Polizeifahrzeuge am Weihnachtsmarkt in Magdeburg
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Attacke auf Weihnachtsmarkt in Magdeburg – Was wir wissen

Attacke auf Weihnachtsmarkt in Magdeburg – Was wir wissen

Auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist ein Auto in die Menschenmenge gefahren. Fünf Menschen wurden getötet, darunter ein Kind. Zum Motiv des Attentäters gibt es erste Hinweise. Inzwischen wurde Haftbefehl gegen ihn erlassen. Was wir bisher wissen.

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Auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg sind am Freitag mindestens fünf Menschen getötet worden, viele weitere wurden verletzt. Ein Fahrzeug war in die Menschenmenge gefahren. Was bisher bekannt ist.

Was ist passiert?

Am frühen Freitagabend ist ein Auto auf einem Weihnachtsmarkt in Magdeburg in eine Menschengruppe gerast. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft vom Samstag wurden fünf Menschen bei dem Anschlag getötet - vier Erwachsene und ein neun Jahre altes Kind. Bis zu 235 Menschen wurden verletzt, etwa 40 von ihnen schwer. Bei dem getöteten Kind handelt es sich um einen Jungen, der aus Floß in der Oberpfalz stammte und mit seiner Mutter vor wenigen Monaten weggezogen war, wie der Gemeindepfarrer dem BR bestätigte. Die weiteren Getöteten sind Frauen im Alter von 52, 45, 67 und 75 Jahren.

Das Auto war rund 400 Meter über das Gelände gerast, wie der MDR unter Berufung auf Polizeiangaben berichtete. Der mutmaßliche Täter soll über den Flucht- und Rettungsweg auf den zentralen Platz gelangt sein. Er war nicht durch Sperren oder Poller geschützt. Die Fahrt habe rund drei Minuten bis zur Festnahme gedauert, sagte Tom-Oliver Langhans, Direktor der Polizeiinspektion Magdeburg.

Nach Angaben der Stadt sind die Opfer in 15 Kliniken gebracht worden, unter anderem auch nach Brandenburg.

Wie erfolgte die Festnahme? Gibt es Mittäter?

Auf Videoaufnahmen ist zu sehen, wie ein Polizist mit vorgehaltener Waffe ruft: "Leg dich hin, die Hände auf den Rücken". Einen kurzen Moment später kommen weitere Einsatzkräfte hinzu und umstellen den am Boden liegenden Verdächtigen. Nach Informationen der "Bild" ergab ein erster Test, dass der mutmaßliche Attentäter zum Zeitpunkt der Tat unter Drogen stand. Offiziell bestätigt wurde das bisher nicht. 

Die Polizei hat keine Hinweise auf Mittäter. Nach derzeitigem Ermittlungsstand könne ein zweiter Täter ausgeschlossen werden, sagte ein Polizeisprecher am Samstag in Magdeburg. Hinweise, nach denen ein zweites, möglicherweise tatrelevantes Auto in der Innenstadt gesichtet wurde, hatten sich nicht bestätigt. Im Fahrzeug des mutmaßlichen Täters sei kein Sprengsatz gefunden worden, berichtet der MDR unter Berufung auf die Polizei.

Der Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist für beendet erklärt worden. "Wir sind in tiefer Trauer und mit unseren Herzen und Gedanken bei den Opfern, Angehörigen und Helfern", erklärten die Veranstalter am Samstag. Nach Angaben eines Stadtsprechers sollte der Weihnachtsmarkt ursprünglich bis zum 29. Dezember geöffnet bleiben.

Wer ist der mutmaßliche Attentäter?

Der Tatverdächtige Taleb A. soll nach Angaben von Landesinnenministerin Tamara Zieschang ein 50 Jahre alter Arzt aus Bernburg sein, der aus Saudi-Arabien stammt und seit 2006 in Deutschland lebt. Er arbeitet hier und hat einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Im Juli 2016 wurde er Berichten zufolge als Flüchtling anerkannt.

Er war offenbar jahrelang als Aktivist unterwegs, so der "Spiegel" auf seiner Internetseite [externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt]. Er habe demnach vor allem Frauen aus Saudi-Arabien über Fluchtmöglichkeiten aus ihrem Land beraten und eine Internetseite mit Informationen zum deutschen Asylsystem betrieben. Inzwischen scheint er in seinem Aktivismus jedoch abgedriftet zu sein. Auf seinem Account bei X sympathisierte er offen mit der AfD und träumte von einem gemeinsamen Projekt mit der in weiten Teilen rechtsextremen Partei: einer Akademie für Ex-Muslime. "Wer sonst bekämpft den Islam in Deutschland?", fragte er.

