Wo früher mal die Schalterhalle des Bahnhofs war, ist jetzt ein Café. Rita Failer (links) mit ihrer Mitarbeiterin Ramona Rannetsberger.
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Wo früher mal die Schalterhalle des Bahnhofs war, ist jetzt ein Café. Rita Failer (links) mit ihrer Mitarbeiterin Ramona Rannetsberger.

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Schmuck und Kulinarik: Vom heruntergekommenen Bahnhof zum Café

Schmuck und Kulinarik: Vom heruntergekommenen Bahnhof zum Café

Früher gab es in fast jedem Ort einen Bahnhof samt Schalterhalle. Diese Gebäude stehen jetzt oft leer, sind heruntergekommen. Nicht so in Tapfheim: Da hat Rita Failer den Bahnhof gekauft und etwas ganz Besonderes daraus gemacht.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Schwaben am .

Schon kurz nach sieben sind Rita Failer und ihre Mitarbeiterinnen dabei, das Frühstück für ihre Gäste vorzubereiten: Gemüsesticks, Käse, Wurst, Rührei - alles richten sie liebevoll her. Sie tun das in den Räumen, in denen früher die Fahrgäste auf ihren Zug gewartet oder ihre Fahrkarte gekauft haben. Das Café Bruno, das Rita Failer hier im Mai 2018 eröffnet hat, ist nämlich im ehemaligen Tapfheimer Bahnhofsgebäude untergebracht. Das hatte vorher fast 20 Jahre lang leer gestanden. Bruno hieß übrigens ihr Vater. Jetzt hat sie ihr Café nach ihm benannt - das Logo ist seine Unterschrift.

Viel Handarbeit und Liebe zum Detail

Rita Failer lehnt an ihrer Theke und streicht über das dunkle Holz: Das waren mal die Dielen im Bahnhofs-Warteraum. Total verdreckt waren die, und ölverschmiert, erinnert sie sich: "Die haben wir abgeschliffen. Mei, das war eine furchtbare Arbeit", sagt sie, hält kurz inne. "Aber eigentlich hab ich das beim Abschleifen ganz vergessen, wenn ich darüber nachgedacht habe, was diese Bretter schon alles erlebt haben: Zwei Weltkriege, ein Kommen und Gehen, ein Wiedersehen und Verabschieden in einem Bahnhof. Das hat mich so berührt." Dabei habe sie sich auch oft gedacht: Hoffentlich geht das gut. Im Dorf ein Café zu eröffnen, noch dazu, wenn man nicht vom Fach sei, das sei schon ein Wagnis gewesen.

Von der Museumspädagogin zur Wirtin

Eigentlich habe sie als Museumspädagogin in Donauwörth gearbeitet. Zuhause habe sie gerne Schmuck gefertigt. Immer größer wurde ihre Produktion, im zur Werkstatt umgebauten Wohnzimmer. Als das samt Anbau nicht mehr ausreichte, kam sie im Gespräch mit einer Freundin auf den leerstehenden, völlig heruntergekommenen Bahnhof. Schon am Tag später hat sie sich mit Bürgermeister Karl Malz getroffen, schnell war man sich handelseinig: Die Gemeinde habe nicht recht gewusst, was man mit dem Bahnhof anfangen solle, sagt Rita Failer. Sie schon. Sie hat den Bahnhof zusammen mit örtlichen Handwerkern, Freunden und ihrer Familie renoviert.

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So hat der Tapfheimer Bahnhof noch vor knapp fünf Jahren ausgesehen - fast 20 Jahre stand er leer.

Oben Schmuck, unten Kulinarik

Im ersten Obergeschoss ist jetzt die Schmuckwerkstatt untergebracht. Hunderte von Perlen und Anhängern gibt es da, wer mag, kann sich selbst Schmuckstücke zusammenstellen oder fertige kaufen. Das geht auch online - und das Online-Geschäft war es auch, das Rita Failer über die schwere Corona-Zeit mit den Lockdowns geholfen hat. In normalen Zeiten läuft ihr Café sehr gut. Besonders beliebt ist das Frühstück, aber auch zum Mittagessen, Kaffee trinken oder Abendessen kann man hierher kommen. Es ist ein Treffpunkt geworden für die Tapfheimer. Die sind begeistert: "Es schmeckt super, das Personal ist so nett - und vor allem, schauen Sie doch mal, das Ambiente", sagt eine Frau begeistert und ein älterer Herr fügt an: "Grandios. Das ganze Historische hier. Wie die das gemacht hat, die Chefin, einfach toll, was die geschafft hat. Mir gefällt das, so alles bisschen wie vom Flohmarkt".

Keine Tasse gleicht der anderen

Und wirklich: Das Geschirr schaut aus wie aus Großmutters Anrichte, kein Teller gleicht dem anderen, jede Teetasse ist anders. Da lacht Rita Failer: "Die erste Tasse, die ich hier hatte, das ist eine, die habe ich zur Kommunion bekommen. Da war damals was Süßes drin. Das hat man so gemacht damals - gefreut hat man sich als Kind da gar nicht." Und jetzt würden ihr immer wieder Gäste Tassen mitbringen, so hätte sie so viele verschiedene zusammengebracht. Die Liebe zum Detail ist hier überall zu spüren. Der erste Kaffee morgens ist handgebrüht, aus Peru ist einer, aus Kenia ein anderer. Draußen, im Eingangsbereich, hängt ein alter Postkartenautomat. Hier können die Gäste sehen, wie es ganz früher hier ausgesehen hat. Und wer mag, kann eine Postkarte ziehen und einen Gruß an seine Freunde schicken. "Einen handgeschriebenen Gruß, nicht getippt. Das passt zu uns", sagt Rita Failer.

Zwei Denkmalschutzpreise für Renovierung des alten Bahnhofs

Für alle ihre Mühe ist sie inzwischen schon zweifach ausgezeichnet worden: Mit dem Denkmalpreis 2020/2021 des Bezirks Schwaben und der Denkmalschutzmedaille des Freistaats Bayern.

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