Als die schwarz-gelbe Bundesregierung im Sommer 2011 die Wehrpflicht ausgesetzt hatte, war ein Angriffskrieg auf europäischem Boden für die allermeisten Beobachter nicht vorstellbar. Nur drei Jahre später griff Russland die Ostukraine an, im Februar 2022 weitete sich der Krieg auf die gesamte Ukraine aus.
Ehemaliger Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg: Debatte um Wehrpflicht heute "vollkommen richtig“
Für die Aussetzung der Wehrpflicht war damals Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) verantwortlich. Fast zehn Jahre hatte er nach seinem Rückzug aus der Politik in den USA gelebt, nun arbeitet er als Berater und äußert sich wieder häufiger zum politischen Geschehen. Am Sonntags-Stammtisch im BR Fernsehen ging zu Guttenberg auf die aktuelle Diskussion um ein neues Wehrpflicht-Modell für die Bundeswehr ein: "Ich finde es vollkommen richtig, dass man heute die Debatte führt, eine Wehrpflicht oder ein äquivalentes Modell wieder einzuführen. Nur muss man sich dabei auch ehrlich machen: Es ist den heutigen Zeiten geschuldet."
Im Video: Sonntags-Stammtisch vom 27.10.2024
Ex-Minister zu Guttenberg: Wehrpflicht war damals "vollkommen verkrüppelt"
Damals seien es andere Zeiten gewesen, die Zustimmung für die Aussetzung habe über Parteigrenzen hinweg bestanden. "Plus, wir hatten in diesem Land zum Zeitpunkt meiner Entscheidung die Wehrpflicht vollkommen verkrüppelt." Während eines Grundwehrdiensts von nur noch sechs Monaten habe man nicht mehr kämpfen lernen können. Außerdem habe es keine Wehrgerechtigkeit mehr gegeben, weil nur noch 16 Prozent der Männer eingezogen wurden. "Dieses Modell wäre vom Bundesverfassungsgericht gekippt worden", so der frühere Bundesverteidigungsminister am Sonntags-Stammtisch. Dort war er zum ersten Mal zu Gast.
Zu Guttenberg fordert Öffnung der Schuldenbremse
Um die Bundeswehr zu modernisieren, müsse die aktuelle Bundesregierung weiterhin Geld in die Hand nehmen. Konkret sagte zu Guttenberg: "Da reichen die Hundert Milliarden nicht. Da brauchen wir noch mal so viel." In diesem Zusammenhang kam er auch auf die Debatte um die Schuldenbremse zu sprechen. Die Union dürfe sich dabei nicht zum verlängerten Arm der FDP machen. Es müsse eine Öffnung der Schuldenbremse gehen, forderte zu Guttenberg: "Es wird gar nicht anders gehen. Ansonsten sind wir dauerhaft dort, wo uns die OECD mit unserer Wettbewerbsfähigkeit sieht. Nämlich ganz, ganz unten."
Kolumnist Hacke zur Ampel: "In einer schwierigen Situation angetreten"
Ebenfalls am Stammtisch zu Gast war der Schriftsteller und Kolumnist Axel Hacke. Ein weiteres Diskussionsthema war die fehlende Einigkeit der Ampel-Regierung. Dazu sagte Hacke: "Sie sind in einer schwierigen Situation angetreten, wo sie sich plötzlich Themen widmen mussten, wovon vorher keiner Ahnung hatte." Als Beispiel nannte er die Entscheidung früherer Bundesregierungen für die Nord-Stream-Pipeline nach Russland. Es sei zu einfach, immer nur auf diese Regierung einzuschlagen, die ja sehr vieles auch in Angriff genommen habe, was liegen geblieben sei, so Hacke.
Im Video: Hacke nimmt Ampel-Koalition in Schutz
Zu Guttenberg rechnet mit 3-Prozent-Verteidigungsausgaben nach US-Wahl
Mit Blick auf die US-Präsidentschaftswahl am 5. November kam zu Guttenberg auch auf die Nato-Vorgaben zu sprechen, gemessen am Bruttoinlandsprodukt zwei Prozent des Bundeshaushalts für die Verteidigung auszugeben. "Egal, ob Harris oder Trump jetzt gewählt wird nächste Woche, sie werden auf drei Prozent gehen. Darauf müssen wir uns einstellen." Mitnichten habe man die Mittel dafür, sagte zu Guttenberg.
Auch auf eine Neuordnung der Weltpolitik sei man nicht vorbereitet, die sich im Falle einer Wiederwahl Trumps zum US-Präsidenten für Deutschland und Europa ergeben werde, kritisierte zu Guttenberg.
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