Ukraine, Enerhodar: Das Kernkraftwerk Saporischschja
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Nato warnt vor Atomunfall in der Ukraine

Nato warnt vor Atomunfall in der Ukraine

Der Westen blickt zunehmend mit Sorge auf die Kämpfe um das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja: Nato-Chef Stoltenberg dringt auf eine Inspektion der Anlage. Kanzler Scholz warnt vor einer "ganz, ganz gefährlichen Entwicklung".

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat angesichts der russischen Besetzung des Atomkraftwerks Saporischschja vor einem Atomunfall gewarnt und Moskau dazu aufgefordert, einer Inspektion durch die Internationale Atomenergiebehörde zuzustimmen. Die Inbesitznahme des ukrainischen Kraftwerks durch die russischen Streitkräfte sei eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit der Anlage, sagte Stoltenberg am Mittwoch in Brüssel.

Sie erhöhe das Risiko eines nuklearen Unfalls oder Zwischenfalls und gefährde die Bevölkerung der Ukraine, der Nachbarländer sowie der internationalen Gemeinschaft. "Es ist dringend erforderlich, die Inspektion durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) zu gewähren und den Abzug aller russischen Streitkräfte sicherzustellen", betonte der Nato-Chef.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte "ernsthafte Sorge" über die Lage am ukrainischen AKW. Es sei nicht akzeptabel, das Kraftwerk in Gefahr zu bringen, sagte Scholz am Mittwochabend im brandenburgischen Neuruppin. Die Bundesregierung werde weiter darauf hinwirken, eine dramatische Situation vor Ort abzuwenden, sagte der SPD-Politiker. Es sei "eine ganz, ganz gefährliche Entwicklung, die da stattfinden kann".

Streit über Expertenmission zum Atomkraftwerk

In der vergangenen Woche hatte der Chef der IAEA, Rafael Grossi, in einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats sofortigen Zugang zu der Anlage gefordert. Um die angepeilte Expertenmission gibt es seit Tagen Streit. Zuletzt hatte es Unstimmigkeiten darüber gegeben, wie ein Reiseweg der IAEA-Inspektoren aussehen könnte. Die Ukraine würde eine Mission ausschließlich durch von Russland besetztes Gebiet - etwa über die Krim oder auf anderem Wege über die russisch-ukrainische Grenze - nicht erlauben.

Das im Süden der Ukraine gelegene Atomkraftwerk verfügt über sechs der insgesamt 15 ukrainischen Atomreaktoren. Die russische Armee hält das AKW seit März besetzt, es wird aber noch von ukrainischen Technikern betrieben. Seit Ende Juli wurde die Anlage wiederholt beschossen. Kiew und Moskau machen sich gegenseitig für die Angriffe verantwortlich. Diese weckten Befürchtungen vor einer atomaren Katastrophe am größten Atomkraftwerk Europas.

Erste-Hilfe-Training für nuklearen Unfall

Auf einen solchen Unfall bereiteten sich am Mittwoch Dutzende ukrainische Rettungskräfte bei einem speziellen Erste-Hilfe-Training vor, berichteten Reporter der Nachrichtenagentur AFP. In der Stadt Saporischschja, die etwa 50 Kilometer Luftlinie vom Atomkraftwerk entfernt liegt, übten sie in Schutzkleidung mit Strahlungsmessgeräten und Gasmasken die Evakuierung von Verletzten und die Reinigung kontaminierter Fahrzeuge.

Nach den Worten des ukrainischen Innenministers Denys Monastyrsky, der an den Übungen teilnahm, muss sich das Land auf "alle möglichen Szenarien" im Atomkraftwerk Saporischschja vorbereiten. "Niemand konnte vorhersehen, dass die russischen Truppen mit Panzern auf Atomreaktoren schießen würden", sagte Monastyrsky und bezeichnete Russland als "Terrorstaat".

Laut Kiew bis zu 500 russische Soldaten auf AKW-Gelände

Nach Angaben des ukrainischen Atomkraftwerksbetreibers Energoatom befinden sich bis zu 500 russische Soldaten sowie etwa 50 Militärfahrzeuge wie Panzer auf dem Gelände des Atomkraftwerks. Die Ukraine beschuldigt Moskau seit Wochen, schwere Waffen in der Anlage zu positionieren und es als Basis für Angriffe auf ukrainische Stellungen zu nutzen.

Nato-Generalsekretär Stoltenberg erhob am Mittwoch ähnliche Vorwürfe: Russische Truppen würden jetzt das Gelände um das AKW als Aufmarschgebiet nutzen, "als Plattform, um Artillerieangriffe auf ukrainische Truppen zu starten", erklärte er und fügte hinzu: "Das ist rücksichtslos, es ist unverantwortlich."

