"Stille Stunde" steht auf einem Banner, der vor dem Eingang eines Supermarkts in Bayreuth steht.
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Die "Stille Stunde" in einem Supermarkt in Bayreuth richtet an hochsensible Menschen.
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Die "Stille Stunde" in einem Supermarkt in Bayreuth richtet an hochsensible Menschen.

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"Stille Stunde" im Supermarkt – "Wir genießen die Ruhe"

"Stille Stunde" im Supermarkt – "Wir genießen die Ruhe"

Keine Musik und weniger Licht: Ein Supermarkt in Bayreuth will das Einkaufserlebnis zumindest für eine bestimmte Dauer entschleunigen. Die Aktion "Stille Stunde" zielt eigentlich auf Autisten ab – doch auch andere Kunden schätzen die Ruhe.

Über dieses Thema berichtet: Stadt Land Leute am .

Getränkekisten werden über den Boden geschleift, Mitarbeiter schieben Rollwagen durch die Gänge und an der Kasse piepst jede abgescannte Ware: Einkaufen kann für die Sinne mitunter ganz schön anstrengend sein – besonders für hochsensible Menschen. Deshalb soll es in einem Supermarkt in Bayreuth einmal pro Woche etwas ruhiger zugehen.

Bei der sogenannten "Stillen Stunde" wird in dem Supermarkt das Radio abgeschaltet, die Lichter etwa um die Hälfte gedimmt und Mitarbeitende sollen das Herumräumen von Ware einschränken. Vor dem Eingang weist ein Schild die Kunden außerdem darauf hin, ab jetzt nicht mehr zu telefonieren. "Alles, was Lärm macht, lassen wir weg – sofern es möglich ist", erklärt der Geschäftsführer des Supermarkts, Patrick Schneider, im BR24-Gespräch.

"Stille Stunde": Inklusionsprojekt für hochsensible Menschen

Um 14 Uhr kehrt plötzlich eine Stille in den Markt ein. Dass das Radio verstummt ist und die Lampen nicht mehr so stark strahlen, fällt aber nicht jedem Kunden sofort auf. "Die Musik stört mich meistens schon, ich hab's jetzt nur nicht wahrgenommen und nicht drauf geachtet", sagt eine. Ein anderer findet es hingegen "etwas komisch, weil's so ausschaut, als ob der Markt gar nicht offen hätte". Fügt aber hinzu: "Angenehm."

Für den Geschäftsführer des Supermarkts ist die "Stille Stunde" ein Inklusionsprojekt für Menschen mit sensiblen Bedürfnissen. Solche seien auch mit einer entsprechenden Anfrage auf ihn zugekommen, sagt Schneider. Denn die Aktion, die ursprünglich aus Neuseeland kommt, gibt es in deutschen Supermärkten vereinzelt schon seit ein paar Jahren. Doch wie viel Wirkung hat die Aktion aus medizinischer Sicht tatsächlich?

Autisten beim Einkaufen: "Hetzen teilweise durch die Supermärkte"

Achim Rubel arbeitet in der psychiatrischen Ambulanz am Bezirkskrankenhaus (BKH) in Bayreuth und hat viel mit Autismus-Patienten zu tun. "Die hetzen teilweise durch die Supermärkte, weil die Reize sehr extrem sind in ihrer Wahrnehmung", erklärt der Oberarzt. Das gehe bis zu körperlichen Schmerzen. "Es ist vielleicht so ähnlich, wie wenn ein Fingernagel oder eine Kreide über eine Tafel geht und das dann so richtig in den Ohren wehtut", vergleicht Rubel. "So sind Geräusche, die für uns normal sind, für Patienten mit einer autistischen Störung eventuell schmerzhaft."

Für solche Menschen sei es ein Segen, wenn es weniger Reize gibt, so Rubel. Wenn er einen Menschen mit autistischer Störung fragen würd, wie er eine "Stille Stunde" beim Einkaufen finden würde, "der sagt mir: 'Super, das wäre klasse!' Ich habe aber bis jetzt bei uns noch keinen Supermarkt gefunden, der es macht", erklärt der Oberarzt vom BKH.

Supermarkt in Bayreuth will Aktion bei Bedarf erweitern

In Bayreuth gibt es seit wenigen Wochen den ersten Markt mit einer "Stillen Stunde". Und die kommt beim Großteil der Kunden sehr gut an. "Wir gehen bewusst hierher. Wir genießen das, die Ruhe", sagt beispielsweise eine Kundin, die schon zum zweiten Mal während dieser Aktion einkauft. Eine weitere Einkäuferin ergänzt: "Mir gefällt es sehr gut, ich brauch' die Beschallung nicht ständig und überall."

Um 15 Uhr werden die Lichter in dem Supermarkt wieder aufgedreht. Wenn das Angebot in Bayreuth auf lange Zeit stark genutzt werde, könnte die Stille Stunde möglicherweise ausgebaut werden, sagt Geschäftsführer Schneider, dem in Stadt und im Umkreis von Bayreuth noch sieben weitere Supermärkte gehören.

Dieser Artikel ist erstmals am 26.07.2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.

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