Kindeswohlgefährdung (Symbolbild): Kind mit Kuscheltier
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Wie Bayern für mehr Schutz für Kinder sorgen will

Wie Bayern für mehr Schutz für Kinder sorgen will

Bayerns Justizminister Eisenreich will Kinder besser schützen - durch ein "Kinderschutz-Netzwerk" und "Kinderschutz-Kompetenzpartner". Seit Anfang des Jahres sind Kompetenzpartner im Einsatz - in München, Bamberg und Nürnberg.

Eine 14-Jährige, die gefoltert wurde, um das "Ja" zu einer Zwangsehe zu erreichen. Eine Mutter, die nach der Entbindung ihr Kind in einem Korb zurücklässt, um ihm ein besseres Leben zu ermöglichen. Sexueller Missbrauch, psychische Gewalt – "Ich erspare Ihnen jetzt Details", sagt Ulrike Sachenbacher vor Journalisten.

Es sind erschütternde Fälle, die die langjährige Familienrichterin im Laufe ihrer Karriere vor sich liegen hatte. Doch diese Fälle sind in Bayern traurige Realität. Nun ist Sachenbacher "Kompetenzpartnerin Kinderschutz", kurz KPK. Das bedeutet, sie ist zentrale Ansprechpartnerin für alle Fragen des Kinderschutzes im Raum München – konkret: im Münchner Oberlandesgerichts-Bezirk.

Kinderschutz-Kompetenzpartnerin: "Ich bin die Vernetzungsstation"

"Kinderschutz ist mein Thema", sagt Sachenbacher während einer Pressekonferenz. Als Kompetenzpartnerin Kinderschutz will sie Ansprechpartnerin beispielsweise für Familienrichter sein, um rasch Entscheidungen zu treffen im Sinne des Kindes. Denn nicht selten seien dies sehr tiefgreifende Entscheidungen. "Das kann auch bedeuten, ein Kind zu seinem Schutz aus seiner Familie zu nehmen", ergänzt der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU).

Aber auch außerhalb der Justiz soll Sachenbacher Bindeglied und Ansprechpartnerin sein, beispielsweise für Ärzte, Psychiater, Polizisten, Lehrer, Jugendämter oder Erziehungsberater. Sachenbacher selbst fasst ihre Funktion so zusammen: Vermittlerin von Kontakten, emotionale Unterstützerin, Wegweiserin, Beraterin und Tutor für junge Richter. "Ich bin die Vernetzungsstation, die die Antennen immer nach außen richtet." Neulich habe ein Jugendamtsmitarbeiter angerufen, "ob das schon ein Fall für eine Gefährdungsmeldung ist".

Mehr Kindeswohlgefährdungen seit Corona-Pandemie

Der Bayerische Justizminister, Georg Eisenreich, der selbst drei Kinder hat, will: "Die Schwächsten in unserer Gesellschaft schützen." Das Thema Kinderschutz stehe "ganz oben" auf seiner politischen Agenda. Denn laut Statistischem Bundesamt haben Deutschlands Jugendämter seit Beginn der Corona-Pandemie einen Höchststand bei Kindeswohlgefährdung festgestellt. 60.600 Kinder und Jugendliche waren im Jahr 2021 betroffen, 5.000 mehr als im Vorjahr. In Bayern war die Zahl dagegen leicht rückläufig.

Mithilfe der Kinderschutz-Kompetenzpartner möchte Eisenreich ein bayernweites Kinderschutznetzwerk mit kurzen Dienstwegen aufbauen. Das Ziel: Schnellerer Informationsfluss, schnellere Kontaktherstellung, Gefährdungsmeldungen direkt an die richtigen Stellen durchreichen, zum Beispiel an die Gerichtsmedizin, oder einfach mal "gemeinsam über einen Fall nachdenken".

Unterstützung bei schwierigen familienrechtlichen Entscheidungen

Familienrecht sei ein komplexes Rechtsgebiet und familienrechtliche Entscheidungen seien mit die schwersten, sagt die Präsidentin des Münchner Amtsgerichts, Beate Ehrt. "Was das im Einzelnen bedeutet, das wird einem erst präsent, wenn man mal in so eine Akte reingeschaut hat und wenn man solche Fälle kennenlernt."

Es brauche ein "gutes Selbstbewusstsein", um das verarbeiten zu können. Wenn man nicht gerade an einem großen Amtsgericht wie München arbeite, sei man als Familienrichter häufig auf sich allein gestellt und habe keine direkten Kollegen, um sich auszutauschen. Auch das soll sich mit den Kompetenzzentren ändern.

Kinderschutz: Maßnahmen wurden und werden immer wieder verschärft

Zuletzt hatte Bayern im Jahr 2020 eine Kinderschutz-Spezialeinheit gegründet: Das "Zentrum zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch im Internet" (ZKI). Hier würden besonders komplexe Fälle und technisch schwierige Ermittlungen bearbeitet. Bislang seien dort knapp 3.000 Verfahren wegen Kinderpornografie oder sexuellen Missbrauchs von Kindern gegen bekannte Täter erfasst worden.

Außerdem möchte Eisenreich die "Verletzung der Fürsorgepflicht" künftig zum Straftatbestand machen. Wenn also beispielsweise Fällen von sexuellem Missbrauch in Verbänden oder Kirchen nicht ausreichend nachgegangen werde. Ein entsprechender Antrag sei bereits von der Justizministerkonferenz angenommen worden und müsse nun vom Gesetzgeber umgesetzt werden.

  • Zum Artikel: Schlag gegen Kinderpornografie in Bayern und NRW

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