Grundschüler sitzen in einer Klasse an Schultischen, ein Mädchen im Vordergrund des Fotos, meldet sich.
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Recht auf Ganztagsschulplatz gilt nächstes Jahr für Erstklässler
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Recht auf Ganztagsschulplatz gilt nächstes Jahr für Erstklässler

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Ganztag für Bayerns Grundschüler: Rechtsanspruch und Realität

Ganztag für Bayerns Grundschüler: Rechtsanspruch und Realität

Im nächsten Jahr tritt der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in der Grundschule in Kraft. Zunächst für Erstklässler, bis Herbst 2029 für alle anderen Grundschüler. Aber können die bayerischen Kommunen das auch umsetzen? Ein Überblick.

Über dieses Thema berichtet: Notizbuch am .

Nachmittags um 15 Uhr herrscht in der Grundschule Berg am Laim im Osten Münchens Hochbetrieb. Die Schulband probt in einem Klassenzimmer fürs Sommer-Abschlusskonzert. Eine andere Schülergruppe diskutiert in der Sitzecke im Schulhaus mit einer Stadtteilhistorikerin über die Geschichte der geschnitzten Madonna im Schulhaus. Zweitklässler aus der Ganztagsklasse machen in Zweierteams ihre Hausaufgaben.

Das Modell dieser städtischen Grundschule in München könnte künftig buchstäblich "Schule machen". 450 von insgesamt 600 Kindern verbringen ihre Nachmittage inzwischen dort, bei den Erstklässlern sind es sogar 90 Prozent. Schulleiter Michael Hoderlein stellt seit Jahren ein steigendes Interesse am Ganztags-Konzept fest: "Ich bin jetzt seit 35 Jahren in München im Schuldienst. Früher war die klassische Halbtagsschule der Normalfall. Das hat sich mittlerweile geändert - durch die Berufstätigkeit der Eltern, durch Schichtdienst und auch durch die Tatsache, dass Eltern die beste Bildung für ihr Kind wollen."

Trend zur Ganztagsschule längst Realität

Was in Berg am Laim Alltag ist, könnte bundesweit bald zur Normalität werden. Über die Hälfte aller Grundschülerinnen und Grundschüler in Deutschland besuchen bereits ein schulisches Nachmittagsangebot - 1,8 Millionen bzw. 56 Prozent, teilt das Bundesfamilienministerium auf Anfrage des BR mit.

Gegenüber dem BR heißt es, das bayerische Sozialministerium vermelde seit 2011 steigende Zahlen von Grundschülern, die nachmittags betreut werden – mit Ausnahme einer Corona-Delle zwischen 2020 und 2021, als die Eltern wieder selbst einsprangen. Bayern liegt zwar im Deutschland-Vergleich am unteren Ende der Ganztagsschulnutzung, doch auch im Freistaat besuchen inzwischen rund 60 Prozent aller Grundschulkinder ein Betreuungsangebot am Nachmittag.

Ab dem kommenden Jahr haben Eltern in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in der Grundschule. Er wird stufenweise eingeführt. Ab dem Schuljahr 2026/2027 gilt er für Erstklässler. Ab dem Schuljahr 2029/2030 haben dann alle Grundschüler einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung.

In Bayern: buntes Sammelsurium an Nachmittagsbetreuung

An bayerischen Grundschulen wird der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung keineswegs nur durch klassischen Schulunterricht am Nachmittag abgedeckt, sondern durch ein vielfältiges Betreuungs-Sammelsurium. Auch Horte, Tagesheime, Sportangebote durch Vereine im Schulhaus, sogar eine Mittagsbetreuung, die von Müttern organisiert wird, decken den Bedarf ab. Zwar buchen die wenigsten Eltern in Bayern den von Lehrkräften angebotenen Ganztagspflichtunterricht. Doch die Zahlen aus dem Sozialministerium zeigen: der Trend geht weg von der privat organisierte Mittagsbetreuung hin zu mehr Nachmittagsangeboten, die von Lehrkräften oder Erzieherinnen organisiert werden.

Die Vorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, Simone Fleischmann, warnt davor, bei der Bildungsqualität Abstriche zu machen, nur, um im Ganztag die Betreuungsquote zu erfüllen. "Ich biete vieles an in dem Gemischtwarenladen", meint Fleischmann. Aber nicht alles davon sei qualitativ hochwertig, decke damit jedoch den Anspruch ab.

Gibt es eine Garantie auf einen Ganztagsplatz?

Derzeit fließt viel staatliches Geld in den Ausbau von Ganztagsbetreuung an Schulen. Aber der Personalmangel bei Lehrkräften und Erzieherinnen, fehlende Räumlichkeiten und knappe Kassen bei den Kommunen könnten den Ausbau ausbremsen, heißt es beim Bayerischen Städtetag. Die Kommunen würden sich bemühen, den Anspruch zu erfüllen, erklärt Pressesprecher Achim Sing, aber eine Garantie gebe es nicht: "Ein Versprechen kann man seriöserweise heute nicht abgeben. Weil ja auch der Bedarf, den die Eltern haben, sich erst dann zeigen kann, wenn die Kinder tatsächlich in die Schule gehen, eben mit der Einschreibung in die Schule im Frühjahr 2026."

Laut Gesetz müssen die Kommunen den Bedarf der Eltern erheben – so wie auch beim Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz -, und diesen auch erfüllen. Konkrete Bedarfszahlen hat der Bayerische Städtetag bisher noch nicht erfasst. Im Zweifelsfall können Eltern gegen Städte und Gemeinden klagen – so wie es 2013 nach der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz der Fall war. Der Bedarf ist laut einer Prognos-Studie von 2023 (externer Link) in Bayern schon jetzt sehr viel höher als das derzeitige Angebot: 67 Prozent aller Familien wünschen sich einen Ganztagsplatz in der Grundschule.

Das bayerische Sozialministerium geht in Zukunft von noch viel höheren Zahlen aus, wenn der Rechtsanspruch auf einen Ganztagesplatz erst einmal gilt: "Wir rechnen jedoch damit, dass der Bedarf auf bis zu 80 Prozent steigen kann (regional unterschiedlich)", teilt das Ministerium in einer Stellungnahme an den BR mit. Ob und wie der Bedarf erfüllt wird – ist noch unklar.

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