Hochwasser-Überlauf am Stauwehr und Wasserkraftwerk des Lech bei Lechmühlen, zwischen Landsberg und Schongau
Hochwasser-Überlauf am Stauwehr und Wasserkraftwerk des Lech bei Lechmühlen, zwischen Landsberg und Schongau
Bild
Hochwasser-Überlauf am Stauwehr und Wasserkraftwerk des Lech bei Lechmühlen, zwischen Landsberg und Schongau
Bildrechte: picture alliance / SZ Photo | Wolfgang Filser
Schlagwörter
Bildrechte: picture alliance / SZ Photo | Wolfgang Filser
Audiobeitrag

Hochwasser-Überlauf am Stauwehr und Wasserkraftwerk des Lech bei Lechmühlen, zwischen Landsberg und Schongau

Audiobeitrag
>

Neue Pläne bei Hochwasserschutz: Gibt es jetzt Enteignungen?

Neue Pläne bei Hochwasserschutz: Gibt es jetzt Enteignungen?

Die bayerische Staatsregierung will den Hochwasserschutz beschleunigen: Der Bau von Schutzmaßnahmen soll künftig Vorrang haben. Kann das Auswirkung auf mögliche Enteignungen haben? Das Umweltministerium wiegelt ab, die SPD sieht Unklarheiten.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Immer wieder scheitere der dringend nötige Hochwasserschutz noch auf der Zielgeraden, klagt Gemeindetagspräsident Uwe Brandl (CSU). Der Grund: Naturschutzbelange oder private Grundstücke stünden den Planungen im Weg. Die Staatsregierung hat nun ein neues Wassergesetz beschlossen, das den Hochwasserschutz aufwerten soll.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte an: "Wir werden dafür sorgen, dass das Thema Hochwasserschutz als überragendes öffentliches Interesse mehr Dynamik bekommt." Heißt: Wenn es um Deiche oder Rückhaltebecken geht, sollen diese vor anderen Interessen Vorrang haben.

Gemeindetagspräsident schließt Enteignungen nicht aus

Müssen nun gegebenenfalls auch Privatleute oder Landwirte ihr Grundstück hergeben? Gemeindetagspräsident Brandl hält das für möglich, wenn es keine Einigung gibt: "Derjenige, der nicht bereit ist, im Interesse der Allgemeinheit die Sozialpflichtigkeit des Eigentums anzuerkennen, der muss halt damit rechnen, dass man ihm dann letztendlich die Sozialpflichtigkeit auf andere Art und Weise vermittelt." Es müsse aber eine Entschädigung geben – am besten zum Verkehrswert.

Vor einem Jahr äußerte sich Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) ähnlich: Er beklagte, dass Hochhwasserschutzprojekte oft an "der Frage der nötigen Grundstücke" scheiterten. "Wir müssen am Ende des Tages auch zum Instrument der Besitzeinweisung, sprich Enteignung, greifen, weil eben vor Ort die Grundstücke nicht für den Hochwasserschutz zur Verfügung gestellt werden."

Ministerium beschwichtigt: Enteignungen das "letzte Mittel"

Jetzt betont das Umweltministerium: Enteignungen seien laut Grundgesetz nur "zum Wohle der Allgemeinheit zulässig" und blieben weiter das "letzte Mittel". "Die bestehenden gesetzlichen Regelungen zu Enteignungen im Wasserrecht des Bundes und im Bayerischen Wassergesetz werden nicht verändert." In den Genehmigungsverfahren einzelner Projekte spiele die Frage nach Enteignungen ohnehin keine Rolle.

Wenn es aber anschließend zum Streit über ein Grundstück kommt, dürfte der Passus des "übergeordneten Interesses" vor Gericht zum Tragen kommen – zugunsten des Hochwasserschutzes. Man werde aber immer versuchen, sich zu einigen, betont das Ministerium. Denn Enteignungsverfahren sind langwierig. Von mehr Tempo beim Hochwasserschutz kann dann keine Rede mehr sein.

SPD fordert Transparenz bei Planungen vor Ort

Kritik kommt von der SPD-Fraktion: Über die "gegebenenfalls drohenden Enteignungen" lasse die Staatsregierung die Menschen "im Unklaren", kritisiert SPD-Umweltexpertin Anna Rasehorn. "Es braucht Transparenz und verständliche Erklärungen."

Die AfD geht noch weiter: Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner warnt, der Staat verschaffe sich neue Möglichkeiten, in Eigentumsrechte einzugreifen.

Hochwasserschutz statt Kiesabbau

Unumstritten ist die Bedeutung des "übergeordneten Interesses" bei Genehmigungsverfahren von Projekten. In Konkurrenz mit dem Naturschutz oder anderen Vorhaben (wie Kiesabbau oder Straßenbau) hätte Hochwasserschutz nach dem neuen Wassergesetz künftig Vorrang. "Angesichts zunehmender Hochwasserrisiken ist es entscheidend, dass Schutzmaßnahmen – auch wenn sie in ökologisch sensible Bereiche eingreifen – rechtssicher und zügig umgesetzt werden können", betont Freie-Wähler-Umweltexpertin Marina Jakobs.

Der Vorsitzende des Umweltausschusses, Alexander Flierl (CSU), fügt hinzu: Für den Naturschutz biete die Neuerung sogar Chancen – zum Beispiel wenn es um die Rückverlegung von Deichen oder neue Retentionsflächen gehe.

Lob äußern auch die Grünen. "Der Natur- und Artenschutz wird weiterhin in den Planungen berücksichtigt und das Naturschutzrecht nicht ausgehebelt", ist sich der Landtagsabgeordnete Christian Hirneis sicher. "Menschenleben sind aber immer wichtiger."

Freiheit für Kommunen oder "Riesen-Ärgernis"?

Scharfe Kritik am neuen Wassergesetz kommt vor allem zu einem anderen Punkt: Künftig sollen Kommunen die Möglichkeit bekommen, auf eigene Kosten schneller Schutzmaßnahmen umzusetzen. Das klingt nach mehr Handlungsspielraum, ist für den Gemeindetag aber ein "Unding". Brandl spricht von einem "Riesen-Ärgernis" und wirft dem Freistaat vor, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Eigentlich sei der Staat für den Hochwasserschutz zuständig – jetzt würden die Kommunen "politisch unter Druck" gesetzt. Bayern mache sich einen "schlanken Fuß". Man behalte sich vor, gegen das Wassergesetz zu klagen.

Der Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags, Bernd Buckenhofer, wirft der Staatsregierung vor, von eigenen Versäumnissen abzulenken. Die Finanzprobleme der Kommunen seien bekannt. "Trotzdem sollen hier staatliche Aufgaben und finanzielle Lasten einfach auf die Kommunen verschoben werden."

Bei der Verbandsanhörung nach der Sommerpause dürfte es viel Kritik geben. Danach muss das Gesetz noch durch den Landtag. In Kraft treten soll es 2026.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!