Die Villa Focardo, unweit von Florenz. Vor mehr als 80 Jahren wurden hier drei Frauen von deutschen Wehrmachts-Soldaten ermordet. Sie sind Verwandte des Physik-Nobelpreisträgers Albert Einstein. "Das war Hass. Hass auf die Familie. Und weil er Jude war", davon ist Zeitzeuge Franco Giorgetti überzeugt. Er war 13 Jahre alt, als die Morde geschahen. Einen Tag später betrat er die Villa. "Ich ging hinein und trat auf Glas, weil sie alles zerschlagen hatten. […] Dann bemerkte ich auf dem Boden einen großen schwarzen Blutfleck und darin Cicis blondes Haar."
"Näher dran als je zuvor"
Jahrzehntelang fahnden Ermittler nach den Mördern, suchen Zeugen. Es gibt vor einigen Jahren ein Verfahren in Bayern. Es wird eingestellt, weil der Beschuldigte nicht mehr verhandlungsfähig ist. Bis heute wurde niemand für die Taten verurteilt, die Täter nicht identifiziert.
Der britische Journalist Thomas Harding beschäftigt sich seit Jahren mit diesem Verbrechen. Er hat ein Buch darüber geschrieben. Seine jüdische Familie stammt aus Berlin, sein Urgroßvater war der Arzt von Albert Einstein. "80 Jahre lang haben die Deutschen, die Italiener und die Amerikaner versucht, die Antwort zu finden, wer die Mörder waren. Und wir sind jetzt näher dran als zuvor", erklärt er am damaligen Tatort gegenüber dem BR-Politikmagazin Kontrovers.
Albert flieht in die USA - Robert lebt in Italien
Albert Einstein hatte jahrelang in München in der Adlzreiterstraße gelebt. Er ist dort zusammen mit seinem Cousin Robert aufgewachsen. Die beiden waren wie Brüder. Doch während der Ausnahme-Physiker Albert 1933 in die USA flieht und dort Geld für den Krieg gegen Hitler-Deutschland sammelt, lebt Robert jahrelang unbehelligt mit seiner Frau Nina, den beiden Töchtern sowie zwei Adoptivtöchtern in Italien.
Racheakt an Frau und Töchtern
Im Sommer 1944 rücken die Alliierten in Italien Richtung Norden vor. Die Frontlinie verläuft nur wenige Kilometer entfernt von der Villa Focardo, dem Haus, in dem Robert Einstein mit seiner Familie wohnt. Er ist Jude, seine Frau und die Kinder sind Christen. Deshalb glaubt er, dass den Frauen keine Gefahr droht und versteckt sich allein in den umliegenden Wäldern – in der Hoffnung, dass der Krieg bald zu Ende ist.
Doch am 3. August 1944 zerschlagen deutsche Soldaten die Tür, dringen in das Haus ein und wollen von Roberts Ehefrau Nina wissen, wo er sich befindet. Nina und die beiden Töchter, Luce und Cici Einstein, werden in der Villa erschossen. Noch heute zeugen die Einschusslöcher im Kamin von dem Verbrechen.
Führen Filmaufnahmen zu den Tätern?
Jetzt hat Thomas Harding bisher unbekannte Filmaufnahmen im Imperial War Museum in London entdeckt. "Dieses Filmmaterial könnte der erste Beweis für diese schreckliche Gräueltat sein", sagt er Kontrovers. Er ist überzeugt: Der Mord war eine "Vendetta", ein Racheakt der Nationalsozialisten an der Familie von Albert Einstein.
Die historischen Aufnahmen zeigen deutsche Soldaten, die unweit der Villa im Kloster Incontro als Kriegsgefangene verhaftet wurden. Sind darauf die Täter zu sehen? Thomas Harding will nach weiteren Indizien suchen. Robert Einstein hat die Gräueltaten zwar überlebt. Doch im Juli 1945, weniger als ein Jahr nach der Ermordung seiner Frau und seiner beiden Töchter, nahm er sich auf tragische Weise in der Villa Focardo das Leben.
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