Eine der Angeklagten wird in den Gerichtssaal des Münchner Oberlandesgerichts geführt.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Sven Hoppe
Audiobeitrag

Eine der Angeklagten wird in den Gerichtssaal des Münchner Oberlandesgerichts geführt.

Audiobeitrag
>

Reichsbürger-Prozess: Harmlos und nur "esoterisch angehaucht"?

Reichsbürger-Prozess: Harmlos und nur "esoterisch angehaucht"?

Im Verfahren gegen mutmaßliche Mitglieder der Reichsbürger-"Gruppe Reuß" versuchen zwei Verteidiger, ein harmloses Bild ihrer Mandanten zu zeichnen. Zudem sorgt die Aufteilung auf drei Gerichtsstandorte für Kritik.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Melanie R. sei eine liebende Mutter, eine geliebte Ärztin – so hat ihr Verteidiger Daniel Ciobanu zu Beginn des zweiten Prozesstags seine Mandantin beschrieben. Von ihr sei keine Gefahr ausgegangen, sie habe keine Umsturzpläne gehabt. Melanie R. ist eine von acht Angeklagten im Verfahren gegen mutmaßliche Mitglieder der Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß. Den Angeklagten wird unter anderem die Gründung beziehungsweise Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und die Planung eines gewaltsamen Umsturzes der Bundesregierung vorgeworfen.

Laut Anklage war Melanie R. im sogenannten "Rat" der "Gruppe Reuß" für das Ressort Gesundheit zuständig. Der "Rat" sei so etwas wie die Schattenregierung von Prinz Reuß gewesen, die nach dem Umsturz hätte eingesetzt werden sollen. Der Bundesanwaltschaft zufolge hatte R. in der Gruppe eine herausgehobene Stellung. Eine Gruppe, die laut Anklage einen gewaltsamen Angriff auf den Bundestag geplant und dafür auch den Tod von Menschen in Kauf genommen haben soll. Dafür habe sie zahlreiche Waffen gehortet. Alles vielleicht nur Wichtigtuerei, Spinnerei, unappetitliche Fantasie, fragte Ciobanu - und bezweifelte, ob eine Radikalisierung seiner Mandantin tatsächlich stattgefunden habe.

Verteidiger stellt weiteren Mandanten als harmlos dar

Auch der Verteidiger eines weiteren mutmaßlichen Mitglieds des "Rats" stellte seinen Mandanten am Mittwoch als harmlos dar. Tim G. sollte laut Anklage der Außenminister unter Prinz Reuß werden. Ist das ein Terrorverdächtiger?, fragt G.s Verteidiger Björn Nordmann – eigentlich nicht, beantwortet er sich die Frage gleich selbst. Ja, sein Mandant sei esoterisch angehaucht. Er sei Waldorfschüler, hätte sich nicht mal im Suff geprügelt und sei nicht bei der Bundeswehr gewesen. Die Bundesanwaltschaft hätte G.s Tagebucheinträge aus dem Zusammenhang gerissen, kritisiert Nordmann. Am Ende des Tages hätte sich G. von den Plänen distanziert.

Prozess wird wohl noch dauern

Wie harmlos oder gefährlich die Angeklagten waren – darum wird es in der Hauptverhandlung vor dem Münchner Oberlandesgericht in den nächsten Wochen und Monaten gehen. Am Ende wird darüber das Gericht nach der Beweisaufnahme entscheiden. Dass der Prozess noch einige Zeit dauern dürfte, zeichnete sich schon an diesem zweiten Verhandlungstag ab. Denn die Verteidiger stellten einen Antrag nach dem anderen. Der Verteidiger von Thomas T., Wolfgang Heer, beantragte den Informationsfluss zwischen den drei Gerichtsstandorten München, Stuttgart und Frankfurt zu gewährleisten. Solange das nicht passiere, dürfe die Beweisaufnahme nicht beginnen.

Es wird in drei Verfahren zeitgleich gegen mutmaßliche Mitglieder der "Gruppe Reuß" verhandelt. Die drei Verfahren laufen unabhängig voneinander, führen jeweils eigene Beweisaufnahmen. Angeklagte des einen Prozesses könnten als Zeugen im nächsten geladen werden. Bundesanwalt Kai Lohse begründete gegenüber BR24 die Aufteilung damit, dass ein einziger Prozess mit 26 Angeklagten nicht praktikabel gewesen sei. So ein Mammutprozess sprenge die Möglichkeiten. Verteidiger Heer hält die Aufteilung auf drei Gerichtsstandorte dagegen für grundfalsch. Ohne die Informationen aus den anderen Prozessen könne er seinen Mandanten nicht effektiv verteidigen.

Zahlreiche Anträge gestellt

Weitere Anträge folgten. Unter anderem auf Beiziehung sämtlicher Akten aus den Verhandlungen in Stuttgart und Frankfurt und auf Aussetzung des Verfahrens, bis sich die Anwältinnen und Anwälte umfangreich in die Akten eingearbeitet hätten. Außerdem wurde die Einstellung des Prozesses beantragt, da das OLG München örtlich nicht zuständig sei. Grund: Einige Angeklagte wohnten nicht in Bayern und auch die ihnen zur Last gelegten Taten hätten nicht im Freistaat stattgefunden.

Über all diese Anträge muss das Gericht jetzt entscheiden. Die Verhandlung wird am nächsten Mittwoch fortgesetzt. Im Verfahren werden die meisten der Angeklagten wohl zunächst keine Angaben machen. Nur die Angeklagte Ruth L. will aussagen. Ihr Verteidiger hat am Mittwoch angekündigt, dass L. Angaben zu ihrer Person und zur Sache machen werde.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!