Ein Polizist kontrolliert ein Auto und lässt sich vom Fahrer die Fahrzeugpapiere zeigen.
Bildrechte: BR/Ferdinand Spes
Audiobeitrag

Er hat alle Fahrzeuge und deren Insassen fest im Blick: Schleierfahnder Patrick Rautenberg bei der Kontrolle nahe der A 94.

Audiobeitrag
>

Polizei und Justiz wegen Schleusern zunehmend belastet

Polizei und Justiz wegen Schleusern zunehmend belastet

Die illegalen Grenzübertritte in Bayern sind im vergangenen Jahren gestiegen. Das belastet Polizei und Justiz. Die Staatsanwaltschaft Traunstein kommt zeitweise an ihre Grenzen. Auch weil die Schleuser immer skrupelloser werden.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Schleusungen haben im Freistaat wieder zugenommen und die Schleuser werden immer rücksichtsloser. Das ist eine zunehmende Belastung für Polizei und Justiz. Schleierfahnder müssen aus Tausenden Fahrzeugen Verdächtige herausfiltern, die oft gefährlich sein können.

Auf der Suche nach Schleusertransporten

Patrick Rautenberg und seine Kollegin sitzen in ihrem Fahrzeug am Ende der B12 kurz vor der Auffahrt auf die A 94 Passau-München. Die beiden Schleierfahnder warten und beobachten mit geschultem Blick, ob ein auffälliges Fahrzeug vorbeifährt. Darin könnten gesuchte Straftäter sitzen oder Drogenschmuggler, aber auch Schleuser, die zum Beispiel in einem Kleinbus geflüchtete Menschen in Bayern absetzen.

Flucht eines Schleusers mit tödlichen Folgen

Die Bundespolizisten können viel von ihrer Arbeit erzählen. Auch über den schweren Unfall im Oktober vergangenen Jahres. Damals war ein 24 Jahre alter Schleuser auf der Flucht vor einer Polizeikontrolle bei Ampfing im Landkreis Mühldorf mit viel zu hoher Geschwindigkeit von der Autobahnauffahrt abgekommen. Er verursachte einen schweren Unfall mit seinem Kleinbus. Sieben afghanische Flüchtlinge kamen dabei ums Leben, darunter ein Kind. 16 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Der Fahrer des Kleintransporters überlebte. Er sitzt wegen Mordes in Untersuchungshaft und wartet auf seinen Prozess.

Schleuser werden immer rücksichtsloser

Die meisten Kontrollen würden für die Fahnder der Polizei eher unspektakulär ablaufen, erzählt Schleierfahnder Patrick Rautenberg. Die Insassen hätten Verständnis und zeigten sich kooperativ. Doch vereinzelt gebe es auch skrupellose Fahrer. Für den Mühldorfer Bundespolizisten werden die Schleuser seit einigen Jahren immer aggressiver. Manche würden keine Rücksicht auf das Leben der geschleusten Menschen oder anderer Personen nehmen. Auch Polizeibeamte würden manchmal ihr Leben riskieren. Rautenberg berichtet, dass er einem flüchtigen Fahrer eines Schleuserfahrzeugs quer über beide Autobahnfahrspuren hinterhergelaufen ist, um ihn festzunehmen. Schleuser würden auch mit ihren Fahrzeugen voller Menschen gegen die Einbahn flüchten oder auf Polizeibeamte zurasen.

Zahl der unerlaubten Einreisen gestiegen

Der Winter ist für die Schleierfahnder eine ruhige Zeit. Nur wenige Menschen sind auf der Balkanroute unterwegs, die unter anderem an der bayerisch-österreichischen Grenze endet. Im vergangenen Jahr ist die Zahl unerlaubter Einreisen nach Bayern jedoch gestiegen. Rund 32.000 illegale Grenzübertritte meldete die Bundespolizei, 17 Prozent mehr als 2022. Das spürt auch die bayerische Justiz.

