Für die Flüchtlingsberatung von "Rosa Asyl" und den Verein "Imedana" kümmert sich Tobias Wöhner um queere Geflüchtete. Er berät und unterstützt sie bei Verhandlungen mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. In einigen Ländern werden schwule, lesbische oder Transpersonen verfolgt oder bedroht. So auch im Fall Ali (Name von der Redaktion geändert). Der junge Mann kommt aus dem Irak, ist schwul, hat einen festen Partner und hatte Asyl beantragt. Auch er wird von Tobias Wöhner beraten und betreut.
Im ersten Antrag Homosexualität nicht angegeben
Ali sei ein schwuler Mann aus dem Irak, der sich wie viele queere Geflüchtete sich im ersten Antrag nicht getraut hat, das auch bei der Behörde anzugeben. Man müsse berücksichtigen, "dass das Menschen sind, die in Ländern geboren sind, wo Homosexualität illegal ist, wo es als absolute Todsünde im religiösen Sinne gesehen wird", erklärt Wöhner. Auch die Familien würden das nicht akzeptieren. Die Menschen hätten von klein auf gelernt, niemand dürfe jemals davon erfahren. Und dies müssten sie aber nun einer Behörde anvertrauen und glaubhaft machen.
Amt glaubt Antragsteller nicht – Abschiebung anberaumt
Die Entscheider beim BAMF glauben ihm beim Folgeantrag letztendlich nicht. Der Vorschlag des Betreuers, den Partner von Ali als Zeugen anzuhören, wird abgelehnt. Ali wird ins Abschiebegefängnis nach Eichstätt gebracht. Dort wird er nach Angaben der Hilfsorganisation von Mithäftlingen drangsaliert und bedroht. Als Reaktion darauf wird Ali sogar nach Hof in die sogenannte AHE, also Abschiebehafteinrichtung, verlegt und im September von dort tatsächlich abgeschoben. Das zuständige Bayerische Amt für Asyl und Rückführungen schreibt auf Anfrage: "Die betroffene Person wurde am 10.09.2024 aus der AHE Hof zum Flughafen zugeführt und in den Irak rückgeführt. […] Es handelt sich hier um einen vollziehbar ausreisepflichtigen abgelehnten Asylbewerber."
Homosexualität führt nicht automatisch zu einem Schutzstatus
Von dieser schnellen Durchsetzung ist Tobias Wöhner von der Beratungsstelle mehr als überrascht. Denn bei Ländern wie dem Irak sei Homosexualität ein eindeutiger Asylgrund. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge schreibt hierzu auf Anfrage, dass eine bestimmte sexuelle Ausrichtung ein Verfolgungsgrund sein könne, aber "die Herkunft aus einem bestimmten Land oder ein bestimmter Fluchtgrund führt nicht automatisch zu einem Schutzstatus oder zur Ablehnung des Asylantrags." Entscheidend sei die persönliche Anhörung. Homosexualität wäre noch nie ein alleiniges Kriterium für die Zuerkennung eines Schutzstatus gewesen.
Große Sorge bei Asylberatung
Bei "Rosa Asyl" sind sie alarmiert, denn sie haben schon den Eindruck, dass ein strikteres Vorgehen umgesetzt wird. Das BAMF streitet dies jedoch ab. "Die Berücksichtigung der Belange von LSBTIQ-Zugehörigen im Asylverfahren ist dem Bundesamt ein wichtiges Anliegen. Eine bestimmte sexuelle Ausrichtung kann […] ein Verfolgungsgrund sein", schreibt das BAMF auf Nachfrage von BR24.
Strafen für Homosexualität in bestimmten Ländern verschärft
"Die Gangart hat sich geändert", stellt Tobias Wöhner fest, "vor einem dreiviertel Jahr hätte ich das für undenkbar gehalten, dass das BAMF sich so verhalten würde." Das bedeute auch, dass die Beratungsstelle ganz genau hingucken müsse. "Das darf sich nicht wiederholen", fordert der Berater. "Das ist lebensgefährlich", ist sich Wöhner sicher. Im Irak drohen 15 Jahre Haft, dass Parlament habe gerade erst die Strafverfolgung für Homosexuelle weiter verschärft. Aufgeben wollen sie bei "Rosa Asyl" nicht – denn queere Flüchtlinge sind eigentlich nicht die Gefährder oder Straftäter, die Deutschland verstärkt abschieben möchte.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!