Eine knackige Rechnung, wenn man den Rettungswagen ruft oder einen Krankentransport benötigt: Darüber denken mehrere Kommunen in Nordrhein-Westfalen nach. In der Stadt Essen sollte eigentlich ab Januar gelten: Wer einen Rettungswagen ruft, kriegt danach eine Rechnung von voraussichtlich 267 Euro. Krankentransporte wie Fahrten zur Dialyse sollten 62 Euro kosten.
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Damit sollte ein Teil der tatsächlichen Kosten gedeckt werden. Den Angaben zufolge sind das aktuell 1.020 Euro pro Rettungswagen-Einsatz. Bisher übernehmen die Krankenkassen die komplette Summe – allerdings missfallen ihnen die vergleichsweise vielen "Fehlfahrten". Bedeutet: Ein Rettungswagen wird gerufen, es kommt aber kein Patient ins Krankenhaus. Laut den Kommunen in Nordrhein-Westfalen betrifft das dort bis zu 25 Prozent aller Einsätze. Vergangene Woche folgte die Kehrtwende: Vorerst doch keine Rettungsdienst-Gebühren in Essen, wie der WDR berichtete (externer Link).
"Keine entsprechenden Überlegungen" in Bayern
Die gute Nachricht vorneweg: "In Bayern gibt es bisher keine entsprechenden Überlegungen, die Patienten an den Kosten von Rettungsfahrten zu beteiligen." Das betont eine Sprecherin des Bayerischen Innenministeriums auf BR24-Anfrage. Das liege daran, dass die "Finanzierungssystematik des Rettungsdienstes" in Nordrhein-Westfalen grundlegend anders sei als in Bayern.
Ähnlich äußert sich eine Sprecherin des Bayerischen Landkreistags. Auf BR24-Anfrage teilt sie mit: "Unserer Einschätzung nach tritt die für NRW geschilderte Problematik in Bayern nicht auf." Allerdings würden die Rettungsdienste auch in Bayern hart mit den Sozialversicherungsträgern verhandeln.
BRK: Fehlfahrten finanziert "über alle verrechenbaren Einsätze"
Wie sieht es in Bayern mit den Kosten für "Fehlfahrten" aus? Das Bayerische Rote Kreuz (BRK) teilt dazu auf BR24-Anfrage mit: "Die Kosten für nicht-abrechenbare Fehleinsätze werden über alle verrechenbaren Einsätze getragen."
Und wie oft kommt es in Bayern dazu? Dazu sagt ein BRK-Sprecher: Im Jahr 2023 habe man insgesamt 1,95 Millionen Einsätze gehabt. Davon seien 653.900 Einsätze nicht verrechenbar gewesen. Dazu zählten demnach aber nicht nur klassische Fehlalarme, bei denen niemand vor Ort war oder der Rettungswagen während der Anfahrt abbestellt wurde. Sondern dazu gehörten vor allem Einsätze, "bei denen der Rettungsdienst vor Ort war, eine (notwendige) ambulante Behandlung und Stabilisierung der Situation herbeigeführt hat" – und der Patient danach nicht ins Krankenhaus musste.
"Fehleinsätze": Das Problem mit der Statistik
"Es ist also gewiss nicht so, dass all diese Fehleinsätze wirklich Einsätze sind, die nichts für den Rettungsdienst waren", betont der BRK-Sprecher. Klar sei aber: "Wenn alle anderen gesundheitlichen Versorgungseinrichtungen (wie Hausärzte, Fachärzte, kassenärztliche Notdienste) für den Patienten nicht verfügbar sind – dann bleibt dem Menschen oft nur die 112 als letzte Option." Es brauche daher viel mehr niedrigschwellige und verfügbare Angebote in der gesundheitlichen Versorgung.
Alle Fahrten mit dem Rettungsdienst werden in Bayern über eine zentrale Stelle abgerechnet. Das BRK übernimmt nach eigenen Angaben im Freistaat "mehr als 80 Prozent aller Fahrten im Rettungswesen". Finanziell lukrativ ist das den Angaben zufolge nicht: "Beim BRK wird mit dem Rettungsdienst kein Gewinn erzielt."
Verband der Ersatzkassen: Definition von Fehlfahrt "irreführend"
Der Verband der Ersatzkassen in Bayern bestätigt auf BR24-Anfrage: "Nach aktueller Rechtslage gilt ein Rettungseinsatz ohne anschließenden Transport ins Krankenhaus als 'Fehlfahrt'." Das sei jedoch irreführend, "da in den meisten Fällen eine (notfall-)medizinische Erstversorgung vor Ort erfolgte, der Versicherte aber im häuslichen Umfeld verbleiben oder eigenständig eine Vertragsarztpraxis aufsuchen konnte". Der Anteil solcher Einsätze liege bei 25 bis 30 Prozent aller Einsätze.
"Reine Fehleinsätze ohne jegliche medizinische oder psychosoziale Indikation sind hingegen sehr selten", betont eine Verbandssprecherin. Man halte aber ohnehin nichts von einer nachträglichen Rechnung für Patienten. Sinnvoll sei vielmehr "der Ausbau ergänzender Versorgungsangebote wie psychiatrischer oder sozialer Krisendienste, um Leitstellen zu entlasten und die Notfallversorgung bedarfsgerecht zu steuern". Außerdem sehe die geplante Notfall- und Rettungsdienstreform vor, dass die Kostenübernahme künftig nicht mehr vom Transport ins Krankenhaus abhängig ist.
Mit Informationen von dpa
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