Der Extrem-Sommer 2003 war die wohl schlimmste Naturkatastrophe der jüngeren Geschichte – obwohl rückblickend kaum an sie erinnert wird. Damals starben in Deutschland nach Schätzungen 7.600 Menschen bedingt durch die extreme Hitzebelastung. Das hat eine Untersuchung des Robert-Koch-Instituts (externer Link) ergeben. Was hilft, ist zum einen gesundheitliche Aufklärung – und eine Umgestaltung der Innenstädte, wo sich die Hitze staut.
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Warum es in Kitzingen so heiß wird
Das unterfränkische Kitzingen ist besonders hitzeerprobt. Es gilt als der heißeste Ort Bayerns: 39,1 Grad wurden dort am 2. Juli gemessen. Martin Schneider wurde vor drei Jahren als Klimaschutzmanager bei der Stadt angestellt, um die Hitze in den Griff zu bekommen.
Das Problem in Kitzingen sei, dass zu wenig kühle Luft von außen in die Stadt strömen kann. Das liegt zum einen an der Kessellage, zum anderen ist die wichtigste Kaltluftschneise im Westen der Stadt seit den 70er Jahren durch Wohnsiedlungen zugebaut. Dadurch kühlt die Stadt auch nachts nicht mehr richtig ab. Das zweite Problem ist, dass die Innenstadt selbst extrem aufheizt, weil sie so stark versiegelt ist.
Wundermittel: Bäume in der Stadt
Professor Stephan Pauleit erforscht an der TU München das Mikroklima in Städten. Er untersucht dazu öffentliche Plätze und erstellt Simulationen.
Bäume sind natürliche Klimaanlagen – sie spenden Schatten, lassen weniger Infrarotstrahlung durch, kühlen die Luft durch die Abgabe von Feuchtigkeit und der unversiegelte Boden unter den Bäumen wärmt sich deutlich weniger stark auf. In einer Simulation konnte Pauleits Team zeigen, dass beispielsweise am Marstallplatz in München – eine große Freifläche hinter der Staatsoper – an einem heißen Sommertag die auf der Haut gefühlte Temperatur um bis zu zehn Grad gesenkt werden kann: durch eine Beschattung mit Bäumen.
Pauleit ist angesichts dieser Erkenntnisse optimistisch, dass die Städte sich auf den Klimawandel einstellen können. Ballungsräume müssen gezielt im Abstand von 150 Metern "Kälte-Inseln" in der Innenstadt schaffen, durch das Pflanzen von Bäumen. Allerdings seien viele Kommunen bei der Nachbegrünung zu zögerlich: Denn jeder Quadratmeter öffentlicher Raum ist hart umkämpft.
Stadt München: Ein Konfliktfeld aus Asphalt
Gerade Parkplätze sind zum Streitobjekt geworden. Derzeit sind 21 Prozent der Fläche Münchens mit Baumkronen bedeckt. Die Stadt will eine Abdeckung von 30 Prozent erreichen. Die Frage, wie viele Parkplätze dafür weichen müssen, lässt Baureferentin Jeanne-Marie Ehbauer unbeantwortet. Es gebe zuweilen technische Hindernisse und auch politischen Widerstand. Zum einen verlaufen unter den Straßen Kabel und Kanäle, die man mancherorts teuer verlegen müsste, damit Bäume genug Platz für die Wurzeln haben. Dieses Geld muss bewilligt werden.
Ein anderes Problem ist der Denkmalschutz. Es sind gerade die Innenstädte, die überhitzen – aber dort stehen die meisten denkmalgeschützten Gebäude. Besonders prägnantes Beispiel ist die Ludwigstraße, Prachtstraße in der Münchner Innenstadt. Der gesamte Straßenzug ist als Ensemble geschützt. Bäume könnten den Blick auf die prunkvollen Gebäude verstellen. Und schließlich sind da Einzelhändler, die einen Einbruch ihrer Geschäfte befürchten, wenn weniger Parkgelegenheiten zur Verfügung stehen.
München will Bäume pflanzen
Die Stadt München will 1.500 Bäume in den nächsten Jahren in bislang asphaltierte Bereiche pflanzen. Man suche den Austausch mit allen Betroffenen, sagt Baureferentin Jeanne-Marie Ehbauer. Wie Klimaveränderung und Denkmalschutz bei der Umgestaltung der Ludwigstraße berücksichtigt werden können, soll in einem Wettbewerb geklärt werden. Eines ist für Ehbauer aber auch klar: Die Menschen müssen sich gerne in ihrer Stadt aufhalten können – auch an heißen Tagen.
Hitzeaktionsplan für Kitzingen
Das ist auch das Ziel in Kitzingen. Die Stadt will dort etwa 60 Bäume in der Altstadt pflanzen. Bis die stehen und ihre kühlende Wirkung entfalten, dürfte es 30 bis 50 Jahre dauern. Derzeit arbeitet Schneider an einem Hitzeaktionsplan. Mit dem sollen vor allem die Risikogruppen, also Senioren oder Menschen mit Behinderung, an Hitzetagen geschützt werden. Denn der nächste 39-Grad-Tag: Er könnte schon bald kommen.
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