Diego Schulze fotografiert gerne Züge, die er später in den Sozialen Netzwerken hochlädt. Er ist an einem Bahnübergang in der Nähe von Ebersberg unterwegs. Im Hintergrund: Wald und Wiesen. Vorne: der ungesicherte Bahnübergang, an den Seiten Andreaskreuze. Auch wenn dieser Übergang nur für landwirtschaftlichen Verkehr frei ist, findet er ihn generell gefährlich: "Das Problem ist, dass solche Übergänge ohne Schranken von Autofahrern meistens nicht sehr ernst genommen werden."
Bayern zählt die meisten Unfälle und Bahnübergänge
Ein Stück weiter Richtung Wasserburg finden sich weitere Bahnübergänge ohne Schranken. Edonisa Murati und ihr Team schneiden dort die Vegetation an den Gleisen zurück. Aus ihrer Sicht reichen Ton- und Lichtsignale nicht aus: "Ich finde, solche Bahnübergänge sind ein Sicherheitsrisiko. Die Autofahrer hören das Hupen der Bahn nicht, wenn sie die Fenster geschlossen haben."
Laut der Deutschen Bahn ist Bayern bundesweit trauriger Spitzenreiter bei Unfällen an Bahnübergängen. 46 Unfälle hat es 2023 im Freistaat gegeben. Aktuellere Zahlen gibt es nicht. Aber zur ganzen Wahrheit gehört auch: In Bayern gibt es im deutschlandweiten Vergleich auch mit Abstand die meisten Bahnübergänge: rund 3.000. Die Hälfte davon ist unbeschrankt.
Bundesgesetz will Bahnübergänge durch Brücken und Tunnel ersetzen
Gerade an solchen unbeschrankten Bahnübergängen passieren immer wieder Unfälle. Schranken könnten viele Unfälle verhindern, aber oft scheitert ihr Bau an Hindernissen wie Naturschutz oder Einsprüchen von Anwohnern. Eine generelle Vorschrift zum Bau von Schranken gibt es nicht. Ein Bundesgesetz – das "Eisenbahnkreuzungsgesetz" – will schon seit langem die Gefahr von Bahnübergängen eindämmen und diese durch Brücken und Tunnel ersetzen.
Die Bahn baut Bahnübergänge zurück
Bahnübergänge sind eine Gemeinschaftsaufgabe von Bahn, Bund und Eigentümern der Straße, da sie Schiene und Straße gleichermaßen betreffen, teilt die Deutsche Bahn auf BR24-Anfrage mit. Viele von ihnen sind bereits zurückgebaut worden. Seit 1950 konnte die Anzahl der Kreuzungen in ganz Deutschland von Schiene und Straße mehr als halbiert werden. 2023 waren es noch 15.820 Anlagen. Dies ist die niedrigste Zahl in der Geschichte der Deutschen Bahn. "Mit Bund und Eigentümern der Straße arbeiten wir an der weiteren Reduzierung der Bahnübergänge", sagte eine Sprecherin der Bahn.
Dies helfe, die Zahl der Unfälle zu verringern, so die Bahn. 2023 gab es bundesweit 154 Unfälle an den Bahnübergängen der DB. 1995 waren es noch 603 Kollisionen. Die Zahl der Unfälle ist somit um fast drei Viertel gesunken.
Ursachen für Unfälle an Bahnübergängen: Unaufmerksamkeit, Leichtsinn oder Unkenntnis
Eine Statistik der Deutschen Bahn zeigt: Die meisten Unfälle an Bahnübergängen passieren mit Autos (94 Prozent), gefolgt von Fußgängern (15 Prozent), Fahrradfahrern (14 Prozent) und Lkw (13 Prozent). Danach kommen Traktoren oder andere landwirtschaftliche Maschinen (8 Prozent), Motorräder (6 Prozent), Busse und Straßenbahnen (2 Prozent) sowie andere Verkehrsteilnehmer wie geführte Tierherden (2 Prozent).
Die Ursachen für Bahnübergangsunfälle sind unterschiedlich. Aus den Erfahrungen der letzten Jahre zeichnet sich jedoch ab, so die Deutsche Bahn, dass über 95 Prozent der Kollisionen aufgrund von Unaufmerksamkeit, Leichtsinn oder Unkenntnis passieren. Deswegen klärt die Bahn seit Jahren über die geltenden Verkehrsregeln am Bahnübergang auf.
Bei dem Unfall vor zwei Tagen in Pocking in Niederbayern waren ein Lkw und ein Regionalzug zusammengestoßen. Zehn Menschen wurden verletzt. Ersten Ermittlungen zufolge übersah der Lkw-Fahrer den Zug an dem unbeschrankten Bahnübergang. Warum, ist noch unklar.
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