Das "Regionalwerk Unterallgäu" gedeiht. 29 Gemeinden und der Landkreis haben das gemeinsame Kommunalunternehmen zum Jahreswechsel gegründet. Mit dem Ziel, "die Energiewende im Landkreis aktiv und selbstbestimmt zu gestalten und voranzutreiben". Aktiv nach Flächen für Windkraft und Photovoltaik zu suchen brauche er nicht, sagt Geschäftsführer Dietmar Schell. Bürger und Kommunen böten ständig Grundstücke an. "Das zeigt die Akzeptanz und auch den Wert von so einem Regionalwerk", so Schell. Vier Solarparks kommen in den nächsten Monaten. Weitere Projekte sind geplant, auch Windräder.
Viele Wege zur Bürgerbeteiligung an Energieproduktion
Mit ihrem Engagement sind die Unterallgäuer bei Weitem nicht allein. Und so ein Regionalwerk ist nur eine von vielen Möglichkeiten, wie sich Gemeinden, die bisher kein eigenes Stadtwerk haben, bei der Energiewende einbringen können. "Die Landschaft in Bayern ist sehr bunt", sagt Markus Käser vom Verein Bürgerenergie Bayern. Sie reicht vom klassischen Stadt- oder Gemeindewerk über von Stadtwerken gegründete Gemeinschaftsunternehmen bis zu Genossenschaften.
Zum Jahreswechsel gab es 346 Energiegenossenschaften im Freistaat, 17 mehr als ein Jahr zuvor. Viele davon arbeiten mit Kommunen zusammen. Gemeinsamer Nenner, so Käser: "Die Wertschöpfung bleibt vor Ort. Das ist am Ende auch ein Riesen-Standortfaktor." Als Beispiel nennt er seine Heimatstadt Pfaffenhofen, wo der japanische Pharmaproduzent Daiichi Sankyo eine Milliarde Euro in ein Innovationszentrum investiert – unter anderem wegen des guten Angebots erneuerbarer Energie vor Ort.
Rosenheim macht bei Regionalwerk einen Rückzieher
Doch es gibt auch andere Sichtweisen. Der Landkreis Rosenheim hat sich vor Kurzem ausdrücklich gegen die Gründung eines Regionalwerks entschieden. Zusammen mit knapp 20 Städten und Gemeinden hatte er diesen Schritt vorher prüfen lassen. Das Ergebnis: Die Kosten sind nach Einschätzung der Kreisverwaltung zu hoch. Es sei zunächst ein siebenstelliger Betrag zu investieren, der erst im Lauf der Jahre eine Rendite erwirtschafte.
Die finanzielle Lage der Kommunen sei derzeit sehr angespannt, sagt Landrat Otto Lederer (CSU): "Und vor dem Hintergrund überlegt man sich natürlich zweimal, ob man in der jetzigen Zeit einer Gründung nähertritt." In Rosenheim sieht man die Risiken: Nicht jeder Solarpark bekommt bei Ausschreibungen der Bundesnetzagentur auch einen Zuschlag. Und mittags Strom einzuspeisen wird schwieriger, weil dann immer häufiger so viel Solarstrom im Angebot ist, dass er unverkäuflich wird.
Neue Einnahmen für Kommunen möglich
Andreas Engl berät Kommunen bei der Gründung von Regionalwerken. Für ihn ist der Rosenheimer Rückzieher bedauerlich: "Das Projekt könnte sich selbst tragen." Für die nötigen Anfangsinvestitionen könnten Gemeinden Kredite aufnehmen und dann Geld verdienen – ähnlich wie bestehende Stadtwerke, die mit dem Energiegeschäft Schwimmbäder querfinanzieren. Die Sicht des Beraters lautet: "Auch finanzschwache Gemeinden sollten mitmachen. Denn wie kommen sie sonst auf einen grünen Zweig?"
Photovoltaik-Geschäft: Komplexer, aber beherrschbar
Im Unterallgäu wissen sie auch, dass das Geschäft mit Photovoltaik komplexer wird. Aber es bleibe für Profis gut beherrschbar, so Regionalwerks-Geschäftsführer Schell: "Die Kalkulation ist kein Hexenwerk. Ich weiß im Vorfeld sehr genau, was für eine wirtschaftliche Tragweite kommt auf mich zu." Künftige Solarparks werden in Ost-West-Ausrichtung gebaut, damit der Strombedarf in den Morgen- und Abendstunden besser bedient werden kann. Außerdem können Batteriespeicher die Mittagsspitze der Solarproduktion abfedern.
Wenn die freie Wirtschaft übernimmt, sind die Gewinne weg
Dass es sich lohnt, zeigt auch das ungebrochene Interesse von Privatunternehmen am Bau von Wind- und Solarparks in Bayern. Für den Rosenheimer Landrat Lederer ist das ein Argument dafür, "dass es gar nicht zwingend sein muss, dass man momentan ein Regionalwerk gründet, weil die freie Wirtschaft diese Themen abdeckt". Die Windräder und Solarparks kommen am Ende sowieso, meint auch Markus Käser vom Verband Bürgerenergie Bayern. Wer sich jetzt nicht engagiere, gebe damit allerdings die Hoheit über die Stromproduktion und die Wertschöpfung ab: "Ein Projektierer wird das Projekt dann teurer an irgendeinen Rentenfonds verkaufen."
Dieser Artikel ist erstmals am 26.05.2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!