Der neue Bioreaktor sieht unspektakulär aus, könnte aber bald die Abwasserreinigung revolutionieren: Der glänzende runde Kessel aus Edelstahl ist 3,50 Meter hoch. Oben wird Abwasser über einen Schlauch hineingeleitet, unten kommt es von Mikroplastik gereinigt über einen Trichter wieder heraus und wird in ein Becken geleitet.
Plastikpartikel werden aus dem Verkehr gezogen
In dem Bioreaktor in der Kläranlage Petershausen werden feinste Partikel von Mikroplastik aus dem Abwasser entfernt – auf ungewöhnliche Art und Weise. Professorin Sabine Grüner-Lempart von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf hat das Projekt mit einer Gruppe von Bioingenieuren entwickelt: "Wir haben da jetzt eine Gruppe von Mikroorganismen drin, Bakterien und Pilze, die sich gut miteinander vertragen und bei den Bedingungen hervorragend wachsen und gedeihen. Und diese Mikroorganismen sind in der Lage, Mikroplastikpartikel abzubauen."
Mikroorganismen werden auf Lavasteinen tätig
An dem großen Kessel steht eine stabile Leiter. Steigt man sie hinauf, so hat man mehrere kleine Fenster, um hineinzusehen. Dabei fällt der Blick auf kleine Lavasteine, über die das Abwasser in feinen Strömen rinnt. Die Lavasteine aus der Vulkaneifel spielen dabei eine zentrale Rolle, so Wissenschaftlerin Anna Lena Schuhmacher, die das Projekt betreut: "Auf den Lavasteinen bildet sich ein Biofilm. Und das Ganze wird dann berieselt mit dem Abwasser. Mikroplastikpartikel, die noch im Abwasser vorhanden sind, können sich dann im Biofilm ablagern und dort haben die Mikroorganismen dann die Möglichkeit, das Mikroplastik abzubauen." In Petershausen bleiben am Ende des Verfahrens Partikel übrig, die aussehen wie Haferflocken.
Mikroplastik gilt als schädlich für den Menschen
Jeder Mensch nimmt pro Woche etwa 5 Gramm Mikroplastik zu sich, haben Forscher herausgefunden – in etwa das Gewicht einer Scheckkarte. Genau weiß man noch nicht, was die Stoffe im Menschen anrichten. Aber eine schädliche Wirkung wird vermutet.
Die Pilotanlage wurde von einem Bayreuther Unternehmen für Wasser- und Abwassertechnik gemeinsam mit den Wissenschaftlern aus Freising entwickelt. Gefördert wird es vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
Projekt bringt Vorteile für die Kommune
Eine klassische Kläranlage hat drei Reinigungsstufen – mechanisch, biologisch und chemisch. Eine neue EU-Vorgabe verlangt zukünftig eine vierte Reinigungsstufe für Mikroverunreinigungen. Und diese vierte Stufe wird nun mithilfe der Gemeinde Petershausen erprobt. Hier hat man bereits in den vergangenen Jahren gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern gemacht und so viel Geld gespart, erklärt Bürgermeister Marcel Fath (parteilos): "Als kleine Gemeinde profitiert man, weil wir bei der letzten Sanierung, die ist jetzt gerade ein paar Jahre her, beim Ausbau der Kläranlage eben auf so ein Forschungsprojekt zurückgreifen konnten. Und mit der praktischen Umsetzung konnten wir uns Millionen Euro sparen."
Die Kläranlage von Petershausen ist gut geeignet, weil sie den gängigen Anlagen in Deutschland entspricht – für das Abwasser von 3.000 bis 30.000 Bürgern. Wissenschaftler, Unternehmen und Kommune freuen sich, dass das neue Verfahren jetzt erstmals in der Praxis realisiert wird und funktioniert. Die Partner hoffen darauf, dass die Pilotanlage bald als vierte Reinigungsstufe in Kläranlagen marktreif wird.
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