Weizen wird auf einem Feld mit einem Mähdrescher abgeerntet
Bildrechte: picture-alliance/Armin Weigel/dpa
Bildbeitrag

Wegen Düngevorschriften fürchten Bauern ab 2021 einen Ertragsverlust von bis zu 20 Prozent

Bildbeitrag
>

Neue Düngevorschriften - Leidet der Ertrag?

Neue Düngevorschriften - Leidet der Ertrag?

Die Grundwasserqualität in sogenannten "roten" Gebieten soll wieder in den grünen Bereich kommen. Ab 2021 müssen Landwirte dort 20 Prozent weniger Stickstoff düngen, als die Pflanzen rechnerisch dem Boden entziehen. Das bereitet den Bauern Sorgen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die Düngeverordnung legt fest: "Rote" Gebiete sind dort, wo der Nitratgehalt im Grundwasser auf dem überwiegenden Teil der Flächen über dem Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter liegt. Viele Landwirte sehen jetzt schwarz, weil für sie dort künftig eine Neuerung in der Düngeverordnung gilt. Denn die Politik will die Grundwasserqualität in roten Gebieten zurück in den grünen Bereich bringen.

20 Prozent weniger Stickstoffdünger in "roten" Gebieten

In Bayern betrifft das ungefähr ein Fünftel der Fläche. Es handelt sich um einen breiten Gürtel südlich der Donau von Augsburg bis Straubing und weite Gebiete Unterfrankens. Dort müssen die Landwirte bei der Düngung vom 1. Januar 2021 an besondere Regelungen beachten. Die gravierendste: Sie müssen 20 Prozent weniger Stickstoff düngen, als die Pflanzen rechnerisch dem Boden entziehen.

Bauern befürchten Ertragsverluste

20 Prozent unterhalb des Pflanzenbedarfs zu düngen, komme "eigentlich einer Unterernährung gleich", kritisiert Landwirt Arno Nehlsen vom Gut Osterrade in Sachsen. Ähnlich sieht das Stefan Köhler, der Umweltpräsident des Bayerischen Bauernverbandes. Er sagt, die Pflanzen würden "auf Diät" gesetzt. Dadurch drohten Ertragsverluste von bis zu 20 Prozent, befürchten viele Bauern.

Landwirte könnten Düngermenge umverteilen

Aber stimmt das so? Ein Beispiel: Wenn man davon ausgeht, dass ein Hektar Raps von der Saat bis zur Ernte 200 Kilogramm Stickstoff aus dem Boden aufnimmt, dann dürfte der Landwirt nur noch 160 Kilo Stickstoff düngen. Das gilt aber nicht für jeden einzelnen Acker, sondern für seinen ganzen Betrieb im Durchschnitt. Das heißt, der Bauer könnte umverteilen: Die eine Kultur bekommt zum Beispiel 40 Prozent weniger Stickstoff, die andere weiterhin die volle Düngermenge.

Komplizierter ist die Antwort auf die Frage: Was heißt das für die Pflanzen und den Ertrag? Heißt das wirklich "Unterernährung" oder "Diät"?

"Einschränkungen werden nicht gravierend sein"

Thomas Ebertseder ist Professor für Pflanzenbau an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Der Wissenschaftler widerspricht den Befürchtungen des Bauernverbands. Er räumt zwar ein, dass die Pflanzen "vielleicht nicht mehr ganz optimal ernährt" seien, was die Ertragsbildung anbelange. Und es werde zu gewissen Einschränkungen kommen.

"Die werden aber nicht gravierend sein", sagt Prof. Ebertseder. Ergebnisse aus Versuchen zeigen dem Pflanzenbau-Experten zufolge, dass die Ertragsverluste im Bereich von "null bis fünf Prozent" liegen.

Experten sehen bei manchen Pflanzen kaum Ertragsverluste

Ähnlich sieht das auch der Pflanzenbauwissenschaftler Prof. Friedhelm Taube von der Universität Kiel. Er verweist darauf, dass bei vielen Kulturen der amtlich berechnete Wert für den Stickstoffentzug so hoch angesetzt ist, dass minus 20 Prozent Stickstoffdüngung zu gar keinem Ertragsverlust führen. Beispielsweise bei Zuckerrüben, Kartoffeln oder Mais. "Bei diesen Kulturarten sind wir mit einer Minus-20- Prozent-Regelung im Prinzip genau dort, wo wir die gute fachliche Praxis der Düngung ansetzen können", sagt Prof. Taube.

"Gülle-Vergangenheit" in den meisten roten Gebieten

Bei Raps und bei speziellen Weizensorten hätten Versuche mit 20 Prozent weniger Stickstoffdünger zwar durchaus spürbare Ertragsverluste ergeben, so Friedhelm Taube. Es sei aber zu berücksichtigen, dass Versuchsflächen in der Regel nicht so überdüngt seien wie die meisten Felder in den roten Gebieten.

Dort gebe es häufig eine "Gülle-Vergangenheit". Taube meint damit, dass es sich um Regionen mit intensiver Tierhaltung handelt, wo entsprechend viel stickstoffhaltige Gülle anfällt. Deshalb sei dort "die Stickstoff-Nachlieferung aus dem Boden doch immer noch sehr erheblich".

Zu viel Gülle einerseits, zu wenig Regen andererseits

Ein zu hoher Viehbesatz und damit zu viel Gülle - das ist zum einen also die Ursache für den hohen Nitratgehalt in einem Teil der roten Gebiete. In den anderen ist Experten zufolge der Nitratwert im Grundwasser zu hoch, weil es zu wenig regnet. Der Stickstoff, der aus dem Boden ausgewaschen wird, sickert nur wenig verdünnt in den Untergrund.

Auf diesen trockenen Standorten ist die Nitratbelastung im Grundwasser primär eine Frage der Wasserversorgung und weniger eine Frage der Gesamtdüngung, wie Friedhelm Taube aus Kiel erklärt. Deshalb seien dort in der Regel die minus 20 Prozent in Bezug auf die Ertragsleistung überhaupt nicht entscheidend, "weil das Wasser der limitierende Faktor ist."

Der Ertrag hängt von vielen Faktoren ab

20 Prozent weniger Stickstoff heißt also weder zwangsläufig 20 Prozent weniger Ertrag, noch dass die Pflanzen unterernährt würden. So sieht das auch Prof. Peter Leinweber, Bodenkundler aus Rostock. Ihm zufolge ist der Ertrag von vielen Faktoren abhängig. Die Höhe der Stickstoffdüngung sei dabei nur einer von vielen.

Jeder Landwirt wisse, dass die allgemeine Bodenfruchtbarkeit von entscheidender Bedeutung sei, sagt Prof. Leinweber: "Ein lebendiger Boden - das heißt, ein hinsichtlich der Bodenlebewesen intakter Boden - kann dann 20 Kilogramm Stickstoff weniger auch locker auffangen und verkraften."

"Darüber spricht Bayern": Der neue BR24-Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!