Raphaela Haug auf dem Weg zur 4112 Meter hohen Aiguille Blanche de Peuterey in der Mont-Blanc-Gruppe in Italien.
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Raphaela Haug auf dem Weg zur 4112 Meter hohen Aiguille Blanche de Peuterey in der Mont-Blanc-Gruppe in Italien.

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Sexismus in den Alpen: Warum sind Bergführerinnen so selten?

Sexismus in den Alpen: Warum sind Bergführerinnen so selten?

Bergführer ist auch heute noch ein Beruf, in dem nur wenige Frauen arbeiten. Eine Ausnahme: Raphaela Haug. Die 30-jährige Allgäuerin erlebte jedoch auf einer Berghütte einen sexistischen Vorfall. Und damit ist sie nicht alleine.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau am .

Raphaela Haug hängt in Granitwänden in Patagonien, fährt Steilhänge in der Schweiz mit Skiern hinunter – und führt Gäste durchs Allgäu. Für sie ist der Berg nicht nur Leidenschaft, sondern Beruf geworden. Mit 30 Jahren gehört sie zu einer kleinen Minderheit: Haug ist Bergführerin, in einem Job, in dem Frauen noch immer eine Ausnahme sind.

Dabei war das gar nicht ihr ursprünglicher Plan. Als Jugendliche trainierte sie im Expeditionskader des Deutschen Alpenvereins (DAV). "Das war dann die logische Weiterentwicklung – ohne, dass ich mir groß Gedanken darüber gemacht habe", sagt sie.

Frauen als Bergführerinnen: Seltenheit in den Alpen

Bergführerin zu sein, ist in den Alpen noch immer eine Ausnahme. In Deutschland sind laut Berufsverband nur etwa vier Prozent der Bergführer weiblich. In Österreich und der Schweiz ist der Anteil sogar noch geringer. In Südtirol gibt es 201 Bergführer – und gerade einmal acht Frauen.

Warum der Anteil weiblicher Bergführer alpenweit so niedrig ist, sei schwer zu erklären. "Es scheint einfach wenig Interesse von weiblicher Seite zu geben, aus welchen Gründen auch immer", berichtet Thomas Zelger, Präsident der Südtiroler Bergführer. Haug sieht auch historische Gründe: "Denn ganz lange hatte 'Frau' nichts in den Bergen zu suchen. Und es war eben ganz lange ein Männerberuf." Das Bild vom bärtigen, kräftigen Bergführer sitzt noch tief. Doch langsam, so sagt sie, beginne es zu bröckeln.

"Die Raphaela tanzt heute Abend"

Wie zäh alte Rollenbilder sein können, erlebte Haug im Frühjahr auf einer Südtiroler Hütte. Im Bergführerzimmer stand eine Stange in der Mitte. Ein Kollege witzelte: "Die Raphaela tanzt für uns heute Abend." Die Stimmung kippte sofort. "Ich habe mich extrem unwohl gefühlt", erinnert sie sich. Nach einer kurzen Pause fragte sie zurück, warum nicht er tanzen solle.

Für Haug war das kein bloßer Scherz, sondern ein Vorfall, der nachwirkte. Sie teilte ihre Erfahrung auf Instagram – nicht, um jemanden an den Pranger zu stellen, sondern um Bewusstsein zu schaffen. "Mir ging’s darum, dass Menschen kurz innehalten und reflektieren, was ihre Worte auslösen können."

Kein Einzelfall – aber bisher auch keine Statistiken

Ihr Erlebnis scheint kein Einzelfall zu sein. Statistiken zu sexistischen Vorfällen in den Bergen gibt es jedoch bei keinem der angefragten Alpenvereine. Sowohl der DAV als auch sein österreichisches Pendant, der ÖAV, haben entsprechende Grundsatzpapiere zu Sexismus und Diskriminierung verabschiedet. Sie bieten ein Online-Formular, über das – auch anonym – Vorfälle gemeldet und entsprechende Ansprechpartner kontaktiert werden können.

Offizielle Statistiken fehlen zwar, doch der BR-Podcast "Bergfreundinnen" hat in mehreren Folgen über Sexismus am Berg berichtet. Dazu meldeten sich auch viele Hörerinnen. Und in der Mitgliederzeitschrift der DAV-Sektion München & Oberland gab es vor kurzem einen entsprechenden Aufruf. Auch hier gingen zahlreiche Einsendungen ein, in denen Frauen über sexistische Vorfälle berichteten. Die Sektion bot im vergangenen Winter zudem entsprechende Schulungen für Hüttenwirte zur Prävention an.

"Nicht jedes Wort ist gleich Sexismus"

Trotzdem mahnt Haug, nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen: "Man muss die Kirche auch mal im Dorf lassen. Nicht jeder blöde Spruch ist gleich sexistisch."

Stattdessen widmet sie sich lieber dem, was ihr Spaß macht: in den Bergen unterwegs sein. Inzwischen ist sie Co-Trainerin der Frauengruppe des DAV-Expedkaders. Drei Jahre lang lernen junge Erwachsene dort alle alpinen Spielarten – von Klettern bis Skitouren.

Haug gibt ihre Erfahrungen weiter, damit mehr junge Frauen ihren Weg gehen. Sie ist überzeugt: Mit der Zeit wird sich das Bild der Bergführerin ändern – und vielleicht steht dann nicht mehr automatisch der bärtige Mann vor Augen, wenn vom Bergführer die Rede ist.

Bildrechte: DAV/Silvan Metz
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Zusammen mit den Mitgliedern des DAV-Expedkaders übernachtet Raphaela Haug (rechts) auf einer Portaledge mitten in einer Felswand.

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