Franziska Brantner (l-r), Bundesvorsitzende, Robert Habeck, geschäftsführender Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Annalena Baerbock, geschäftsführende Außenministerin, und Felix Banaszak, Bundesvorsitzender, während des kleinen Parteitags von Bündnis 90/Die Grünen
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Aufarbeitung und Aufbruch: Grüne suchen neue Rolle in Opposition

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Aufarbeitung und Aufbruch: Grüne suchen neue Rolle in Opposition

Aufarbeitung und Aufbruch: Grüne suchen neue Rolle in Opposition

Nach dem Aus in der Bundesregierung wollen sich die Grünen neu sortieren. Auf einem kleinen Parteitag haben sie die Weichen für den Neuanfang gestellt: in der Oppositionsrolle. Vieles aber ist noch offen. Eine Analyse.

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Tausende Sportler in der Hauptstadt hatten am Sonntag nur ein Ziel: den Berliner Halbmarathon meistern. Auch die Grünen haben sich auf den Weg begeben, denn auch vor ihnen liegt eine Art Marathon: die Aufarbeitung des schlechten Wahlergebnisses bei der Bundestagswahl und damit einhergehend ihre neue Rolle - von der Regierung in die Opposition.

"Klar. Grün. Konstruktiv: Auf dem Weg in eine starke Opposition"

Nur sechs Wochen nach der Wahl haben sich hierfür rund 100 Delegierte der Grünen beim sogenannten Länderrat – eine Art kleiner Parteitag – getroffen. Geprägt war er einerseits vom Blick zurück. Das Wahlergebnis von 11,6 Prozent ist noch nicht verdaut und bedarf einer Aufarbeitung, wie die bayerische Landesvorsitzende Eva Lettenbauer im BR24-Interview sagt: "Wir wollen selbstkritisch analysieren: einerseits die vergangenen drei Regierungsjahre, aber auch den Wahlkampf".

Die Analyse, warum nicht mehr Menschen mobilisiert werden konnten und was aus den Fehlern gelernt werden kann – ein langer Prozess. Immer wieder blitzt in den Reden zwar Selbstkritik auf, oft wird aber nur an der Oberfläche gekratzt. Eine vollständige Aufarbeitung des schlechten Wahlergebnisses könne mit einem kleinen Parteitag in drei Stunden nicht abgeschlossen werden, die Grünen selbst sehen darin erst den Beginn eines langen Weges.

Daher wurde der Tag vor allem dazu genutzt, sich selbst Mut zuzusprechen – vor allem für die neue Rolle in der Opposition. Der Blick soll nach vorne gerichtet sein, passend hierzu der Leitantrag des Parteivorstands mit dem Titel "Klar. Grün. Konstruktiv: Auf dem Weg in eine starke Opposition".

"Kräftig wehren" gegen politische Konkurrenz

Doch: Wie stellen sich die Grünen für die Zukunft auf? Eine abschließende Antwort gibt es nicht. Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann aber betont, einen ersten Schritt sei man bereits gegangen mit der Zustimmung der Grünen zum 500 Milliarden Euro Sondervermögen. Für die Grundgesetzänderung habe man gemeinsam mit Union und SPD gestimmt, das sei "ein gelungener Start für unsere Oppositionsarbeit" gewesen: Konstruktiv einerseits, Grün andererseits, weil die Partei die Zustimmung an Investitionen in den Klimaschutz geknüpft hatte.

Für Eva Lettenbauer steht künftig zudem fest: Man werde der politischen Konkurrenz, vor allem auch in Bayern, die Stirn bieten: "Die Verdrossenheit ist groß, das Aufeinander einhauen, das war absurd. Auch gerade auf uns Grüne drauf. Da werden wir uns kräftig wehren."

Inhaltliche Neuausrichtung: Redebedarf ist groß

Klar ist: Die Grünen wollen ihr Profil schärfen, brauchen einen klaren Kurs. Denn diesen haben viele der Delegierten in letzter Zeit vermisst, ebenso wie harte Debatten z.B. beim Thema Migration. Diskussionen blieben auf den letzten Parteitagen ganz aus. Das könnte sich künftig ändern: Der Redebedarf ist groß.

Die Grünen wollen "führende Kraft der linken Mitte" sein, wie es im Antrag steht. Das soll auch der Abgrenzung zu den politischen Rändern – links und rechts – dienen. Hinter vorgehaltener Hand fragen sich einige Delegierte, was damit genau gemeint ist. Viele weitere Fragen treiben die Grünen um, vor allem der Rechtsruck, wie sie sagen. Es ist auch die Wählerwanderung, mit der die Grünen zu kämpfen haben: Die Partei hat in alle Richtungen verloren – nicht nur an die Linke.

Scharfe Kritik an Union und SPD

Deutlich werden die Grünen, wenn es um die wohl nächste Koalition aus Union und SPD geht: Es hagelt scharfe Kritik an Schwarz-Rot, bevor die Regierung samt Koalitionsvertrag überhaupt steht. Co-Parteichefin Franziska Brantner teilt aus: "Was Union und SPD da zusammengekleistert haben und was sie vorhaben, das ist ja auch kein Koalitionsvorhaben für eine Zukunft. Das ist der größte Deal des gemeinsamen Rückschritts".

Der Ton scheint für die Grünen in der Opposition gesetzt zu sein. Der Bundestagsfraktion gehört der noch geschäftsführende Wirtschaftsminister und Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, zwar an – nach der Wahlniederlage aber zieht er sich aus der ersten Reihe bei den Grünen zurück. Er brauche selbst "Zeit für Antworten", gehe aber versöhnt aus dem Wahlkampf. Habeck bleibt als Abgeordneter in der Bundesfraktion. Anders Annalena Baerbock: Sie wechselt zur UN nach New York.

Mit dem Rückzug der zwei bekanntesten Gesichter der Partei klafft eine personelle Lücke. Wer diese auffüllt, ist noch offen. Die Partei ist im Umbruch. Nur eins ist klar: Mit der Oppositionsrolle beginnt für die Grünen ein neues Kapitel.

Im Video: Grüne arbeiten Wahlschlappe auf

Der Kleine Parteitag der Grünen in Berlin
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Grüne arbeiten Wahlschlappe auf

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