Freitag vor rund einer Woche in München: Etwa 120 Menschen, darunter auch Dutzende Iraner und Israelis, haben sich am Sendlinger Tor getroffen, um Solidarität für die israelische und für die iranische Zivilbevölkerung zu zeigen. Auslöser für die spontan angesetzte Kundgebung mitten im zwölftägigen Krieg zwischen Iran und Israel war der Angriff des iranischen Regimes auf das Krankenhaus der israelischen Stadt Be'er Sheva, sie ist auch eine Partnerstadt der Landeshauptstadt München.
Iranerin Somayeh und Israelin Stav zeigen gemeinsam Solidarität
Unter den Teilnehmenden der Kundgebung war auch Somayeh, die seit 15 Jahren in Deutschland lebt und sich die alte iranische Fahne mit goldenem Löwen und aufgehender Sonne umgebunden hat. Viele Regimegegner nutzen diese Fahne mit den alten persischen Symbolen, und nicht die offizielle der Mullahs.
Auch die israelische Studentin Stav war dabei. Sie trug um die Schultern ein blau-weißes Tuch mit Davidstern und sagte, dass sie sich wegen der heftigen Raketenangriffe aus dem Iran große Sorgen um ihre Familie in Israel mache. Zugleich wollte sie jedoch auch Solidarität für die iranische Zivilbevölkerung zeigen.
Israel-Iran-Krieg spitzt sich zu, dann Waffenstillstand
Seit dieser gemeinsamen Solidaritäts-Kundgebung vor rund einer Woche ist viel passiert. Die Lage im Nahen Osten hatte sich noch einmal zugespitzt: Israels Luftwaffe bombardierte über 80 Ziele im Iran, darunter das Verteidigungsministerium in Teheran, mutmaßliche Atomanlagen, Öllager und den staatlichen Fernsehsender. Berichten zufolge wurden führende iranische Militärs und Atomwissenschaftler bei den israelischen Angriffen getötet.
Eine Nichtregierungsorganisation mit Sitz in den USA hatte die Zahl der bei den Angriffen Israels auf den Iran getöteten Menschen mit mindestens 657 beziffert - darunter seien mindestens 263 Zivilisten, wie die Human Rights Activists News Agency (HRANA) zwischenzeitlich erklärt hatte.
Der Iran griff seinerseits mit Raketen und Drohnenangriffen israelische Städte an. Mindestens 24 Menschen wurden dabei getötet und Hunderte verletzt. Mehrere Hundert Wohnungen und Häuser sind komplett zerstört.
Dann mischten sich die USA ein und griffen drei iranische Atomanlagen an. Am 25. Juni trat eine Waffenruhe in Kraft. Israel erklärte, alle militärischen Ziele seien erreicht worden.
Erleichterung über Waffenruhe, aber weiterhin Sorgen
Und wie geht es den beiden jungen Frauen eine Woche nach der gemeinsamen Kundgebung? Somayeh hatte gehofft, dass es im Iran zu einem Machtwechsel kommt. Denn wegen der radikalen Mullahs hatte sie vor 15 Jahren ihr Heimatland verlassen. Jetzt ist sie erstmal froh, dass sie wieder Kontakt zu ihrer Familie und zu Freunden im Iran halten kann, denn die Internet- und Telefonverbindungen funktionieren wieder einigermaßen, nachdem das Regime sie gesperrt hatten. Doch richtig freuen kann sich die Exil-Iranerin nicht. "Ich versuche, auch wie viele meiner Landsleute, nicht hoffnungslos zu sein", sagt sie.
Auch Stav ist dankbar, dass es ihrer Familie in Israel gut geht. Dem Waffenstillstand mit dem Iran traut sie allerdings nicht so recht. Schließlich droht das iranische Regime Israel seit Jahrzehnten mit der Auslöschung. "Ich stehe jeden Morgen auf und schaue nach, ob es einen meiner Verwandten oder Freunde durch eine Rakete erwischt hat. Sie wollen doch einfach nur ihr Leben in Normalität leben – so wie ihr auch", so die israelische Studentin.
Israelfeindliche Demonstrationen und Anfeindungen, Hinrichtungen im Iran
Stav betont, dass sie sich hier in Bayern sicher fühlt. Sie merkt auch, dass das offizielle Bayern an der Seite Israels steht. Dennoch gibt es ein Thema, das sie schon länger belastet: "Ich sehe viele Demonstrationen, in denen das Existenzrecht des jüdischen Staates aberkannt oder der Hamas-Terror glorifiziert wird. Oder Studenten, die mir gesagt haben: 'Go back where you came from!'"
Auch Somayeh macht sich Sorgen um die Familie, Freunde und Bekannten im Iran. So sei den Menschen im Iran geraten worden, israelischen Seiten auf Social Media nicht zu folgen, und denjenigen, die sich an den Protesten gegen das Regime in Europa oder in den USA beteiligten, sei mit dem Tod gedroht worden. "Die iranische Justiz hat nach dem Waffenstillstand begonnen, viele Menschen hinzurichten, die der Zusammenarbeit mit Israel beschuldigt wurden", berichtet sie.
Die große Frage: Wie geht es jetzt weiter im Nahen Osten?
Wie es weiter geht, in Israel, im Iran, in vielen Teilen des Nahen Ostens, ist derzeit die große Frage. Auch für Guy Katz. Der Israeli arbeitet als Professor an der Hochschule München und engagiert sich in München bei "Run for their lives" für die israelischen Geiseln. Rund 50 befinden sich noch immer in der Gewalt der Hamas, nur etwa die Hälfte soll nach Informationen der israelischen Armee noch leben.
"Wir sind zwar froh, dass dieser Krieg erst einmal vorbei ist, dass unsere Freunde und Verwandten aus dem Bunker können, dass die Leute nach Israel zurückkönnen ... aber wir haben irgendwie das Gefühl, dass es langfristig nicht vorbei ist", sagt der Professor. Schließlich sei ein Machtwechsel im Iran jetzt nicht mehr in Sicht. Die Hoffnungen vieler Menschen sowohl in Israel als auch im Iran hätten sich vorerst zerschlagen.
Israelis und Iraner tauschen Kontaktdaten aus
Bei der Kundgebung vergangenen Freitag haben einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Israel und aus dem Iran ihre Kontaktdaten ausgetauscht. Viele von ihnen sagen, dass sie sich nichts mehr wünschen, als ohne Krieg, Angriffe oder Bedrohungen leben zu können.
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