Symbolbild: Die Basilika St. Ulrich und Afra in Augsburg
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Sexuelle Gewalt im Bistum Augsburg: Studie belegt Systemversagen

Sexuelle Gewalt im Bistum Augsburg: Studie belegt Systemversagen

Neue Zahlen, klare Kritik – und konkrete Empfehlungen: Die Unabhängige Aufarbeitungskommission hat ihre Missbrauchsstudie vorgestellt. Sie zeigt, wie auch das Bistum Augsburg beim Schutz von Kindern versagte – und Beschuldigte oft verschonte.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Augsburg, Donnerstagvormittag. Der Pressekonferenz-Saal im Haus Petrus Canisius ist bis auf den letzten Platz besetzt. Vorne sitzt auch Bischof Bertram Meier – zum ersten Mal hält er die 206 Seiten starke Studie in Händen, die das Versagen seiner Institution dokumentiert. Was die Unabhängige Aufarbeitungskommission (UAKA) vorstellt, ist kein bloßer Rückblick. Es ist ein Prüfstein für den Umgang der katholischen Kirche mit Verantwortung heute.

Bistum Augsburg setzt auf unabhängige Untersuchung von Missbrauchsfällen

Die UAKA wurde im März 2021 vom Augsburger Bischof selbst eingesetzt. Ihr Auftrag: Fälle sexualisierter Gewalt im Bistum unabhängig zu untersuchen. Anlass waren die Ergebnisse der bundesweiten MHG-Studie von 2018 – benannt nach den Universitäten Mannheim, Heidelberg und Gießen. Diese hatte das Ausmaß kirchlichen Missbrauchs erstmals systematisch dokumentiert.

Eine Vereinbarung aus dem Jahr 2020 verpflichtete alle deutschen Diözesen zur transparenten Aufarbeitung nach einheitlichen Standards. Der Augsburger Weg: eine unabhängige Kommission aus sieben Mitgliedern – darunter Richter, Mediziner, eine Theologin und zwei Betroffenenvertreter.

Systemversagen im Bistum: Missbrauch oft nicht gemeldet

Die Untersuchung der UAKA legt offen: In mehr als einem Drittel der untersuchten Fälle (35,48 %) haben kirchliche Verantwortungsträger nicht angemessen gehandelt. Das bedeutet: Hinweise wurden nicht an die Justiz weitergeleitet, Beschuldigte blieben im Amt oder wurden nur versetzt, Opferschutz blieb aus.

Besonders kritisch fällt das Urteil für die Jahrzehnte vor 2002 aus – etwa unter Bischof Stimpfle (63,6 %) und Bischof Dammertz (68,8 %). Erst seit dem Episkopat von Bischof Meier, also seit 2020, sieht die Kommission keine Pflichtverletzungen mehr. Doch die strukturellen Versäumnisse früherer Jahrzehnte wirken nach – auch heute noch.

Sexuelle Gewalt in geschützten Räumen

Die Studie dokumentiert 193 Taten an 156 Betroffenen – meist Jungen, viele unter 14 Jahren. 77 namentlich bekannte Kleriker wurden als Täter identifiziert. In fast einem Drittel der Fälle fanden die Übergriffe in Pfarrhäusern oder Privatwohnungen statt – Räume, die eigentlich Schutz bieten sollten.

Die Kommission erkennt ein Muster: Täter nutzten ihr Amt und das Vertrauen, das ihnen entgegengebracht wurde. Nähe wurde gezielt hergestellt, Kontrolle fehlte, Hinweise wurden ignoriert oder bagatellisiert. Die Leidtragenden berichten – so zeigen es die Akten – bis heute von Angst, Isolation, Beziehungsabbrüchen und langanhaltender seelischer Belastung.

Fortschritte – aber kein Grund zur Selbstzufriedenheit

Seit 2002 gibt es neue Leitlinien der Bischofskonferenz. Verdachtsfälle werden inzwischen häufig an die Staatsanwaltschaft gemeldet, Schulungen sind verpflichtend. Die UAKA erkennt diese Fortschritte an – warnt aber davor, sich darauf auszuruhen. Sie empfiehlt unter anderem: ein generelles Verbot, unbegleitete Minderjährige in Pfarrhäuser oder Privatwohnungen einzuladen, mehr Personal und Ressourcen für Prävention, missbrauchssensible Fortbildungen für Geistliche und eine jährliche, datenschutzkonforme Veröffentlichung aller neuen Fälle. "Der Wandel ist möglich", heißt es in der Studie – aber er muss gestaltet und kontrolliert werden.

Augsburgs Bischof: "Auf dem Weg, aber nicht am Ziel"

"Ich bin sehr betroffen", sagte Bischof Meier nach der Vorstellung der Augsburger Missbrauchsstudie. In seinem Statement sprach er von tiefer Schuld und davon, wie sehr ihn das Leid der Betroffenen erschüttere. Er betonte, die Kommission habe unabhängig gearbeitet – ohne Einfluss durch das Ordinariat. Nun will er die Ergebnisse prüfen und Konsequenzen daraus ziehen. "Der Wahrheit ins Auge zu schauen, ist ganz entscheidend", so Augsburgs Bischof.

Im Audio: Sexuelle Gewalt im Bistum Augsburg - Studie belegt Systemversagen

206 Seiten umfasst die Studie der Unabhängigen Aufarbeitungskomission Augsburg zu sexuellem Missbrauch im Bistum Augsburg.
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206 Seiten umfasst die Studie der Unabhängigen Aufarbeitungskomission Augsburg zu sexuellem Missbrauch im Bistum Augsburg.

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