Der russische Autor Sergej Lebedew liest auf der Bühne aus seinem aktuellen Buch.
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Der russische Autor Sergej Lebedew liest aus seinem aktuellen Werk "Titan oder Die Gespenster der Vergangenheit".

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Russland und die Ukraine: Sprechen über Krieg und Frieden

Russland und die Ukraine: Sprechen über Krieg und Frieden

Vor zwei Jahren hat Russland die Ukraine angegriffen. Um darüber zu sprechen, haben kirchliche Einrichtungen in Nürnberg eine Tagung organisiert. Es geht dabei um die Geschichte der früheren Sowjetunion – und wie wichtig Zuhören ist.

Über dieses Thema berichtet: regionalZeit - Franken am .

"Krieg entfaltet seine zerstörerische Kraft nicht nur dort, wo er stattfindet, sondern weit über die Grenzen des Schauplatzes hinaus", sagt Sabine Arnold. Sie ist Referentin für Aussiedler und Interkulturalität der evangelischen Landeskirche in Bayern. Sie hat die zweitägige Veranstaltung mit dem Titel "Sprechen über Heimat und unsere Sehnsucht nach Frieden" organisiert. Dazu gehören ein dreisprachiger Gottesdienst, ein Vortrag und ein Schreibworkshop im Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg. Am Freitagabend stand bei der Tagung eine Lesung mit dem renommierten russischen Autor Sergej Lebedew auf dem Programm. Die Tage sind getragen von der Sehnsucht nach Frieden.

Menschen, die in Nürnberg vom Krieg betroffen sind

Zu Beginn erklärt Sabine Arnold, warum der Krieg in der Ukraine Auswirkungen auf das Leben hierzulande hat. Seit Beginn der russischen Invasion sind über eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer nach Deutschland geflüchtet. Tausende kamen nach Nürnberg. Sabine Arnold berichtet in ihrer Rede, dass inzwischen gut 50.000 Menschen in Nürnberg leben, die aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion stammen, so zum Beispiel aus Kasachstan oder Belarus. Das sei immerhin knapp ein Zehntel der Bevölkerung in Nürnberg, so Arnold.

"Krieg macht heimatlos"

Alle, die in der ehemaligen Sowjetunion aufgewachsen sind oder gelebt haben, seien von dem Angriff Russlands auf die Ukraine betroffen. "Krieg macht heimatlos, weil er Strukturen und Wertesysteme zerstört", sagt Arnold, "sowohl physisch als auch psychisch". Menschen würden hier aus vielen Gründen den ukrainischen Geflüchteten helfen: weil diese immer mehr Tote zu betrauern haben, weil sie Angst haben um Freunde in Russland, die sich gegen die Putin-Regierung stemmen oder weil Geflüchtete ihre Eltern in Russland nicht mehr besuchen können. Auch aus dem Ohnmachtsgefühl, nichts gegen diesen Krieg tun zu können, habe Arnold die Tagung "Sprechen über Heimat und unsere Sehnsucht nach Frieden" organisiert.

"Russland rast in die Vergangenheit"

Am ersten Abend ist der russische Autor Sergej Lebedew zu Gast. Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Sogar die New York Times hat sein Werk "Das perfekte Gift" besprochen. Lebedew beschäftigt sich mit den Schatten der sowjetischen Vergangenheit, unter anderem mit dem Gulag-System unter dem Diktator Josef Stalin. Mit Gulag wird das sowjetische Repressions- und Straflagersystem bezeichnet, das besonders unter Stalin für Millionen Menschen Terror und Tod bedeutete. Diese Verbrechen aus der Vergangenheit seien nie richtig aufgearbeitet worden, erklärt Lebedew. Das wirke sich auf die Gegenwart in Russland aus. Der sowjetische Imperialismus zeige sich unter anderem im Angriff auf die Ukraine. "Russland rast mit großer Geschwindigkeit in die Vergangenheit – und hat keine Gegenwart", sagt Lebedew auf der Bühne in Nürnberg.

Gulag, Stalin und die Gespenster der Vergangenheit

Sergej Lebedew ist in Moskau aufgewachsen und von Beruf Geologe. Bei einer Forschungsreise in den Norden Russlands ist er auf Reste des Gulags gestoßen. Mit seinen Büchern hat er sich bei der russischen Regierung unbeliebt gemacht, seit 2018 lebt er in Deutschland. Nach seinem aktuellen Werk "Titan oder Die Gespenster der Vergangenheit" arbeitet Sergej Lebedew inzwischen an seinem neuen Werk. Dafür schaut er sich populäre Filme aus sowjetischen Zeiten an, in denen unterschwellig die Ukraine abgewertet werde, berichtet der Autor. In dem Krieg gegen die Ukraine gehe es um ein altes, sowjetisches Erbe, das nun wiederbelebt worden ist. "Den Russen ist nie bewusst geworden, in welch imperialistischer Tradition das Land verhaftet ist", sagt Lebedew.

Zurück zu sowjetischen Zeiten

Inzwischen sei in Russland die "verlogene Sprache der Vergangenheit" zu hören. Lebedew spricht Russisch, manchmal auch Deutsch. Dabei ist er nie laut oder wird polemisch, sondern er spricht bedacht und leise. Aber er sagt sehr deutlich, dass die Ukraine den Krieg nicht verlieren dürfe. Schon die Annexion der Krim sei ein Rückfall in sowjetische Zeiten gewesen. Im Publikum sitzen einige, die Russisch verstehen, andere brauchen die Übersetzung ins Deutsche. Zum Ende der Lesung meldet sich eine ältere Frau aus dem Publikum. Sie komme aus einem Vorort von Kiew, erzählt sie. Dort sei nach der russischen Invasion "die Hölle" gewesen. Ihre Familie habe nicht nur den Terror der Gegenwart, sondern auch den der sowjetischen Vergangenheit erlebt. 1937 sei ihr Großvater erschossen worden.

Zuhören, um verstanden zu werden

Die Tagung "Sprechen über Heimat und die Sehnsucht nach Frieden" biete die Möglichkeit, persönliche Geschichten zu erzählen und einander zu verstehen, sagt der Leiter des Caritas-Pirckheimer-Hauses, Siegfried Grillmeyer. Dazu gibt es unterschiedliche Veranstaltungen: Die BR-Autorin und Osteuropa-Historikerin Christine Hamel berichtet über ihre Arbeit in der Ukraine und in Russland, es gibt eine Diskussion über Sprache und Krieg und einen Schreibworkshop mit dem Titel "Trauma, Heilung und Versöhnung". Es geht dabei stets um Dialog, nicht um Monolog. Grillmeyer bringt deshalb ein Zitat aus dem Film Babel zur Sprache, das seiner Meinung nach zu der Tagung passt: "Wer verstanden werden will, muss zuhören"

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