Das Erfolgsgeheimnis der Balkonkraftwerke ist einfach: PV-Module über die Steckdose an den eigenen Wohnungs- oder Hausstromkreis anschließen, anmelden – und schon produziert und verbraucht man seinen eigenen Strom. Das kann die Stromkosten deutlich reduzieren, je nachdem wie clever man seine elektrischen Geräte einsetzt.
"Balkonkraftwerke vor dem Aus?"
Über eine Million solcher Balkonkraftwerke sind inzwischen in Deutschland in Betrieb, Discounter und Möbelhändler verkaufen die Systeme, die man ohne Elektriker installieren kann. 2025 sind weitere Vereinfachungen beim Anschluss und der Anmeldepflicht in Kraft getreten, die Balkonkraftwerke für Mieter und Eigenheimbesitzer attraktiv machen. Jetzt fürchtet der Bundesverband Steckersolar, dass eine neue, internationale Norm das alles wieder zunichtemacht.
Bestandsschutz für bereits angemeldete Systeme
Diese Diskussion betrifft aber nicht diejenigen, die jetzt schon ein Balkonkraftwerk in Betrieb haben. Unabhängig davon, wie eine internationale Norm aussehen wird: laut dem Bundesverband Solarwirtschaft haben bereits installierte und angemeldete Balkonkraftwerke Bestandsschutz.
Deutsche Kritik am internationalen Normungsprozess
Die Internationale Elektrotechnische Kommission (IEC) arbeitet derzeit an einer Norm (IEC 60364-7-751), die die Zulassung von Stromerzeugungssystemen in vielen Ländern der Welt regeln soll. Zwei Punkte sind dabei für Deutschland problematisch: während hierzulande inzwischen Standardstecker am Solarsystem und eine normale Steckdose ausreichen, sieht die IEC-Norm eine Steckerverbindung mit erhöhter Sicherheit vor, für die in der Regel ein Elektriker benötigt wird. Außerdem soll der Norm zufolge kein direkter Anschluss an den bestehenden Verbraucherstromkreis erfolgen, um eine Überlastung zu vermeiden. Das würde eine separate Leitung für den Anschluss eines Balkonkraftwerks erfordern.
IEC-Norm für Deutschland ein "Irrsinn"
Der Bundesverband Steckersolar, der sich genau für diese Solargeräte für die Steckdose einsetzt, befürchtet nun, dass der Boom der Balkonkraftwerke in Deutschland durch diesen Normungsprozess ausgebremst wird. Branchenkenner haben diese Bedenken vor allem über ihre Youtube-Kanäle teils mit dramatischen Worten verbreitet: Es drohe "ein Verbot durch die Hintertür", da würde "der Stecker gezogen", das sei "Irrsinn".
Gesetzgeber sorgt für Verbraucherfreundlichkeit
Erst im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung die Balkonkraftwerke für Verbraucherinnen und Verbraucher nochmal attraktiver gemacht: mit einer vereinfachten Anmeldung, einer erhöhten maximalen Leistung und einem Anschluss über eine bereits vorhandene Steckdose. Die internationalen Vorgaben – kämen sie denn so wie derzeit im Entwurf enthalten – stünden "im Gegensatz zum Ziel der deutschen Gesetzgebung", so der Verband in einem öffentlichen Schreiben vergangene Woche. Darin räumt der Steckersolar-Branchenverband aber auch ein, dass internationale IEC-Normen erst mal nicht zwingend verbindlich für Deutschland sind.
Auch der VDE kritisiert IEC-Norm
Zuständig für die nationale Normfestschreibung ist der Verband der Elektrotechnik (VDE). Er teilt die Bedenken der Steckersolarvertreter: Die angedachten höheren Sicherheitsanforderungen sehe man "kritisch". Im internationalen Verfahren vertritt der VDE die deutsche Position: "Hier sind wir gut aufgestellt", teilt der VDE auf Anfrage mit und fügt hinzu: Internationale Normen haben erst einmal keinen Einfluss auf die nationale Normung. Allerdings dürfen sich nationale, europäische und internationale Normen am Ende auch nicht widersprechen.
Deutsche Produktnorm sorgt für Rechtssicherheit
Hintergrund der aktuellen Diskussion ist zudem eine weitere Norm auf nationaler Ebene: eine Produktnorm, die sich auf die Anforderungen an die Geräte selbst bezieht und die im September veröffentlicht wird. Auch sie soll der internationalen Norm, zum Beispiel bei der Sicherheitsanforderung an den Stecker, nicht entgegenstehen.
Hersteller, aber auch Verbraucherinnen und Verbraucher haben dann Rechtssicherheit und damit Klarheit, welche Geräte garantiert am Markt zugelassen sind. Der Bundesverband der Solarwirtschaft hofft, dass dann jeder Wohnungshaushalt mit Balkon oder Terrasse so ein Solargerät nutzen kann.
Balkonkraftwerke in Deutschland nicht in Gefahr
Fazit: Die Steckersolarbranche hat ihre Bedenken zu laufenden Normungsprojekten verbreitet. Der VDE teilt als zuständiges Normen-Gremium in Deutschland inhaltlich diese Bedenken und hat angekündigt, sich im Abstimmungsprozess auf internationaler Ebene für die deutschen Interessen bestmöglich einzusetzen. Bis alle relevanten Normen in Deutschland veröffentlicht beziehungsweise übernommen werden, werden noch einige Wochen beziehungsweise Monate vergehen.
Der Bundesverband der Solarwirtschaft, der die gesamte PV-Branchen vertritt, erwartet nach eigenen Angaben nicht, dass die Energiepolitik der jetzigen Bundesregierung die Rahmenbedingungen verschlechtern wird: "Schließlich ermöglichen die Steckersolargeräte Hunderttausenden von Wählerinnen und Wählern, ihre Energiekosten zu senken".
Dieser Artikel ist erstmals am 17.07.2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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