Schon am Mittwoch habe er gespürt, dass es Widerspruch in der Unionsfraktion geben könnte. Am Freitag sei er dann nur noch deprimiert gewesen. "Das war so vorhersehbar furchtbar, ich habe noch nie ein derartiges Desaster erlebt", sagte der Linken-Politiker Bodo Ramelow am "Sonntags-Stammtisch" im BR Fernsehen über die geplatzte Wahl von zwei Richterinnen und einem Richter für das Bundesverfassungsgericht.
Ramelow: "Jens Spahn trägt die Verantwortung"
Die Abstimmung im Bundestag war kurzfristig abgesagt worden, nachdem sich die Unionsfraktion gegen die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf gestellt hatte – unter anderem wegen Plagiatsvorwürfen und ihrer Haltung zum Abtreibungsrecht. Natürlich, so Ramelow, könnten auch Kandidaten umstritten sein, aber dann müsse man das vorher klären und vor allem miteinander reden. Jetzt sei eine Wissenschaftlerin beschädigt worden.
Bereits vor zwölf Wochen habe er Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) direkt darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, alle Fraktionen einzubinden und Gesprächsbereitschaft der Linken vermittelt, doch mit ihnen sei nicht geredet worden. "Vom Management, vom Handwerk war das das Schlechteste, was ich jemals erlebt habe. Und dafür trägt Jens Spahn die Verantwortung."
Umgang der CDU mit der Linken
Ramelow zeigte sich in der Sendung prinzipiell offen für einen anderen Umgang mit der Union. Er habe in Thüringen für mehrere Jahre eine Minderheitsregierung geführt und immer wieder der CDU angeboten, in eine Form des verbindlichen Miteinanders einzutreten. "Dass man immer wieder sagt: Mit den Linken nicht, das ist schon absurd." In der Union gilt seit 2018 ein Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linken und der AfD, das heißt, die CDU lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit ab.
AfD laut Ramelow kein ostdeutsches Phänomen
Besorgt zeigte sich Ramelow bezüglich der AfD. Es schmerze ihn besonders, dass die Thüringer AfD, die als rechtsextrem eingestuft wird, in den Status einer Volkspartei gerückt sei. Dennoch betonte Ramelow: "Wir vergessen 67 Prozent, die nicht Blau, nicht die AfD gewählt haben". Er warnte davor, Ostdeutschland pauschal zu stigmatisieren: "Die AfD ist kein ostdeutsches Phänomen." Rechtspopulistische und autoritäre Bewegungen seien ein globales Problem – auch US-Präsident Donald Trump führte Ramelow als Beispiel an.
Osten dürfe nicht stigmatisiert werden
Prinzipiell warb Ramelow für einen anderen Umgang mit den ostdeutschen Bundesländern und hob die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hervor. Die Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen würden zusammengerechnet als eigene Volkswirtschaft auf Platz 13 aller europäischen Länder liegen. Dennoch, so Ramelow, sei die Binnenwahrnehmung vieler Menschen im Osten gestört. Besonders in Thüringen gebe es rund 100 Unternehmen, die in ihren Branchen Weltmarktführer seien, doch diese Erfolge würden im eigenen Bundesland häufig zu wenig wahrgenommen: "Ich bedaure, dass mein eigenes Bundesland nicht wahrnimmt, wie stark es ist."
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