Radweg in München.
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Wie sicher sind Fahrradwege, die zwischen den Autospuren liegen?

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Radlweg in der Mitte: Gefährliches Pflaster für Radfahrer?

Radlweg in der Mitte: Gefährliches Pflaster für Radfahrer?

Ein tödlicher Fahrradunfall hat in München eine Diskussion losgetreten: Wie sicher sind Fahrradwege, die zwischen den Autospuren liegen? Das Mobilitätsreferat deutet an, bei neuen Radwegen künftig wieder auf die klassische Variante setzen zu wollen.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau am .

Links und rechts Autofronten, vorne und hinten kreuzen Autos und Lastwagen – und mittendrin ein rot markierter Fahrradweg. Auf diesem Streifen sollen Radfahrer über die Kreuzung der Kreiller- und Bajuwarenstraße im Münchner Stadtteil Trudering kommen. Wer die Stelle eine Weile beobachtet, sieht mehrere Radfahrer, die statt auf dem Fahrradstreifen auf dem Fußweg fahren. Und die, die sich auf die Straße zwischen die Autospuren wagen, sind froh, wenn sie es heil über die Kreuzung geschafft haben: "Ehrlich gesagt habe ich Angst, wenn ich da fahre, weil von beiden Seiten Autos kommen", sagt eine Truderinger Radfahrerin, "da muss man richtig aufpassen". Ein anderer Radler sagt: "Besser wäre ein Fahrradweg am Rand, weil es dann nicht so gefährlich wäre."

Tödlicher Unfall bei Spurwechsel tritt neue Diskussion los

Ende April erfasste ein Lkw-Fahrer genau an dieser Kreuzung beim Spurwechsel über den Radweg eine Radfahrerin. Die 65-Jährige erlag noch am Unfallort ihren Verletzungen. Während an der Truderinger Kreuzung noch ein Blumenstrauß, Kerzen und ein weiß lackiertes Fahrrad von dem Unglück zeugen, hat der Unfall eine Diskussion in München losgetreten: Sind die sogenannten Radfahrstreifen in Mittellage – also Radwege mit Autospuren auf beiden Seiten – eine sichere Lösung, um den Verkehr zwischen Auto- und Fahrradfahrern zu regeln?

Auch andere bayerische Städte setzen auf die neuen Radwege

Dass Fahrradwege zwischen der rechten Abbiegespur und den weiteren Fahrbahnen durchgeführt werden, ist deutschlandweit ein eher junges Phänomen. Lange Zeit kannten Radler nur die Radwege auf dem Gehweg oder rechts auf der Straße. Doch seit einigen Jahren setzen Städte vermehrt auf die neue Wegeführung: Bei Kreuzungen ohne Ampelschaltung hat etwa Regensburg Radwege in Mittellage gebaut: Um "Konflikte" zwischen dem geradeaus fahrenden Radverkehr und den abbiegenden Autos zu vermeiden, sei so ein Radweg hier "eine gute Lösung", meint eine Sprecherin der Stadt auf Anfrage. Erlangen setzt ebenfalls auf Radwege in Mittellage – und zwar bei Kreuzungen mit überschaubarer Größe, also etwa mit einer Mittelspur und einer Rechtsabbiegespur. "Wenn zu viel Auto- und Schwerverkehr auf einer Kreuzung unterwegs ist, ist das für Radfahrer zu gefährlich", sagt Philipp Reußner von der Abteilung für Mobilitätsplanung bei der Stadt Erlangen. Die bayerische Landeshauptstadt hat mittlerweile rund 45 solcher Radwege eingerichtet, fünf weitere sind aktuell geplant.

