Der Strohberta-Umzug in Trebgast.
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Immer an Heiligabend wird die "Strohberta" durch Trebgast getrieben. (Archivbild)

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"Strohberta": Beinahe ausgestorbener Brauch an Heiligabend

"Strohberta": Beinahe ausgestorbener Brauch an Heiligabend

Im Landkreis Kulmbach pflegt eine Gruppe Junggesellen eine uralte Tradition: Ein ganz in Stroh gehüllter Bär, die "Strohberta", zieht mit neun Begleitern durch Trebgast. Wer ein Stück Stroh aus ihrem Pelz zupft, dem geht das Geld nicht aus.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten Franken am .

Um sechs Uhr am Morgen des 24. Dezember treffen sie sich in einer Garage neben der Trebgaster Grundschule: Zehn unverheiratete Männer bereiten sich auf einen anstrengenden Tag vor. Sie werden verkleidet von früh bis später mit lautem Getöse durch das beschauliche Trebgast im Frankenwald ziehen. So treiben sie das vergangene Jahr – dargestellt von der ganz in Stroh gehüllten "Strohberta" – aus und bringen Glück für das kommende.

Ein beinah ausgestorbener Brauch

Diese Tradition geht auf ein altes Neujahrsspiel zurück, das in Oberfranken einst weit verbreitet war, heute aber nur noch in Trebgast im Landkreis Kulmbach gepflegt wird. "Wir haben viel recherchiert, aber uns ist kein weiterer Ort bekannt, an dem es diesen Umzug noch gibt", erzählt Moritz Weinmann, der 2024 zum wiederholten Mal in die Rolle des "Christkindla" schlüpft. Dafür trägt der 23-Jährige ein weißes Kleid mit goldenen Sternen, eine blonde Perücke. In seinem Korb befindet sich eine Mischung aus trockenen Erbsen, Linsen und Smarties. "Die Erbsen stehen für Fruchtbarkeit, die Linsen für Wohlstand, die Smarties sind für die Farbe", grinst Moritz Weinmann.

Glück, Fruchtbarkeit und Reichtum

Im Mittelpunkt steht die "Strohberta". Der stärkste Kerl im Ort wird vollständig in Seile aus Erbsenstroh gewickelt. Diese schwerfällig tapsende Figur verkörpert das alte Jahr, das vom Bärentreiber an Ketten aus dem Dorf getrieben wird. Die Strohberta hat die schwierigste Aufgabe von allen: Das Stroh wiegt um die 20 Kilogramm, darin eingeschnürt kann es ganz schön warm werden. Die "Strohberta" wird von zwei "Sackträgern", die die Erbsen tragen – anfangs sind es 55 Kilogramm – zwei Polizisten, dem "Steuereintreiber", "Männla und Fraala" und dem "Schlotfeger", der mit schwarzem Ruß Glück bringt, begleitet.

Der Brauch geht auf die Zeit zurück, als Weihnachten und der Jahreswechsel noch gemeinsam gefeiert wurden. Während der Kriegsjahre geriet die Tradition fast in Vergessenheit, wird jedoch seit 1945 in Trebgast wieder lebendig gehalten. "Nur 2020 konnten wir wegen der Corona-Pandemie nicht losziehen", sagt Moritz Weinmann. "In dem Jahr hat uns allen etwas gefehlt."

Spenden für die Jugend

An Heiligabend geht die wilde Horde von Haus zu Haus - das könne schon mal von früh um zehn Uhr bis nachts um halb eins dauern, meint das "Christkindla". Das laut gerufene "Struuuuhberdaaaa" kündigt die Gruppe an. Die Dorfgemeinschaft freut sich auf die zehn Junggesellen, viele warten mit den Nachbarn vor den Häusern und haben Getränke und eine Stärkung vorbereitet. Das Christkindla verteilt dann die Erbsen an alle Bewohnerinnen und Bewohner. Jeder darf sich ein Stück Stroh aus dem Pelz der Strohberta zupfen – das soll dafür sorgen, dass das Geld im nächsten Jahr nicht ausgeht. Auch Spenden sammeln die jungen Männer ein.

Wer heiratet, ist raus

Selbst mit ihren Familien einen besinnlichen Heiligabend zu verbringen, ist den zehn Junggesellen nicht möglich. Doch darauf verzichten sie gerne, betont Moritz Weinmann: "Wir holen das an den Weihnachtsfeiertagen nach." Es sei eine große Ehre für jeden, beim Umzug mitzumachen. Bisher gebe es auch genügend Nachwuchs, sollte mal einer von der Gruppe ausfallen, zum Beispiel, weil er geheiratet hat. Alle, die einmal die Strohberta verkörpert haben, werden in einer in Holz gebundenen Chronik verewigt.

Der geschockte Neubürger

Unvergessen bleibt dem ehemaligen Bürgermeister Siegfried Küspert die Geschichte vom Neubürger, der die Tradition nicht kannte. "Bei ihm stand um 22 Uhr der Schlotfeger ganz in Schwarz, mit verrußtem Gesicht vor der Tür und wollte frohe Weihnachten wünschen." Der Zugezogene habe allerdings einen riesigen Schrecken bekommen und nach einer Pistole gegriffen – benutzt hat er sie glücklicherweise nicht. Ein anderer berichtet von einer alten Frau, zu der er sich die steile Treppe hoch in ihr Zimmer gekämpft hatte. "Sie hat sich mit leuchtenden Augen ein Stück Stroh rausgezupft. Das werde ich nie vergessen."

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