Black Friday, Black Week, Cyber Monday: Ende November ist die Zeit der Rabattaktionen und Megadeals. Doch während die einen sich dankbar auf die Angebote stürzen, entwickeln sich auf der anderen Seite immer mehr Gegenkonzepte, die zu einem nachhaltigeren Konsum aufrufen. Ein solches Modell bietet auch das Zukunftshaus, das Ende September in der Würzburger Innenstadt eröffnet wurde. Träger sind die eigens gegründete Zukunftshaus Genossenschaft sowie der gemeinnützige Verein Zukunftswerk.
Zukunftshaus Würzburg: Kaufen, Mieten, Tauschen, Reparieren
Das Zukunftshaus liegt in der Augustinerstraße, unmittelbar in der Würzburger Innenstadt – von außen wirkt es eher wie ein gewöhnliches Geschäft. Doch statt Wegwerfprodukte können Kunden hier nur Dinge kaufen, die nachhaltig produziert und besonders langlebig oder sogar reparierbar sind. Wer bereits Geräte besitzt, die jedoch defekt sind, kann diese kostengünstig reparieren lassen. Und neben dem Verkaufsraum gibt es noch zwei Tauschräume: Hier ist alles umsonst. Menschen können gut erhaltene Dinge, die sie nicht mehr brauchen, abgeben oder kostenfrei Gebrauchtartikel mitnehmen. Hinzu kommt der vierte Angebotsbereich des Zukunftshauses: die Vermietung von Gegenständen, die nur selten gebraucht werden.
- Zum Artikel: "Wie reparieren statt wegwerfen funktionieren kann"
Vom Waffeleisen bis zur Stichsäge: Mieten statt Besitzen
Besonders das Mieten biete großes Potenzial für einen nachhaltigen Lebensstil, das bisher aber kaum genutzt werde, so Ulrich Emmerling, Vorstand der Zukunftshaus eG. Statt für das einmalige Raclette-Essen an Silvester gleich ein neues Gerät zu kaufen oder nur für den Umzug extra einen Akkubohrer anzuschaffen, könne man sich diese Dinge auch einfach ausleihen. Denn oft würden sie nach dem Kauf dann nur einmal oder sogar gar nicht benutzt. Im Miet-Sortiment des Zukunftshauses finden sich daher vor allem praktische Gegenstände – von Werkzeug über Küchengeräte bis hin zur Campingausrüstung oder dem Kindersitz fürs Auto. Über 200 Artikel gibt es mittlerweile zur Auswahl und es werden mehr, denn auch Kunden bringen häufig Geräte vorbei, die sie kaum verwendet haben. Im Online-Shop des Zukunftshauses kann man sich ansehen, was verfügbar ist und die Dinge bei Bedarf auch gleich reservieren. Das Mieten selbst kostet dann meist nur wenige Euro.
Ein Konzept für die Zukunft: "Wir haben nur eine Erde"
Mit dem Konzept wollen die Genossenschaftsmitglieder der Wegwerfmentalität etwas entgegensetzen, denn das sei heutzutage nötig wie nie. "Wir haben nur eine Erde", betont Ulrich Emmerling – "und die müssen wir möglichst gut erhalten."
Dieser Gedanke spiegele sich zunehmend auch im Kaufverhalten der Menschen wieder. Zwar sei es noch eine Minderheit, die Alternativen zum Kauf nachfrage, doch die Tendenz sei steigend. Leihen und Reparieren sei schon immer da gewesen, betont Konsumsoziologe Kai-Uwe Hellmann von der Technischen Universität Berlin, aber durch neue technologische Möglichkeiten könnten Alternativen nun mehr Reichweite gewinnen.
Immer mehr Menschen sind offen für nachhaltige Konzepte
Bereits 2018 konnte sich bei einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts Yougov jede fünfte Person vorstellen, auch Kleidung zu mieten. 39 Prozent gaben an, aus Nachhaltigkeitsgründen allgemein weniger zu kaufen. Als Gegenmodell zu Black Friday und Cyber Monday wurde der Kauf-nix-Tag ins Leben gerufen, ein konsumkritischer Aktionstag, der bereits in über 60 Ländern organisiert wird. In Deutschland findet er am Samstag statt. Und auch ein BR-Stimmungsbild in der Würzburger Innenstadt zeigt, dass viele beim Black-Week-Shopping nicht mitmachen wollen – der Umwelt zuliebe, aber auch, um in der aktuellen Zeit den Geldbeutel zu schonen.
