt abgewartet wurden, nun entschieden, sagt die Fachanwältin für Migrationsrecht in München, Gisela Seidler. Entsprechend werde auch erst jetzt gegen die Entscheidungen geklagt. Anna Frölich, ebenso Fachanwältin für Migrationsrecht in München, ergänzt, dass das BAMF das Personal aufgestockt habe, um mehr Bescheide erlassen zu können.
Doch wie hoch ist eigentlich die Wahrscheinlichkeit, dass ein durch das BAMF bereits abgelehnter Asylbewerber vor einem Verwaltungsgericht doch noch ein Bleiberecht erhält? Diese Frage treibt unter anderem die BR24-User "wolf" und "Machiavelli" um.
Je nachdem, wie gerechnet wird und um welche Herkunftsländer es sich handelt, liegen die Erfolgsquoten teils weit auseinander. Flüchtlingshelfer sprechen teilweise von über 50 Prozent. "Es lohnt sich, zu klagen", sagt Jana Weidhaase vom Bayerischen Flüchtlingsrat. Auch Asylrechtlerin Seidler spricht von "durchaus erheblichen Zahlen".
Es gibt aber auch Durchschnittswerte, mit denen das BAMF arbeitet. Die Behörde hat nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr mehr als 300.000 Asyl-Entscheidungen getroffen. Gegen etwa jede dritten wurde geklagt. Der Anteil der Asylbescheide, die von den Gerichten aufgehoben wurden, betrug zuletzt etwa sieben Prozent. Rund 7.000 Mal korrigierten die Gerichte also die Entscheidungen der Behörde.
Gerichtsverfahren im Asylrecht dauern im Durchschnitt 17 Monate
Das BAMF führt diesen Wert auf die lange Dauer der Gerichtsverfahren zurück. Durchschnittlich dauerte ein Gerichtsverfahren in Deutschland zuletzt 16,7 Monate, in Bayern waren es 10,9 Monate. So könnten sich in der Zwischenzeit die Umstände für die Kläger geändert haben, sagt ein Sprecher der Behörde.
Weiter heißt es aus der Behörde, im weitaus größten Teil der Klagen, nämlich in etwa 60 Prozent der Fälle, werde eine Entscheidung des BAMF von den Gerichten aber weder bestätigt noch kassiert. Diese Fälle erledigen sich auf "sonstige Weise", etwa weil Klagen zurückgezogen werden, das Amt seine Entscheidung revidiert, oder sich herausstellt, dass ein anderes Land zuständig ist.
Flüchtlingsorganisationen und Vertreter linker Parteien kommen zu teils sehr viel höheren Erfolgsquoten, weil sie zumindest einen Teil dieser Fälle als Erfolge der Kläger werten. Demnach lag die "bereinigte Erfolgsquote" bei afghanischen Geflüchteten sogar bei über 70 Prozent, wie es in einer kleinen Anfrage der Linken im Bundestag (externer Link) vom Dezember 2024 heißt.
Nach Ansicht des BAMF müssen sonstige Verfahrenserledigungen aber ausgeklammert werden, da sie keine Aussage zur Schutzbedürftigkeit der Betroffenen beinhalten.
BR24-Leser fragen aber auch, warum Asylbewerber in Deutschland überhaupt gegen einen ablehnenden Bescheid des BAMF klagen können. Unter anderem User "sunshine60" vermutet, dass man das nur in Deutschland tun könne. "Mit den Klagemöglichkeiten abgelehnter Asylbewerber wird der Rechtsstaat pervertiert", findet auch User "Lajobay". Und dass ein Beamter nach Aktenlage entscheidet, sei völlig ausreichend, schreibt "luffner".
Das Recht, gegen einen Asyl-Bescheid zu klagen, gibt es nicht nur in Deutschland, sagt Juristin Seidler. Artikel 46 der Europäischen Asylverfahrensrichtlinie stelle europaweit den Rechtsschutz in mindestens einer Instanz sicher. Einige Länder sähen sogar zwei Instanzen dafür vor.
Grundgesetz schützt auch das Recht von Asylbewerbern zu klagen
Das Recht zu Klagen regle zudem Art.19 des Grundgesetzes. In jedem Rechtsstaat gebe es ein Rechtsmittel. Das sei ein essenzieller Baustein der Demokratie, erklärt Rechtsanwältin Anna Frölich. In Deutschland sei bei bestimmten Verfahren der Rechtsweg bereits eingeschränkt worden. Unter anderem sei die Zulassung einer Berufung höchst unwahrscheinlich und in bestimmten Eilverfahren gebe es kein Rechtsmittel mehr. In Deutschland wurde bereits "das maximal ertragbare ausgereizt an Rechtsmitteleinschränkung", sagt Frölich.
Und auch Asylanwalt Philipp Pruy aus Regensburg sagt: "Dass behördliche Entscheidungen einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen, auch in Asylverfahren, ist ein grundlegendes Prinzip unseres Rechtsstaats."
Und wer zahlt die Verfahren? Ist der Steuerzahler über die Prozesskostenhilfe an den Kosten beteiligt, wie "HabdamalneFrage" schreibt? Oder fließt Geld von NGOs, wie User "Agan" vermutet?
Prinzipiell gibt es Prozesskostenhilfe auch für Asylbewerber, sagt Jana Weidhaase vom Flüchtlingsrat. Allerdings würden Anträge dafür selten gestellt, weil die Anwälte wüssten, dass der Staat die Erfolgsaussichten prüfe und diese unklar seien. Einige wenige NGOs verfügten zudem über eigene Rechtshilfefonds für Asylsuchende, darunter Pro Asyl und die Kirchen. In der Regel zahlten die Asylsuchenden die Anwaltskosten aber selbst. Gerichtskosten fielen keine an.
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