Todeszone Landstraße - Was tun die Behörden?
Bildrechte: Collage BR / Thaisa Osmani und Feuerwehr Geisenhausen
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Ein Polizist steht an einer gefährlichen Landstraße nahe Landshut. Unfallfoto von der Feuerwehr Geisenhausen vom 27.08.2023 / Bundestraße 299.

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Todeszone Landstraße: Tut der Staat genug?

Todeszone Landstraße: Tut der Staat genug?

389.000 Unfälle im Jahr 2023 bei steigendem Verkehrsaufkommen: Auf Bayerns Straßen kracht es. Besonders dort, wo nicht ausgebaut ist und Schutzmaßnahmen fehlen. "Kontrovers – Die Story" über eine makabre Regelung, die schlimmstenfalls Tote fordert.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

"Muss erst einer tot sein?" Christine Heuser ist – wie auch viele andere Bürgerinnen und Bürger in Wernfeld, Unterfranken – mit ihrem Latein am Ende. Seit Jahren fordern die Menschen auf einem schwer einsehbaren Streckenabschnitt der B26 an der südlichen Ausfahrt von Wernfeld Tempo 70. Dort sind von rechts kommende Pkw, für die bisher regulär Tempo 100 gilt, erst spät zu sehen. Einige Beinahe-Unfälle habe es an der Stelle schon gegeben, im Jahr 2015 kollidiert ein Rollerfahrer mit einem Auto. Nachbarortschaften mit vergleichbaren Auffahrten verfügen bereits über Geschwindigkeitsbegrenzungen. Nur Wernfeld wird Tempo 70 nach wie vor verweigert. Warum?

"Muss erst einer tot sein?"

Damit Maßnahmen zur Verkehrssicherheit umgesetzt werden, muss ein bestimmtes Kriterium erfüllt sein: die sogenannte "Unfallhäufung". Das meint eine bestimmte Anzahl von Unfällen, Schwerverletzten oder Toten – gemessen in einem Zeitraum von drei Jahren. Die genaue Anzahl variiert je nach Straßenart.

Erst wenn sich Unfälle in einem bestimmten Straßenbereich häufen, wird eine Unfallkommission aktiv. Und diese wiederum entscheidet über geeignete verkehrsrechtliche Anordnungen, zu denen auch Sicherheitsmaßnahmen wie Schilder, Ampeln oder etwa Kreisverkehre gehören.

Ohne Unfallhäufung kein Schild

Für die Bürgerinnen und Bürger von Wernfeld bedeutet das: Es wird vorerst auch weiterhin kein Tempo 70-Schild aufgestellt werden – so makaber die Begründung auch klingen mag. Es lässt sich nach amtlichen Maßstäben keine Unfallhäufung feststellen. Der zuständigen Unfallkommission sind die Hände gebunden. Bisher ist zu wenig passiert. Und die Kollision des Rollers, bei der 2015 ein 72-Jähriger verletzt wurde, fließt schon nicht mehr in die Statistik mit ein. Der Unfall ist bereits mehr als drei Jahre her.

Auf Nachfrage von Kontrovers äußert sich auch die Bayerische Staatsregierung auf Grundlage der Straßenverkehrsordnung (StVO) in einer schriftlichen Erklärung:

"Beschränkungen oder Verbote des fließenden Verkehrs, zu denen auch Geschwindigkeitsbeschränkungen gehören, dürfen nach der bundeseinheitlichen StVO nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine erhebliche Gefahrenlage besteht. An der südlichen Ausfahrt von Wernfeld auf die B26 lässt sich hingegen kein relevantes Unfallgeschehen feststellen".

Im Video: Gefährliche Unfall-Hotspots auf Landstraßen: Was tun die Behörden?

Wachsendes Verkehrsaufkommen und steigende Unfallzahlen

In den vergangenen Jahren haben die Unfälle auf Bayerns Straßen wieder zugenommen – trotz vermehrtem Homeoffice nach der Corona-Pandemie. Im Jahr 2023 waren es laut Bayerischem Innenministerium 389.000 Verkehrsunfälle. Auch das Verkehrsaufkommen wächst weiter: 1,5 Millionen zusätzliche Kraftfahrzeuge wurden seit 2014 in Bayern gezählt. Das macht insgesamt 10,7 Millionen Fahrzeuge für das Jahr 2023.

Hat sich die Praxis bei der Anordnung von Maßnahmen zur Verkehrssicherheit dementsprechend angepasst? So ist etwa bekannt, dass auf ausgebauten Straßen wesentlich weniger Unfälle passieren. In Bayern verunglückten im Jahr 2023 auf Landstraßen 312 Personen tödlich, auf ausgebauten Autobahnen dagegen trotz der viel höheren Geschwindigkeiten 52. Selbst innerorts gab es mit 126 deutlich mehr Unfalltote. Also einfach großzügig ausbauen? Dagegen formiert sich vor Ort oft Widerstand wegen der Belastung. Und: Jede Maßnahme für mehr Schutz auf der Straße kostet Geld.

Verkehrsunfall als Kostenfaktor

In die Abwägung für Sicherheitsmaßnahmen im Verkehrsbereich fließen nicht nur die Kosten der Umsetzung ein, sondern auch welche Kosten durch eine Unfallhäufung entstehen. "Ein Personenschadensunfall kostet 100.000 Euro", sagt Volker Spahn, von der Landesbaudirektion Bayern: "Einer mit schwerem Personenschaden, da liegen wir ungefähr bei 260.000 oder 270.000 Euro."

Die Summen kommen dabei nicht nur durch den entstandenen materiellen Schaden zustande, sondern setzen sich aus weiteren Faktoren wie Krankenhauskosten und Arbeitsausfall zusammen – der Schaden, den die Unfälle also für die Volkswirtschaft haben. Je höher der ausfällt, desto eher kann der Aufwand einer Sicherheitsmaßnahme gerechtfertigt werden.

Liegt eine Unfallhäufung vor, analysiert die Unfallkommission die bisherigen Unfälle und örtlichen Gegebenheiten und fällt so die Wahl für die jeweilige Maßnahme.

Trägt das bisherige Verfahren der zunehmenden Verkehrsdichte Rechnung? "Kontrovers – Die Story" ist auf gefährlichen Straßen in Bayern unterwegs: Wie gehen Polizei und Ersthelfer mit unfallträchtigen Stellen um und wie kann man Unfallschwerpunkte erfolgreich entschärfen?

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