Die bayerische Staatsregierung hat einen Sonderfonds für die Corona-Pandemie aufgesetzt. Der Landtag stimmte zu, dass der Freistaat Kredite in Höhe von 20 Milliarden Euro aufnehmen kann. Dies wurde im Haushaltsgesetz 2019/2020 verankert. Der entsprechende Gesetzesartikel, der hier online verfügbar ist, trägt das Datum 24.05.2019.
Dies ist jedoch kein Hinweis darauf, dass die bayerische Staatsregierung die Corona-Pandemie vorausgeplant hat - oder früher als die Bevölkerung vom SARS-CoV-2-Virus Kenntnis hatte. Das aber vermuten einige - wie sich auch in den Kommentarspalten von BR24 zeigt. Dort wird fälschlicherweise behauptet, die Regierung habe die Pandemie geplant.
Der Bayerische Landtag hatte das Haushaltsgesetz am 16. Mai 2019 verabschiedet, verkündet wurde es am 31. Mai 2019. Zu diesen Zeitpunkten war das SARS-CoV-2-Virus noch unbekannt. Wie kommt die Pandemie also dennoch ins Gesetz?
Datum der Gesetzes-Ausfertigung bleibt unverändert - trotz Veränderungen
Das Datum eines Gesetzes, in diesem Fall der 24. Mai 2019, ist mit dem Gesetz quasi "verankert". Es ist, so schreibt die Pressestelle der Staatskanzlei in einer Mail-Antwort an BR24, "das Datum der Ausfertigung des Gesetzes. Das heißt an diesem Tag ist es vom Herrn Ministerpräsidenten unterzeichnet worden." Das Datum steht auf der Internetseite www.gesetze-bayern.de in der Leiste oberhalb des kompletten Gesetzes – unabhängig davon, welchen Artikel man anklickt und unabhängig davon, wann ein Artikel dem Gesetz hinzugefügt wurde.
In der Kopfzeile des Haushaltsgesetzes steht ein weiteres Datum: "Text gilt ab: 01.01.2020". Auch das könnte den Eindruck erwecken, dass das Gesetz in seiner jetzigen Form schon 2019 so festgeschrieben war. Doch die Pressestelle der Bayerischen Staatskanzlei teilt mit, es würden in dem Gesetz fortlaufend Änderungen vorgenommen. Diese könnten sowohl rückwirkend in Kraft treten, als auch künftig.
Die Pressestelle der Bayerischen Staatskanzlei erläutert: "Das Datum der Fassung bleibt unverändert, sofern kein komplett neues Gesetz erlassen wird – man könnte es untechnisch auch Ursprungsfassung nennen."
Entscheidend ist Datum des Nachtragshaushalts
Die Chronologie dieses Falls: Am 19. März 2020 – inzwischen hatte die Corona-Pandemie Deutschland erreicht – verabschiedete der bayerische Landtag den Nachtragshaushalt 2019/2020. Und gab damit auch grünes Licht für den neu aufgelegten "Sonderfonds Corona-Pandemie". Der Bayerische Landtag teilte am selben Tag mit:
"Zur Deckung der Ausgaben wird das Finanzministerium durch eine Novelle im Haushaltsgesetz ermächtigt, Kredite bis zur Höhe von 10 Milliarden Euro aufzunehmen." Mitteilung des bayerischen Landtages
Neuer Gesetzesartikel – aber kein neues Datum
Im "Haushaltsgesetz 2019/2020 vom 24. Mai 2019" wird diese Kreditermächtigung in Höhe von 10 Milliarden Euro im neu eingefügten Artikel 2a festgehalten – ohne, dass das Datum der Aktualisierung dargestellt wird. Gut einen Monat später, am 24. April 2020, beschloss der Landtag ein weiteres Corona-Hilfspaket in Höhe von weiteren zehn Milliarden Euro. Dadurch beträgt die Summe der Kreditermächtigungen nun also insgesamt 20 Milliarden Euro.
Im entsprechenden Gesetzesartikel 2a wurde dies angepasst. Aus der Bayerischen Staatskanzlei heißt es dazu in einer Mailantwort an BR24: "Durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2019/2020 (2. Nachtragshaushaltsgesetz 2020 – 2. NHG 2020) vom 27. April 2020 ist der ursprünglich veranschlagte Betrag in Art. 2a von 10 Mrd. Euro auf nunmehr 20 Mrd. Euro erhöht worden."
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Nachdem der Landtag den Kreditermächtigungen zugestimmt hat, wurde im bereits bestehenden Haushaltsgesetz der Artikel 2a nachträglich eingefügt - und fortlaufend aktualisiert. Im ursprünglichen Gesetz, das am 24. Mai 2019 ausgefertigt wurde, ist der Artikel 2a gar nicht enthalten.
Angebliche "Corona-Planung" – Instrument der Verschwörungserzähler
Das Muster, das sich bei dem vermeintlichen Beweis für eine angebliche Planung der Corona-Pandemie im Haushaltsgesetz zeigt, ist typisch für Verschwörungsdenken: In Dokumenten oder auf Internetseiten werden kleine Hinweise gesucht, die scheinbar im Widerspruch stehen zu einem "offiziellen" Narrativ.
Diese Widersprüche werden - oft mit rhetorischen oder Suggestivfragen - eingepasst in die Verschwörungsideologie. Die Hinweise werden häufig aus dem Kontext gerissen, nichtexistente Kausalitäten heraufbeschworen oder tatsächliche Kausalitäten oder Abläufe werden weggelassen. So werden Zweifel gesät. Bei solch kleinen Partikeln von Verschwörungsideen lassen sich aber immer wieder Gegenbelege finden, sie lassen sich falsifizieren.
Etliche Beispiele für falsch dargestellte Zusammenhänge
Ähnlich wie im Fall der vermeintlich frühen Corona-Planung der Staatsregierung funktionierte es etwa bei den Gerüchten um die US-amerikanische Seuchenbehörde CDC. Die Centers for Disease Control and Prevention hätten, so lautete die Falschbehauptung, heimlich die Corona-Todeszahlen in den USA korrigiert. Der #Faktenfuchs macht hier nachvollziehbar, warum das nicht stimmte.
Einen weiteren Fall prüfte der #Faktenfuchs hier: Die CDC hatten am 21. September ihre Informationen zur Übertragung des Coronavirus überarbeitet und dabei offenbar kurzzeitig einen Entwurf hochgeladen, den sie später als Fehler bezeichneten. Ohne das zu einzuordnen, verbreiteten Kritiker der Maßnahmen und selbsternannte "Corona-Rebellen" das Gerücht, die CDC behaupteten, eine Übertragung über Aerosole sei nicht möglich. Dahinter steckt der Versuch, die Anti-Corona-Maßnahmen von Regierungen zu diskreditieren oder die Gefährlichkeit von Sars-CoV-2 umzudeuten.
Fazit
Im Haushaltsgesetz der bayerischen Staatsregierung waren die Kreditermächtigungen für die Bewältigung der Corona-Pandemie nicht schon im Jahr 2019 enthalten. Dennoch steht ein Datum aus dem Jahr 2019 über dem entsprechenden Gesetzesartikel: das Datum, an dem der Ministerpräsident die erste Fassung des Gesetzes unterzeichnete, also ausfertigte. Dieses Datum bleibt mit dem Gesetz verknüpft.
Die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wurden im März 2020 nachträglich eingefügt, nachdem der bayerische Landtag diese beschlossen hatte. Das Datum der Ausfertigung wird bei solchen fortlaufenden Veränderungen eines Gesetzes nicht geändert.
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