Der Präsident des Bauernverbands, Joachim Rukwied, fordert einen niedrigen Mindestlohn für Saisonarbeiter. Er sagt: "Wir schlagen vor, dass sie 80 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns erhalten." Die Begründung: Wegen der steigenden Personalkosten seien viele Landwirte hierzulande im europäischen und internationalen Vergleich nicht mehr wettbewerbsfähig.
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Mindestlohnkommission will Beschluss vorlegen
Es ist kein Zufall, dass der Bauernpräsident in dieser Woche mit seiner Forderung für Schlagzeilen sorgt. Die sogenannte Mindestlohnkommission, besetzt mit Vertretern der Arbeitgeber und Gewerkschaften, wird vermutlich am Freitag ihren Beschluss vorstellen und damit die künftige Höhe der gesetzlichen Lohnuntergrenze verkünden. Es wird erwartet, dass der Mindestlohn steigt. Derzeit liegt er bei 12,82 Euro pro Stunde. Der Gewerkschaftsbund fordert ab dem kommenden Jahr 15,27 Euro pro Stunde. Viel zu viel sagen die Arbeitgeber.
Ob und auf welche Lohnhöhe sich die Kommission einigt, wird sich zeigen. Klar ist aber: Ausnahmen vom Mindestlohn sind derzeit nicht mehrheitsfähig. Die Bundesregierung hat dazu keine einheitliche Position. Im Gegenteil. Die Debatte sorgt für Ärger unter den Koalitionären.
Minister lässt Mindestlohn-Vorschlag prüfen
Während sich mehrere Unionspolitiker offen für die Forderung des Bauernverbands zeigen, sagt die SPD laut "Nein". Im Interview mit dem BR erklärt Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU): "Ich lasse gerade in meinem Haus prüfen, ob es rechtliche Möglichkeiten gibt, hier Ausnahmen darzustellen." Denn: Wenn der Mindestlohn so schnell steige, könne es in manchen Branchen durchaus zu Problemen kommen.
Im Bundestag ergänzt der CSU-Minister: "Diejenigen, die harte Arbeit leisten und uns hier unterstützen, kommen in der Regel aus Ländern, in denen es keinen Mindestlohn gibt, die bei uns zwei bis drei Monate harte Arbeit machen und dann sehr glücklich nach Hause gehen – schon mit dem jetzigen Mindestlohn."
Nach der Landwirtschaftszählung 2023 waren 876.000 Arbeitskräfte bundesweit in der Landwirtschaft beschäftigt. Darunter rund 243.000 Saisonarbeitskräfte, also etwa 28 Prozent.
SPD und Oppositionsparteien sind dagegen
Beim Koalitionspartner SPD stößt die Forderung des Bauernverbands dagegen auf breite Ablehnung. Aus dem Haus von Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas von der SPD heißt es: "Eine Herabsetzung des Mindestlohns für kurzfristig beschäftigte Saisonarbeitskräfte würde sowohl nach nationalem als auch nach europäischem Recht eine unzulässige Diskriminierung darstellen." Noch deutlicher wird SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf: "Das tragen wir auf gar keinen Fall mit." Es gehe um das Recht von Menschen, mit Erwerbsarbeit einen armutsfesten Lohn zu bekommen. Da könne man Saisonarbeiter nicht ausnehmen.
Die Oppositionsparteien sind bei dem Thema uneins. Die AfD ist für Ausnahmen beim Mindestlohn, Grüne und Linke lehnen sie entschieden ab. Die Gewerkschaften zeigen sich über die Forderung des Bauernverbands empört. Man wolle keinen Mindestlohn zweiter Klasse.
Gewerkschaften klagen über ein Unterlaufen des Mindestlohns
Der Chef des DGB Bayern, Bernhard Stiedl, erklärt: "Gerade den Beschäftigten in der Landwirtschaft, die ohnehin unter härtesten Bedingungen arbeiten, den Lohn kürzen zu wollen, ist nichts anderes als ein sozialpolitischer Offenbarungseid."
Das von Gewerkschaften getragene Beratungsnetzwerk "Faire Mobilität", das Saisonarbeitskräfte aus dem Ausland berät, dokumentiert seit Jahren Missstände in der saisonalen Landwirtschaft. "Saisonarbeitskräfte werden vielfach schlecht behandelt, rechtlich nicht aufgeklärt und wirtschaftlich ausgenutzt. Schon heute stellen wir immer wieder fest, dass der Mindestlohn oft nicht bezahlt und durch allerlei Tricks wie unbezahlte Überstunden oder hohe Abzüge für Unterkunft oder Transport unterlaufen wird", sagt Oskar Brabanski von "Faire Mobilität".
Bundeslandwirtschaftsminister Rainer will dem nachgehen. In einer Befragung im Bundestag antwortet er auf diese Kritik: "Ich lasse mir das jetzt mal vorlegen, welche Verstöße es da eventuell geben könnte".
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