Welches Motiv steckt hinter der Tat?

Die Staatsanwaltschaft gab am Samstag erste Hinweise auf ein mögliches Motiv: "Unzufriedenheit mit dem Umgang mit saudi-arabischen Flüchtlingen" könne der Auslöser der Tat gewesen sein, sagte der verantwortliche Oberstaatsanwalt Horst Nopens. Der Mann wurde vernommen. Das Amtsgericht habe inzwischen wegen Mordes sowie mehrfachen versuchten Mordes Haftbefehl gegen den 50-Jährigen erlassen, erklärte die Polizei Magdeburg am Sonntag. Der Mann war am Samstagabend dem Haftrichter vorgeführt worden.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser geht davon aus, dass der mutmaßliche Täter von Magdeburg islamfeindlich eingestellt war. "Wir können nur gesichert sagen, dass der Täter offensichtlich islamophob war", sagte die SPD-Politikerin in Magdeburg. Alles Weitere sei Gegenstand der Ermittlungen. Was es an Warnungen im Vorfeld gegeben habe oder nicht, obliege den Ermittlungsbehörden, betonte Faeser.

Saudi-Arabien hatte Deutschland vor Taleb A. gewarnt, hieß es aus saudischen Sicherheitskreisen. Das Königreich habe seine Auslieferung beantragt, darauf habe Deutschland nicht reagiert.

Der Direktor der Polizei Magdeburg, Langhans, sagte, die Polizei habe bereits früher eine Strafanzeige gegen A. erhalten. Diese liege aber ein Jahr zurück. Damals sei vorgesehen gewesen, eine Gefährderansprache bei A. durchzuführen. Dies sei aber nach den bisherigen Erkenntnissen nicht erfolgt.

Der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Pascal Kober, rechnet mit mehreren hundert Menschen, die nach dem Vorfall möglicherweise Hilfe benötigen. Es handele sich um "einen der größten Anschläge, die wir bisher zu verzeichnen hatten", sagte Kober dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" "Wenn man Tatzeugen und Ersthelfer mitrechnet, potenziert sich das auf eine hohe dreistellige Zahl betroffener Menschen."

Im Video: Polizei plante Gefährderansprache

Tom-Oliver Langhans
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Tom-Oliver Langhans

Übernimmt der Generalbundesanwalt die Ermittlungen?

Die Staatsanwaltschaft Magdeburg ermittelt gegen den mutmaßlichen Täter vom Weihnachtsmarkt bislang wegen fünffachen Mordes. Wie der Leitende Oberstaatsanwalt Horst Walter Nopens sagte, lautet der Tatvorwurf darüber hinaus versuchter Mord in 200 Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.

Laut Ministerpräsident Reiner Haseloff gibt es Signale, dass der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernehmen wolle. Es bestehe womöglich ein Zusammenhang mit dem achten Jahrestag des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016.

Der Sicherheitsexperte Peter R. Neumann sagte tagesschau.de, dass der Anschlag allenfalls von der Methode an den Breitscheidplatz erinnere. Von der Motivation des Attentäters sehe er eher Parallelen zum OEZ-Attentat 2016 in München. "Da hatten wir ebenfalls einen Attentäter mit Migrationshintergrund, der sehr, sehr rechte Thesen vertreten hat und der im Prinzip einen rechtsextremen Anschlag verübt hat, obwohl er selbst gar nicht zu dieser Gruppe gepasst hätte."

Werden die Sicherheitsvorkehrungen in Bayern verschärft?

Die bayerische Polizei verstärkt nach den Ereignissen von Magdeburg nochmals die Sicherheitsvorkehrungen auf den Weihnachts- und Adventsmärkten im Freistaat. "Aufsetzend auf die bereits jetzt schon bestehenden Sicherheitskonzepte verstärken wir nochmals den Schutz der Weihnachtsmärkte und erhöhen lageangepasst die Polizeipräsenz", sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Allerdings lägen trotz des Anschlags in Magdeburg derzeit keine Hinweise auf konkrete Gefährdungen bayerischer Weihnachtsmärkte vor.

Im Audio: Einer der Toten ist ein Neunjähriger aus Bayern

drei bewaffnete Polizisten stehen in Magdeburg vor der Weihnachtspyramide. Einer der Toten nach der Attacke auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist ein neunjähriger Bub aus Bayern.
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Einer der Toten nach der Attacke auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist ein neunjähriger Bub aus Bayern.

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