Kinder in einer Kindertagesstätte (Symbolbild)
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Söders Sprachtest-Pflicht: Weniger statt mehr Deutsch-Förderung?

Söders Sprachtest-Pflicht: Weniger statt mehr Deutsch-Förderung?

Im Kampf gegen mangelnde Deutschkenntnisse von Kindern hat Bayern eine Sprachtest-Pflicht eingeführt. Ab Herbst sind 24.000 Vorschüler erstmals verpflichtet, einen Deutsch-Förderkurs zu besuchen – viel weniger als aktuell freiwillig gefördert werden.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Mit seiner Ankündigung überraschte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Lehrer- und Bildungsverbände wie auch den damaligen Kultusminister gleichermaßen: Wegen zu großer Deutschdefizite bei vielen Kindern mit Migrationshintergrund werde es künftig vor der Einschulung "verpflichtende Sprachtests" geben, sagte Söder im Sommer 2023 nach einer CSU-Vorstandssitzung. Kinder mit mangelnden Sprachkenntnissen müssten ein "verpflichtendes Vorschul-Kita-Jahr" absolvieren.

Der damalige Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) betonte: Es gebe in Bayern bereits mehrere Sprachstand-Feststellungen bei Kindern samt Fördersystem. Die SPD-Fraktion bemängelte, das Problem seien nicht Tests, sondern zu wenig Personal für die Förderung. Die AfD reklamierte Söders Idee im damaligen Landtagswahlkampf für sich – schließlich hatte sie kurz zuvor getrennten Unterricht für Muttersprachler und Nicht-Muttersprachler verlangt.

Im Eiltempo eingeführt

Nach der Landtagswahl bekam die neue Kultusministerin Anna Stolz (FW) den Auftrag, rasch ein Konzept vorzulegen. Trotz Bedenken von Verbänden wurden "verbindliche Sprachstandserhebungen" im Eiltempo eingeführt: Alle Viereinhalb- und Fünfjährigen, denen nicht ein staatlich geförderter Kindergarten ausreichende Deutschkenntnisse bestätigte, mussten im Frühjahr zum Test an eine Grundschule. 23.800 Kinder schafften den Test nicht und sind verpflichtet, ab Herbst einen Kindergarten mit Vorkurs Deutsch zu besuchen. Sonst droht ein Bußgeld.

Für den Vorkurs ist je zur Hälfte der Kindergarten und die Grundschule verantwortlich. Bisher war für die Teilnahme das Einverständnis der Eltern nötig. Einen möglichen Förderbedarf stellten im Kindergarten Erzieherinnen und Erzieher durch systematische Beobachtung und Dokumentation der Sprachentwicklung fest. Derzeit nehmen etwa 39.000 Kinder freiwillig teil. Sollte es im Herbst bei den 24.000 Pflicht-Teilnehmern bleiben, wären es fast 40 Prozent weniger. Führt Söders Sprachtest-Pflicht also nicht zu mehr, sondern zu weniger Förderung?

"Erheblicher Grundrechtseingriff"

Das Kultusministerium betont, dass es auch Vorkursplätze für freiwillige Teilnehmer geben werde. Wie viele Familien davon Gebrauch machen werden, ist aber unklar: Denn Tausende Kinder, bei denen Erzieherinnen Sprachdefizite festgestellt hatten, schafften den Test in der Schule und haben schwarz auf weiß, dass die Kenntnisse ausreichen.

Wie ist die Differenz zwischen aktuell 39.000 und künftig 24.000 zu erklären? Das Ministerium teilt mit, dass die Verpflichtung zum Besuch eines Kindergartens mit integriertem Vorkurs mit einem "erheblichen Eingriff in die Grundrechte von Kindern und Erziehungsberechtigten" einhergehe. Daher müsse eindeutig festgestellt werden, dass eine erfolgreiche Teilnahme am Grundschulunterricht ohne Sprachförderung nicht sicherzustellen ist. Das bedeutet: Für einen Pflicht-Kurs müssen die Defizite größer sein als für die Empfehlung zur Teilnahme.

Gewerkschaft fordert mehr Personal

Nach Einschätzung der Landesvorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Martina Borgendale, wird in den verbindlichen Tests eher vorsichtig gewertet. "Keiner möchte zu Unrecht ein Kind zu einem Vorkurs verpflichten, den es an manchen Orten wegen Personalmangels gar nicht gibt oder der gar einen Wechsel der Kita bedeuten könnte", sagt Borgendale.

Durch Testungen allein könnten sicher keine besseren Startbedingungen für Kinder erreicht werden. "Zum einen muss gewährleistet sein, dass der Vorkurs Deutsch flächendeckend stattfindet." Zum anderen bräuchten Kindergärten mehr Fachpersonal: "Die Kitas sind der Ort, an dem Sprache erworben wird. Nur wenn die gut ausgestattet sind, sinkt der Bedarf an solchen Sonderkursen."

BLLV-Präsidentin: Die Qualität zählt

Kultusministerin Stolz betont: "Nachdem wir nun genau wissen, wer unsere Unterstützung benötigt, können wir die Förderung jetzt auch zielgerichtet angehen." Wie bei jedem neuen Verfahren habe es bei der Einführung der Tests "ein wenig geruckelt". Das Signal aber sei klar: "Wir lassen kein Kind zurück!"

Die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, Simone Fleischmann, bleibt bei ihrer Kritik an der eiligen Einführung der Testpflicht: "Es musste sofort sein!" Die Folge: ein "Riesenaufwand" für die Grundschulen. Wie viele Kinder ab Herbst wirklich einen Vorkurs besuchen, werde sich zeigen. "Jetzt zählt: Welche Qualität hat der Vorkurs? Wie oft fällt er aus?"

Grundsätzlich schätzten Grundschul-Lehrkräfte die Vorkurse sehr, sagt Fleischmann dem BR, doch aktuell seien viele Fragen offen: "Gibt es mehr Vorkurse? Gibt es genügend Personal?" Schon jetzt fehlten Lehrerinnen und Lehrer.

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