BUND Naturschutz: Kritik an Black-Friday
BUND-Expertin Janine Korduan sieht die Black-friday-Aktion kritisch: "Diese ganzen Schnäppchen belasten die Umwelt und das Klima enorm, denn es werden viele Dinge angeschafft, die gar nicht unbedingt benötigt werden." So werde letztendlich vieles umsonst produziert – "und insbesondere die Produktion von Produkten belastet am meisten die Umwelt und das Klima", so Korduan. Jede Person in Deutschland produziere jährlich 20 Kilogramm Elektroschrott, wovon so gut wie nichts repariert werde. So landeten viele Rohstoffe in der Verbrennung und seien für immer verloren. Der BUND rufe deshalb dazu auf, Dinge secondhand zu kaufen, zu reparieren oder Dinge zu leihen. "Das ist immer nachhaltiger", betont Korduan.
Studie: Ressourcen sparen durch Reparatur
Die Zahlen einer Studie der französischen Agentur für ökologischen Wandel Ademe zeigen, welchen großen Unterschied der Kauf von wiederaufbereiteter Elektronik machen kann. Demnach würden Verbraucher beispielsweise bereits mit dem Kauf eines einzigen wiederaufbereiteten Smartphones knapp 80 Kilogramm CO2 einsparen – das entspreche in etwa 492 mit dem Auto zurückgelegten Kilometern. Zudem würden dadurch auch 258 Kilogramm Rohmaterialien eingespart – vergleichbar mit zwölf Fahrrädern – und 68.400 Liter Wasser – etwa der Wasserverbrauch eines Erwachsenen in 103 Jahren – sowie 175 Gramm Elektroschrott – ungefähr das Gewicht von 20 Airpods.
Großes ehrenamtliches Engagement
Das Zukunftshaus hofft derzeit nicht nur auf vermehrten Zuspruch durch Kunden, sondern auch auf Mittragende. Wie jeder andere wirtschaftliche Betrieb müsse das Zukunftshaus Miete und Gehälter selbst erwirtschaften, betont Vorstandsmitglied Emmerling. Das geschieht nicht nur über die Erlöse aus Verkauf und Vermietung, sondern vor allem über die verkauften Genossenschaftsanteile und konkrete Mithilfe: Der Verein Zukunftswerk hat aktuell 25 bis 30 aktive Mitglieder, die ehrenamtlich Ladenschichten übernehmen, die Tauschräume betreuen, Flyer verteilen und auch beim aktiven Aufbau des Ladens mitgeholfen haben. Ohne das ehrenamtliche Engagement wäre das Projekt so nicht stemmbar gewesen, betont Emmerling.
Zwei Monate nach Öffnung: fast 100 Leihvorgänge
Mittlerweile läuft das Konzept gut an. Ende September wurde der Laden eröffnet und die Kundschaft nehme stetig zu, so Emmerling. Natürlich müsse das Konzept erst ins Rollen kommen, viele Kunden würden sich zunächst nur umsehen und sich ein Bild machen. Doch die Reaktionen seien durchweg positiv. Tatsächlich warten die Genossenschaftsmitglieder gerade auf den ersten Rekord: 99 Mietvorgänge gab es bisher. Und auch bei den offiziellen Registrierungen kratzt man an die Hundert, 97 sind es aktuell. Insgesamt kann sich das Konzept also offenbar halten – in Würzburg und vielleicht bald auch in anderen Städten. Denn die Kombination aus Kaufen, Mieten, Tauschen und Reparieren sei bisher in Deutschland einmalig, so Emmerling.
Ein Würzburger Alleinstellungsmerkmal, das aber keines bleiben soll: Die Genossenschaft hofft, dass sich auch in anderen Städten Zukunftshäuser entwickeln. Hier sei man offen für Zusammenarbeit, betont Ulrich Emmerling – damit Zukunftshäuser vielleicht wirklich das Konzept der Zukunft werden.
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