Zwei Haushalte, zwei Städte, zwei gleich große Mülltonnen – und zwei völlig verschiedene Jahresrechnungen. Denn: Je nachdem, wo die Bayern den Müllbeutel rausbringen, kann das ganz schön teuer werden – oder überraschend günstig. Wo zahlen die Bürger am meisten, wo am wenigsten?
BR24 Data hat bei allen 96 Landkreisen und kreisfreien Städten nachgefragt, wie hoch die jährlichen Gebühren sind. Wir sind dabei auf eine Vielzahl unterschiedlicher Kriterien und Konstellationen gestoßen. Die Gebühren zu vergleichen, ist daher nur bis zu einem gewissen Grad möglich.
Wir gehen von einem Musterhaushalt aus: Eine vierköpfige Familie, mit zwei Kindern (5–17 Jahre), die in einem Einfamilienhaus lebt. Sie benötigen eine 120-Liter-Restmülltonne und eine 120-Liter-Biotonne. Beide Tonnen werden im 14-tägigen Rhythmus geleert. Das ist die Konstellation, die man in den meisten bayerischen Landkreisen und kreisfreien Städten wählen kann – und die auch der Bund der Steuerzahler bei seiner jährlichen Analyse für NRW zu Grunde legt.
Interaktive Karte: So viel zahlt die Musterfamilie jährlich für ihren Müll
Klicken Sie auf einen Landkreis oder eine kreisfreie Stadt, um mehr zu erfahren – oder wählen Sie statt einer 120-Liter-Restmülltonne eine 80-Liter-Tonne aus (diese ist allerdings nicht überall erhältlich).
Landkreise Traunstein, Eichstätt und Augsburg am günstigsten
Im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen in Oberbayern zahlt die Musterfamilie für eine 120-Liter-Restmülltonne inklusive Biotonne pro Jahr 522,60 Euro. Damit ist der Landkreis Spitzenreiter, gefolgt vom Nürnberger Land mit 516,36 Euro und dem Landkreis Bayreuth mit 442,80 Euro. Eine Ausnahme bildet die Stadt Kaufbeuren – hier zahlt man zwar noch mehr (542,40 Euro), aber die Tonnen werden, anders als bei unserer Musterfamilie, wöchentlich geleert. Nach unserer Erhebung am günstigsten ist es hier: Im Landkreis Traunstein kostet die 120-Liter-Restmülltonne inklusive Biotonne nur 128,40 Euro im Jahr, im Landkreis Eichstätt 137,64 Euro und im Landkreis Augsburg 144,48 Euro.
Wie komplex der Vergleich ist, zeigt sich in diesen Extremfällen: In Neuburg-Schrobenhausen gibt es nur eine 40-Liter-Biotonne – sie wird allerdings wöchentlich geleert, was zusätzliche Kosten verursacht. In Traunstein und Eichstätt sind ebenfalls kleinere Biotonnen vorgesehen – sie passen also nur bedingt zur Musterfamilie.
Kalkuliert wird grundsätzlich überall nach dem Kommunalabgabengesetz. Der Preis setze sich im Wesentlichen aus der Abfuhr der Tonnen und dem Unterhalt der Wertstoffhöfe zusammen, sagt Mathilde Hagl von den Landkreisbetrieben in Neuburg-Schrobenhausen.
Interessenverband Haus und Grund: "Keine Transparenz"
Auch wenn das Kommunalabgabengesetz Vorgaben beinhaltet, bleibt den Landkreisen und Städten viel Freiheit, wie sie diese entsprechend ihren lokalen Gegebenheiten umsetzen. Einige Landkreise teilen die Zusammensetzung der Kosten öffentlich oder auf Anfrage von BR24 – andere nicht.
Ulrike Kirchhoff, Vorsitzende des Interessenverbands und Vereins Haus und Grund, kritisiert das: "Es ist sehr schwierig, wenn Landkreise keine Transparenz schaffen. Der Bürger muss einfach wissen, wo die Kosten herkommen, die er über seine Gebühren dann auch bezahlen muss."
Der Teufel könnte im Detail stecken: Große Flächenlandkreise können zum Beispiel höhere Kosten für die Anfahrten haben, weil die Wege länger sind. Die Müllverbrennung kann teurer oder günstiger sein, je nach Marktlage und Verhandlungsbasis. So schreibt etwa ein Sprecher des Landkreises Traunstein, wo die Gebühren sehr niedrig sind: "Als Mitglied im Zweckverband Abfallverwertung Südostbayern profitieren wir von günstigen Entsorgungskonditionen durch eigene Müllumladestationen und effiziente Bahntransporte zur Müllverbrennungsanlage."