Radwege in Mittellage sollen Kreuzungen "leistungsfähig" machen

Ziel dieser neuen Fahrradspuren sei aber primär, die betreffenden Kreuzungen "leistungsfähiger" für den PKW-Verkehr zu machen, bemängelt Andreas Schön, Vorsitzender des ADFC München. "Jeder Planer weiß, dass bei so einer Kreuzungsgestaltung mehr Autos bei einer Ampelschaltung rüberkommen wie bei einem klassischen Fahrradweg an der Seite", sagt er. Denn die Autofahrer könnten so auf einer längeren Strecke die Spur der Fahrradfahrer kreuzen – und zwar mit voller Geschwindigkeit: "Fahrspurwechsel dürfen ja mit 50 Stundenkilometern durchgeführt werden", so Schön, "Abbiegevorgänge nur in Schrittgeschwindigkeit". Für die Autofahrer bedeutet das also, dass sie beim Rechtsabbiegen schneller an den Fahrradfahrern vorbeikommen. Doch aus Radlerperspektive sind die neuen Radwege ein gefährliches Pflaster.

Der ADFC hatte bereits 2019 den Radweg in Trudering kritisiert, als die Stadt München die Kreuzung zwischen Kreiller- und Bajuwarenstraße umbaute. Eine Beschlussvorlage des Münchner Baureferats aus demselben Jahr legt nahe, dass die Stadt dabei vor allem den Fokus darauf legte, die "Leistungsfähigkeit" des Knotenpunkts zu gewährleisten. Doch selbst der ADAC, der Vertreter der Autofahrer, sieht die Fahrradwege in Mittellage nicht nur positiv: "Man muss natürlich schon sagen, dass diese Verkehrsführung noch relativ neu ist und sicher den ein oder anderen Autofahrer vor Probleme stellt", sagt Alexander Kreipl vom ADAC Südbayern. Es sei sehr wichtig, dass Autofahrer in solchen Situationen besonders aufmerksam führen.

München könnte künftig stärker auf klassische Radwege setzen

Für Georg Dunkel, Leiter des Münchner Mobilitätsreferats, ist der tödliche Unfall an der Truderinger Kreuzung Anlass, die neue Radwegestrategie der Stadt München noch mal gründlich zu überdenken. "Wir schauen uns das Stadtgebiet gerade sehr genau an", sagt Dunkel. "Außerdem haben wir eine Prioritätenliste gemacht und bei den neuralgischsten Punkten auch schon Sofortmaßnahmen ergriffen." Von diesen neuralgischen Punkten gibt es im Stadtgebiet einige; bei vielen geht es auch gar nicht um einen Radweg in Mittellage: So etwa auf der Kreuzung zwischen Leopold- und Ungererstraße in München Schwabing oder auf der Dachauer Straße in Richtung Georg-Brauchle-Ring. Hier habe die Stadt schon Haltelinien sowie neue Schilder und Blinklichter angebracht, um die Autofahrer auf die Fahrradfahrer hinzuweisen, so Dunkel.

Mögliche Trendwende bei Radwegen in München?

Wie es im Falle der Kreuzung in Trudering weitergeht, ist indes noch unklar. Bei einer Sitzung des Mobilitätsreferats Mitte der Woche stellte die Unfallkommission erste Erkenntnisse zum Unfallhergang vor. Man wolle noch den finalen Unfallbericht abwarten, bis man Maßnahmen für die Truderinger Kreuzung ergreife, so Mobilitätsreferent Dunkel. Aber er deutet an, dass die Stadt womöglich von der verstärkten Einrichtung von den Fahrradstreifen in Mittellage wieder abrücken könnte: "In Anbetracht der aktuellen Lage glaube ich, werden wir Radwege in Seitenlage tendenziell noch mehr bevorzugen."

Auch wenn die Stadt langfristig wieder zu den klassischen Radwegen am Straßenrand zurückkehren könnte: Die 45 mittig verlaufenden Fahrradstreifen im Stadtgebiet bleiben erst mal bestehen. Doch die frisch umgebaute Kreuzung am Sendlinger Tor zeigt, wie es auch auf Radwegen in Mittellage sicherer zugehen kann: Hier sorgt eine zusätzliche PKW-Ampel dafür, dass Autofahrer anhalten müssen – und Radfahrer ungestört vom Gehweg auf die Straße fahren können.

Im Audio: Ein tödlicher Fahrradunfall hat in München eine Diskussion losgetreten

Zu sehen ist ein weiß lackiertes Geisterrad an der Unfallstelle.
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Ende April starb an einer Kreuzung in München Trudering eine Radfahrerin. Ein LKW-Fahrer erfasste sie beim Spurwechsel über den Radweg.

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