"Niemand muss in den Krieg ziehen", betonte Florian Hahn, Staatsminister im Auswärtigen Amt in der Sendung "jetzt red i". Stattdessen gehe es darum, Deutschland und Europa im Ernstfall verteidigen zu können. Deshalb forderte der CSU-Politiker: "Wir brauchen jetzt und schnell die Wiedereinführung der Wehrpflicht."
Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist lediglich von einem "attraktiven Wehrdienst" die Rede, der zunächst auf Freiwilligkeit basiere. Auch der Koalitionspartner, die SPD, sprach sich nach parteiinternen Diskussionen kürzlich dagegen aus, die Wehrpflicht wieder einzuführen, bevor nicht alle Maßnahmen zur freiwilligen Steigerung des Personals ausgeschöpft seien.
Hahn bezog sich bei seiner Forderung auf jene Wehrpflicht, die in Deutschland bis zu ihrer Aussetzung im Jahr 2011 für Männer galt. Das sei das, was pragmatisch politisch möglich sei. Für eine Wehrpflicht auch für Frauen müsste das Grundgesetz mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag geändert werden. Das sei in der aktuellen Legislaturperiode definitiv nicht erkennbar, sagte Hahn.
Die Linke setzt auf Freiwilligkeit
"Ich finde schon, dass Menschen sich verteidigen können müssen", sagte auch der stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei Die Linke, Ateş Gürpinar. Aber er kritisierte Hahns Forderung nach einer Wehrpflicht. Denn die Freiheit, über den eigenen Lebenslauf entscheiden zu können, sei ein hohes Gut. "Wenn wir dieses Gut verteidigen wollen, dürfen wir nicht damit anfangen, Menschen zu verpflichten, ihr eigenes Leben und das Leben anderer in den Dienst zu stellen", sagte Gürpinar. Er forderte stattdessen bessere Arbeitsbedingungen.
Dass die Initiativen der Bundeswehr bereits eine "deutliche positive Wende" bringen würden, berichtete der Sprecher der Bundeswehr in Bayern, Thorsten Smoll. Die Bewerberzahlen und Einstellungen hätten zugenommen, sagte er bei "jetzt red i". Tatsächlich gab es im ersten Quartal 2025 allein im militärischen Bereich rund 20 Prozent mehr Einstellungen als im Vorjahreszeitraum. Smoll räumte aber ein Problem ein: Die geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten Babyboomer, gehen nun in Rente. Insgesamt nahm die Zahl der Soldatinnen und Soldaten deshalb – trotz des Anstiegs bei den Einstellungen – zuletzt ab.
Komplexe Waffensysteme als Herausforderung
Das Mittel, um die Zahl der Soldatinnen und Soldaten zu steigern, ist für Hahn die Wehrpflicht. Gürpinar stellte hingegen die Frage: "Was will ich mit den Menschen, die nur ein halbes Jahr oder Jahr irgendwas gelernt haben?" Die Zeit sei zu kurz, um Menschen angemessen auf den Dienst an komplizierten Verteidigungssystemen vorzubereiten. Hahn widersprach: "Sie können natürlich einen Soldaten oder eine Soldatin grundbefähigen und vorbereiten für einen Ernstfall."
Den Ernstfall befürchtete Hahn mit einem Blick nach Russland. Die Bedrohungslage habe sich seit dem Jahr 2011 massiv geändert. Damals hatte Hahn im Bundestag für die Aussetzung der Wehrpflicht gestimmt. Selbst 2023 sprach sich Hahn noch für Freiwilligkeit und gegen einen Zwangsdienst aus. "Die Bedrohungssituation durch die russische Föderation hat sich in Europa aber so dramatisch verändert, dass wir tatsächlich schauen müssen, dass wir so schnell wie möglich Abschreckung darstellen können." Gürpinar plädierte stattdessen: "Wir müssen eine andere Lösung finden." Er schlug Diplomatie sowie schärfere wirtschaftliche Sanktionen vor.
Jungen Menschen diskutieren kontrovers
Auch im Publikum gingen die Meinungen auseinander. Die 22-jährige Ronja Fröhlich engagiert sich im Bündnis "Nein zur Wehrpflicht" und stellte die fehlende Verteidigungsfähigkeit der Nato gegenüber Russland infrage.
Die18-jährige Carolin betonte dagegen, die Verteidigungsfähigkeit sei die Grundlage für andere Themen wie Umweltschutz oder Feminismus: "Wenn wir das mit freiwilligen Kräften nicht stellen können, dann brauchen wir eine Form der Wehrpflicht." Sie selbst möchte nach ihrem Schulabschluss Offizierin bei der Bundeswehr werden.
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