Marco Härtl vor seiner Werbeagentur im alten Pfarrhaus in Wernersreuth.
Marco Härtl vor seiner Werbeagentur im alten Pfarrhaus in Wernersreuth.
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Marco Härtl hat in seinem 120-Seelen-Heimatdorf Wernersreuth eine Medienagentur gegründet.
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Marco Härtl hat in seinem 120-Seelen-Heimatdorf Wernersreuth eine Medienagentur gegründet.

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Stadtflucht: Wie ein Gründer das Dorfleben neu erfindet

Stadtflucht: Wie ein Gründer das Dorfleben neu erfindet

Dorf statt City: Dafür entscheiden sich immer mehr junge Menschen. So auch ein junger Oberpfälzer. Er hat in einem alten Pfarrsaal eine moderne Werbeagentur gegründet. Kann das funktionieren? Und was ist der Reiz der Heimat? Eine Spurensuche.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Am Bauwagen in Poxdorf brennt bald das Johannifeuer – ein Fest, das dem kleinen Dorf im Oberpfälzer Landkreis Tirschenreuth jedes Jahr wieder Leben einhaucht. Organisiert wird es von Marco Härtl aus dem Nachbardorf Wernersreuth und seinen Freunden. Marco war einst auf dem Weg in die Großstadt – Studium in Halle, Werbeagentur-Pläne für München. Doch statt Wolkenkratzern zog es ihn zurück in sein Heimatdorf. "Ich hatte immer den Traum, wieder heim nach Wernersreuth zu gehen", erzählt der 38-Jährige.

Werbeagentur auf dem Land – geht das?

Bei einer Bierlaune mit dem Bürgermeister kam er auf die Idee, eine Medienagentur im alten Pfarrhaus zu gründen – direkt neben seinem Elternhaus. Kreative Arbeit zwischen Schweinestall und Bulldog – ohne urbane Infrastruktur oder die Bequemlichkeiten der Großstadt: Viele hielten diesen Schritt für mutig. "Ich hab's schon öfter mal erklären müssen", sagt Marco Härtl. Inzwischen werden die Zweifler aber immer weniger.

Wie Marco Härtl es geschafft hat, eine erfolgreiche Medienagentur am Land zu etablieren, welche Rolle ein Kloster dabei spielt und was das Landleben jungen Menschen zu bieten hat, was es sonst nirgends gibt, das sehen Sie hier im Video:

Marco Härtl, ein junger Mann steht vor einer Collage, die zweigeteilt ist: auf der einen Seite ein Stadt-Skyline, auf der anderen ein Dorf.
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Viele junge Menschen entscheiden sich wie Marco Härtl immer häufiger für das Dorf statt für die Stadt.

Landleben als kreative Lebenswelt

Marcos Idee hatte Strahlkraft: Die Agentur hat mehrere Mitarbeiter und auch zwei junge Azubis. Einer davon ist Jakob Czepa. Angefangen hat er in einem Industrieberuf, wie viele Jugendliche aus der Gegend. Schnell stellte sich aber heraus: Er wollte kreativer arbeiten. "Dafür gibt es nichts Besseres als das Land", sagt Jakob. Hier gebe es genug Freiraum, Ideen lassen sich unkomplizierter umsetzen, und die Natur ist nur einen Steinwurf entfernt. "Hier kann ich fünf Minuten in den Wald gehen und ein Projekt umsetzen."

Er sehe aber schon auch Nachteile: zum Beispiel der fehlende ÖPNV und kurze Anbindungen. Es sei schon entspannt, wenn man nur zwei Minuten in den Supermarkt hat, sagt Jakob. "Aber sonst vermiss ich nix."

Studien bestätigen: Heimat ist mehr als ein Ort

Dass junge Menschen heute häufig an ihre Region gebunden sind, bestätigt das Heimatprojekt der Technischen Hochschule Nürnberg [externer Link]: Besonders junge Männer fühlen sich durch Vereinsleben, Freundeskreise und lokale Kulturverwurzelung zu Hause.

Laut dem Bayerischen Landesamt für Statistik sind in den Jahren 2022 und 2023 allein aus der Landeshauptstadt München jeweils 19.000 Einwohner in andere bayerische Regionen gezogen. Gründe sind zum Beispiel: mehr Möglichkeiten zum Homeoffice und günstigere Mieten.

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Das Johannifeuer am Kultbauwagen in Poxdorf.

Johannifeuer als Symbol für Heimat

Am Abend brennt das Johannifeuer, das ganze Dorf versammelt sich: Bierbänke, Grillduft, Countrymusik. Und ein Feuer, das mehr als Licht spendet – es verbindet, findet Marco Härtl. "Es ist ein scheißgutes Gefühl, dass so viele Menschen zusammenkommen, wegen dem, was du mit deinen Freunden auf die Beine stellst. Das ist Heimat."

Die Rückkehr ins Dorfleben ist also kein Rückschritt, sondern eine bewusste Entscheidung für Gemeinschaft, Freiräume und Kreativität. In Zeiten stagnierender Städte zeigt sich: Heimat kann dort entstehen, wo Menschen Räume schaffen – für sich selbst und für andere.

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