Angefangen hat es 1975 mit einem roten Punkt an einem Felsen in der Fränkischen Schweiz. Der junge Extremkletterer Kurt Albert war gerade eine Route am Streitberger Schild geklettert – frei und ohne Hilfsmittel. Er nahm rote Farbe, pinselte einen Kreis und begründete damit die Rotpunkt-Bewegung. Denn von nun an markierten Kurt Albert und seine Kletterfreunde so jede Route, die sie frei geklettert hatten. Zwar sicherten sie sich nach wie vor mit einem Seil, aber ohne dieses zu belasten und ohne auf die in die Felsen geschlagenen Haken zu treten. Es war die Geburtsstunde des athletischen und anspruchsvollen Sportkletterns auf der ganzen Welt.
Junge Generation setzt sich durch
Unter den Älteren in der Kletterszene stieß der Rotpunkt zunächst auf Widerstand. Denn bis Mitte der 1970er Jahre sah das Klettern noch ganz anders aus: Mit Trittleitern ging es den Felsen hinauf statt mit reiner Muskelkraft. Zahlreiche Hilfsmittel und auch das Treten und Ausruhen auf Haken waren bis dahin üblich. Doch schon bald setzten sich die Ideen der jungen und wilden Generation international durch. Heutzutage klettern eigentlich fast alle Rotpunkt, ob in der Fränkischen Schweiz, in den Dolomiten, im Yosemite Valley oder in Patagonien.
Kletterszene in Deutschland wächst
Immer mehr junge Menschen finden den Weg aus den Kletter- und Boulder-Hallen in den Städten raus an die Felsen. Denn die Kletterszene in Deutschland ist in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Schätzungen des Deutschen Alpenvereins zufolge klettern und bouldern mehr als eineinhalb Millionen Menschen. Auch die Zahl der Boulder- und Kletterhallen ist kontinuierlich gestiegen, sodass viele Menschen sowohl in Großstädten als auch im Flachland diesem Freizeitsport nachgehen und für die Felswände in den Mittelgebirgen und in den Alpen trainieren. Seit 2020 ist das Wettkampfklettern zudem als Disziplin bei den Olympischen Spielen vertreten.
Neuer Superstar: Alex Megos
Im Frankenjura ist mittlerweile ein neuer Superstar groß geworden: Der 31-jährige Alexander Megos aus Erlangen, einer der besten Felskletterer der Welt, Olympiateilnehmer und zweimaliger Vize-Weltmeister im Lead. Für ihn ist Rotpunkt der Inbegriff des Kletterns. Auch wenn sich die Technik durch verbessertes Material und erweiterte Trainingsmöglichkeiten seit damals gewandelt hat: "Es bedeutet immer noch ein gewisses Gefühl von Freiheit", sagt Alexander Megos. Dieses Freiheitsgefühl und auch die Weltoffenheit sind im Frankenjura spürbar, wohin jeden Sommer zahlreiche Kletternde kommen. Auch Seraina aus der Schweiz ist froh über die Rotpunkt-Bewegung Mitte der 70er Jahre und was sich daraus entwickelt hat. Und Tomáš aus Tschechien trainiert hart, um berühmt berüchtigte Routen von Kurt Albert in der Fränkischen Schweiz mit der Methode Rotpunkt meistern zu können.
Frei denken, frei klettern, frei sein
Bis heute ist Kurt Albert eine fränkische Kletterlegende und ein internationaler Vorreiter. Von ihm ging der Impuls aus für einen Aufbruch in eine neue Ära des Freikletterns, Freidenkens und Freiseins. In seiner bescheidenen Art sagte Kurt Albert einmal: "Ich bin kein Mensch, der andere beeinflussen will. Jeder muss seinen eigenen Stil entwickeln und seinen eigenen Stil durchleben und erleben. Ich glaube, ich habe meinen Stil gefunden." Ihm war auch klar, dass er nicht der erste Freikletterer gewesen war, sondern dass er diese Art des Kletterns erstmals im Elbsandsteingebirge erlebt hatte. Doch er war der erste, der es auf den Punkt brachte: den Rotpunkt.
2010 stürzte Kurt Albert tragischerweise am Höhenglücksteig in der Oberpfalz ab, wenig später erlag er seinen schweren Verletzungen. Doch sein Spirit lebt weiter – nicht nur unter seinen Freunden des Freikletterns im Frankenjura, sondern bei jedem einzelnen Griff und Tritt der Kletternden in den rauen Löcherkalk.
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