Die Autobahnbrücke über die A7 bei Schraudenbach in Unterfranken ist schon längst fertig. Doch das Unglück, das im Juni 2016 dort geschah, beschäftigt noch heute die Menschen – und vor allem die Justiz. Ein 53-jähriger Statiker muss sich jetzt am Landgericht Schweinfurt wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verantworten.
Sein Verfahren war 2023 im Prozess gegen insgesamt vier Angeklagte abgetrennt worden, als seine Verteidigerin wegen Schwangerschaft ausfiel. Für das Verfahren sind insgesamt vier Verhandlungstage angesetzt.
Statiker erneut vor Gericht
Das Verfahren startet für den Statiker damit komplett neu. In ihrer ursprünglichen Anklageschrift bei Prozessstart Anfang 2023 hatte die Staatsanwaltschaft dem Statiker vorgeworfen, dass er das eingestürzte Traggerüst viel zu schwach berechnet hat.
Ein Gutachter hatte damals attestiert, dass das Traggerüst für den Betoniervorgang des geplanten neuen Brückenabschnitts nur ein Drittel der Traglast gehalten hatte. Bei einer erwarteten Traglast von 1.500 Tonnen Beton wäre jedoch ein Tragvermögen von 3.000 Tonnen, also der doppelten Menge nötig gewesen. Die Staatsanwaltschaft war der Ansicht, dass der Statiker keinerlei Stabilitätsnachweise geführt hat.
Keine Prüfungen der Statik?
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hätten die fatalen Fehler bei der statischen Berechnung den drei angeklagten Prüfingenieuren auffallen müssen. Das ist aber laut Staatsanwaltschaft durch eine komplett fehlende Prüfung nicht geschehen. Die Pflichten zur Prüfung seien vernachlässigt worden, sagte die Staatsanwaltschaft bei ihren Plädoyers im Mai 2023 gegen die anderen drei Angeklagten. Dem Statiker hätte selbst auffallen müssen, dass seine Konstruktion nicht hält, er habe mangelhaft gehandelt.
Gutachter: Traggerüst eingestürzt, weil falsch berechnet
Der österreichische Gutachte, Professor Johann Kollegger von der Uni Wien, sagte im ersten Prozess, dass aus seiner Sicht "die Tragfähigkeit des auf dem Ausfertigungsplan dargestellten Traggerüsts zu klein" war. Das Gerüst hätte das Doppelte der Tragfähigkeit aufnehmen müssen.
Aus seiner Sicht ist es eingestürzt, weil einzelne sogenannte Diagonal- und Horizontalstreben nicht eingebaut worden waren. Der Gutachter attestierte, dass das mögliche "globale Stabilitätsversagen" an drei Stützen von den Prüfingenieuren nicht berechnet worden war "Das Traggerüst ist eingestürzt, weil es nicht richtig berechnet wurde und weil die Prüfungen nicht angeschaut wurden", sagte Kollegger damals.
Vorboten des Unglücks nicht beachtet – keine Überwachung
Fotos hatten im Nachhinein gezeigt, dass es 13 Minuten vor der Katastrophe Verformungen bei vertikalen Streben des Traggerüsts in etwa sieben Metern Höhe gegeben hatte. Auf einer Länge von 42 Metern mit bereits rund 1.500 Tonnen ausgebrachten Tonnen Beton sollte ein neues Brückensegment gegossen werden. Es gab laut dem Gutachter jedoch keinen Hinweis darauf, ob das Traggerüst während des Betoniervorgangs dauerhaft überprüft und mit Messungen auf mögliche Verformungen überwacht wurde.
Überlebende Bauarbeiter bis heute zum Teil schwer traumatisiert
Das Unglück geschah am 15. Juni 2016: Nachdem 1.500 Tonnen Beton auf einem Bauabschnitt eingefüllt, verteilt, verdichtet und geglättet waren, brach das Gerüst um 15.52 Uhr zusammen. Die 14 Bauarbeiter stürzten bis zu 22 Meter in die Tiefe. Dabei kam ein Vater zweier Kinder ums Leben.
Beim ersten Prozess sagten einzelne Bauarbeiter aus. Sie erzählten vor Gericht, dass sie zum Teil bis heute dauerhaft schwere Schmerzen hätten und vielfach wegen körperlicher und auch psychischen Problemen nicht mehr arbeitsfähig seien.
Erste Urteile vor zwei Jahren
Anfang Mai 2023 hatte das Landgericht Schweinfurt wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung einen damals 49 und einen 59 Jahre alten Ingenieur zu Bewährungsstrafen von neun Monaten, beziehungsweise einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Der dritte, damals 65-jährige Angeklagte wurde freigesprochen.
Die beiden verurteilten Prüfingenieure hatten vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe gegen ihre Urteile Revision eingelegt. Das Urteil gegen den älteren ist bereits rechtskräftig, das Verfahren gegen den jüngeren wurde an das Landgericht Schweinfurt zurückverwiesen und muss hier möglicherweise komplett neu verhandelt werden.
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