Anders im Landkreis Bayreuth: Die Abfallwirtschaft des Landkreises verfüge weder über einen eigenen Fuhrpark noch über das zugehörige Ausführungspersonal. Deshalb müssen sämtliche abfallwirtschaftlichen Dienstleistungen nach Durchführung einer öffentlichen Ausschreibung an private Dienstleistungsunternehmen vergeben werden, schreibt eine Sprecherin des Landkreises auf Anfrage.
Aber auch Entscheidungen der Landkreise spielen eine Rolle – ob der Biomüll, wie etwa in Neuburg-Schrobenhausen, wöchentlich geleert wird oder ob man mit teureren Preisen für größere Tonnen bewusst Anreize zum Müllsparen schaffen möchte.
Müllsysteme und Tonnengrößen variieren von Ort zu Ort
In diese Richtung argumentiert Mathilde Hagl von den Landkreisbetrieben in Neuburg-Schrobenhausen. "Bei uns kann ein Vier-Personen-Haushalt eine 40-Liter-Tonne anmelden und zahlt dann nur rund 146 Euro", so Hagl. "Wir setzen damit den Anreiz, dass jemand, der weniger Müll produziert, eine kleinere Menge anmelden kann und dementsprechend auch günstiger wegkommt." Hagl findet das Subsidiaritätsprinzip gut: "Die Bürger haben ja die Möglichkeit, über den Kreistag Einfluss zu nehmen."
Eine Wahl haben die Bürgerinnen und Bürger aber nicht – sie müssen ihren Müll dort entsorgen, wo sie wohnen. Und auch Sparen ist nicht immer so einfach, erklärt etwa Bürgermeisterkandidat Andreas Wenger (SWG) aus Schrobenhausen. Sein jüngster Sohn trägt noch Windeln, die Familie hat daher eine 80-Liter-Restmülltonne. "Ich brauche die große Tonne." Im Landkreis Augsburg, rund 30 Kilometer entfernt, würde er dafür etwa 150 Euro im Jahr weniger zahlen.
Vergleich der Gebühren nicht einfach
Diesen Vergleich mit anderen Landkreisen hält Hagl für schwierig: "Es ist ein sehr komplexes System und hängt unter anderem davon ab, was ich als Mindestvolumen pro Bürger festlege und auch davon, was die kleinste Tonnengröße ist, die ich anbiete." Ähnlich sehen das auch andere Landkreise wie Haßberge, Miesbach, Traunstein und Straubing-Bogen.
Ulrike Kirchhoff vom Interessenverband Haus und Grund findet, dass die Behörden es sich damit zu einfach machen: "Wenn ich Landkreis wäre, würde ich auch sagen, mein Angebot ist ganz anders und man kann die Angebote nicht vergleichen. Aber man kann sie im Grunde vergleichen." Ihre Organisation fordert mehr Transparenz und Zusammenarbeit über ganz Bayern hinweg.
Vollständig einheitliche Gebühren seien nicht möglich, dazu seien die Bedingungen zu unterschiedlich. Aber es könnten beispielsweise effizientere Methoden entdeckt oder Synergien geschaffen werden. "Das sind Wege, die sind unbequem, weil ich auch mein eigenes System infrage stelle", erklärt Kirchhoff. "Aber nur darüber kann ich dahin kommen, dass ich eine günstigere Entsorgung und damit niedrigere Müllgebühren für meine Bürger bekomme."
Dass das geht, zeigen zwei Beispiele: Durch erwirtschaftete Überschüsse aus der letzten Abrechnungsperiode konnten die Gebühren im Landkreis Aichach-Friedberg um rund sechs Prozent gesenkt werden. Auch in der Stadt Bamberg sind die Kosten gesunken, weil zuvor sparsam gewirtschaftet wurde.
Kirchhoff sagt: "Ich kann den Bürgern nur empfehlen, dass sie sich um ihre Abfallgebühren kümmern – dass sie eben auch nachfragen, warum sind bei uns im Landkreis die Abfallgebühren so hoch."
Hinweis, 3.7.2025, 20 Uhr: In einer ersten Version dieses Artikels wurden in den Grafiken Werte von drei Landkreisen und kreisfreien Städten dargestellt, die keinen 14-tägigen Leerungsrhythmus anbieten. Das entspricht nicht unserem Musterhaushalt. Die Zuordnung in der Karte und der Artikeltext wurden entsprechend geändert.
Im Video: Tonnen-Check - Abzocke bei unseren Müllgebühren?
(Symbolbild) Tonnen-Check - Abzocke bei unseren Müllgebühren?
💡 Sophie Menner und Claudia Kohler analysieren für BR24 TV, Radio und hier im Digitalen Daten – mit dem Fokus auf Bayern. Die Recherchen beleuchten datengestützt aktuelle Themen und deren Hintergründe und Zusammenhänge. Eine Kooperation mit der Tageszeitung Main-Post ist preisgekrönt. Haben Sie ein Thema, auf das wir mit der Datenbrille schauen sollen? Schreiben Sie uns: br24.feedback@br.de, Stichwort: Datenthema
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