Selenskyj trifft Guterres und Erdoğan

Die gefährliche Lage um das ukrainische AKW soll am Donnerstag ein Thema werden, wenn sich UN-Generalsekretär António Guterres und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im westukrainischen Lwiw treffen. Nach türkischer Ankündigung soll dort auch die "Beendigung des Krieges zwischen der Ukraine und Russland auf diplomatischem Wege erörtert" werden.

UN-Kreise halten Verhandlungen für eine landesweite Waffenruhe aber nur für möglich, wenn keine der Kriegsparteien nennenswerte Geländegewinne mehr verzeichnen kann und vom Ziel eines Sieges Abstand nimmt. Gespräche zwischen Kiew und Moskau in den ersten Kriegswochen waren ohne Ergebnis abgebrochen worden.

Karte: Die militärische Lage in der Ukraine

Geländegewinne für russische Truppen im Donbass

Unterdessen haben die russischen Truppen im ostukrainischen Gebiet Donezk kleinere Geländegewinne gemacht. Dem Bericht des ukrainischen Generalstabs vom Mittwoch zufolge verzeichneten die Russen Erfolge bei Opytne im Norden von Donezk und bei Nowomychajliwka im Südwesten.

An anderen Abschnitten wiederum seien russische Angriffe abgewehrt worden. Genannt wurden Ortschaften nördlich von Slowjansk und im Osten und Süden der Städte Soledar und Bachmut. Auch südwestlich von Wuhledar seien russische Attacken zurückgeschlagen worden. In den Gebieten Charkiw und Cherson seien Vorstöße der Russen ebenfalls gescheitert.

Entlang der gesamten Frontlinie wurden demnach bei mehreren Dutzend Ortschaften ukrainische Positionen mit Artillerie beschossen. Knapp ein Dutzend russische Luftangriffe habe es gegeben. Der Oberkommandierende der ukrainischen Armee, Walerij Saluschnyj, hatte am Vortag eine Zahl von 40.000 bis 60.000 Geschossen genannt, die täglich auf ukrainische Stellungen niedergehen würden. Diese Angaben können nicht unabhängig geprüft werden.

Explosionen auf der Krim dauern an

Auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim haben indes auch am Mittwoch noch Explosionen ein Munitionslager der russischen Truppen erschüttert. Der von Russland ernannte Verwaltungschef der Krim, Sergej Aksjonow, sagte, ein Hubschrauber unterstütze die Löscharbeiten aus der Luft. Das Lager war am Dienstag in Brand geraten. Russland sprach von einem Sabotageakt, nannte aber keine Einzelheiten.

Die neuen Explosionen zusammen mit einem Zwischenfall, bei dem in der vergangenen Woche neun russische Militärflugzeuge zerstört worden waren, dürften die russische Seite beunruhigen, wie der britische Geheimdienst erklärte. "Die russischen Befehlshaber werden höchstwahrscheinlich zunehmend besorgt sein über die offensichtliche Verschlechterung der Sicherheit auf der Krim." Die Halbinsel diene als Basis für einen geplanten Vormarsch in der Ukraine.

Russland wechselte nach den Explosionen den Chef der Schwarzmeer-Flotte aus. Zum neuen Kommandeur sei Viktor Sokolow ernannt worden, berichtet die Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf Insider.

Russlands Geheimdienst meldet Festnahmen nach Explosionen

Moskau hat zudem über die Festnahme von sechs Männern informiert. Alle Festgenommenen gehörten der islamistischen Vereinigung Hizb ut-Tahrir an, die in Russland als terroristische Organisation verboten ist, teilte der russische Inlandsgeheimdienst FSB am Mittwoch mit. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.

Ein direkter Zusammenhang zu den Detonationen auf der völkerrechtlich zur Ukraine gehörenden Halbinsel wurde zwar nicht explizit genannt. Einige der Festnahmen sollen aber in der Stadt Dschankoj erfolgt sein, unweit derer am Vortag ein Munitionslager explodiert war.

Wer genau die nun festgenommenen Männer sind, gab der FSB nicht bekannt. Seit der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 wurden aber unter dem Vorwurf der Hizb-ut-Tahrir-Mitgliedschaft mehrfach ukrainische Krimtataren inhaftiert und verurteilt. Große Teile der muslimischen Minderheit, die zu Sowjetzeiten massiven staatlichen Repressionen ausgesetzt war, lehnen die jetzigen russischen Machthaber klar ab.

Mit Material von AFP und dpa.

Rauch steigt über einem Explosionsort eines Munitionslagers der russischen Armee in der Nähe des Dorfes Mayskoye auf der Krim auf (16.8.22).
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Uncredited
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Auf der ukrainischen Halbinsel Krim kam es zu Explosionen in russischen Munitionslagern.

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