Bildrechte: BR/Ferdinand Spes
Bildbeitrag

Staatsanwältin Pia Dirnberger bei der Vorbereitung für einen anstehenden Prozess: Sie sieht sich ein sichergestelltes Video einer Schleusung an

Justiz unter Druck

In Traunstein schaut sich Staatsanwältin Pia Dirnberger in ihrem Büro bei der Staatsanwaltschaft ein Video an, das die Polizei auf dem Handy eines Schleusers sichergestellt hat. Es zeigt 15 zusammengepferchte Erwachsene und Kinder in einem Kleintransporter, wie sie im Wald aus dem Wagen klettern. Dieses Video muss der Schleuser den Hintermännern schicken, damit er sein Honorar erhält. Das Ziel von Staatsanwältin Dirnberger ist es, an die Hintermänner heranzukommen und diese festzunehmen. Dazu arbeitet sie mit der Polizei und mit anderen Staatsanwaltschaften im Ausland zusammen. Das ist viel Arbeit.

Rekordverdächtiger Herbst 2023

Pia Dirnberger blättert immer wieder in ihren Unterlagen. Die Staatsanwältin bereitet sich auf einen mehrtägigen Schleuserprozess vor. Einer von zahlreichen Prozessen, den die Juristin am Landgericht Traunstein zur Anklage bringt. Die Schleuserverfahren bei der Staatsanwaltschaft Traunstein haben sich zwischen 2019 und 2023 fast verdreifacht. Dabei war der Herbst des vergangenen Jahres rekordverdächtig. Da Verfahren mit Schleusern bis zur Anklageerhebung an einen bestimmten Zeitraum gebunden sind, mussten zusätzlich Staatsanwälte hinzugezogen werden, die nichts mit Schleuserkriminalität zu tun haben. Eine Abteilung mit sieben Staatsanwälten hätte das Arbeitspensum nicht geschafft.

Immer mehr Schleuserverfahren in Bayern

Ähnlich sieht es auch an anderen Gerichten in den bayerischen Grenzregionen aus. Zwischen 2019 und 2023 hat sich die Zahl der Schleuserverfahren mehr als verdreifacht. Knapp 550 waren es im vergangenen Jahr. Und: Die Verfahren werden aufgrund der gestiegenen Brutalität der Schleuser immer aufwendiger. Fliehen die Schleuser vor der Polizei, müssen Gutachten zur Geschwindigkeit des Fahrzeugs, den Verletzungsfolgen und zu einem möglichen tödlichen Ausgang der Fahrt eingeholt werden. In manchen Prozessen sagen bis zu 40 Zeugen aus. Unter anderem die Geschleusten selbst, die über Videos identifiziert werden müssen.

Weil auch andere Verfahren zunehmen, ist nicht nur die Justiz in Traunstein mittlerweile am Limit. Besonders die Arbeitsbelastung bei den Staatsanwaltschaften in Bayern habe in den letzten Jahren insgesamt zugenommen, nicht nur wegen der gestiegenen Schleuserverfahren, so das Justizministerium.

Mehr Personal notwendig

Am Landgericht Traunstein und am Amtsgericht in Laufen (Berchtesgadener Land) weist man noch auf etwas anderes hin: Das Polizeipersonal an den Grenzen nimmt zu. So wird zum Beispiel die bayerische Grenzpolizei immer mehr aufgestockt. Aber das Personal in der Justiz wächst nicht im gleichen Maße, argumentiert die Justiz.

Nicht nur in Traunstein hofft man deswegen auf die Ankündigung der bayerischen Regierung von Anfang Februar. 350 neue Stellen in der Justiz soll es laut Kabinettsbeschluss im neuen Haushalt geben, der jetzt noch im Landtag verabschiedet werden muss. Es habe sich inzwischen herumgesprochen, dass in der Grenzregion hohe Haftstrafen für festgenommene Schleuser verhängt werden, so die Staatsanwaltschaft Traunstein. Trotzdem brauche Staatsanwältin Pia Dirnberger dringend mehr Kollegen, damit die Behörde mit den Schleuserprozessen hinterherkommt.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!