Berlin direkt - ZDF-Sommerinterview mit Bundespräsident Steinmeier
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Steinmeier: "Die Koalition hat sich selbst beschädigt"

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Nach der verschobenen Wahl der Verfassungsrichter mahnt Bundespräsident Steinmeier eine zügige Beilegung des Streits an. Bundeskanzler Merz versucht unterdessen, die Wogen zu glätten – und verteidigt Unions-Fraktionschef Spahn gegen Kritik.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Das Scheitern der Neuwahl von Verfassungsrichtern im Bundestag schlägt weiter hohe Wellen in der deutschen Politik. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich nun ungewöhnlich deutlich in der Angelegenheit zu Wort gemeldet. "Ich glaube, wenn man einen Blick in die Zeitungen vom Wochenende wirft, dann lernt man sofort, die Koalition hat sich jedenfalls selbst beschädigt", sagte Steinmeier am Sonntag im "Sommerinterview" des ZDF. Der Bundespräsident drängte darauf, "in näherer Zeit" eine Entscheidung über die Verfassungsrichter zu treffen.

Steinmeier sagte über die kurzfristig verschobene Neubesetzung von drei Richterposten beim Bundesverfassungsgericht durch den Bundestag, dies rühre natürlich auch an der Autorität des Parlaments, das hier das Entscheidungsrecht hatte. Er sei "weit davon entfernt" zu sagen, es beschädige das Bundesverfassungsgericht, sagte der Bundespräsident. "Jedenfalls dann nicht, wenn in näherer Zeit die Entscheidungen noch getroffen werden." Sollte dies nicht passieren, "müssten wir allerdings Sorge haben", fügte Steinmeier hinzu. Es sei keine Kleinigkeit, um die es gehe: "Es geht um die Autorität und Funktionsfähigkeit eines Verfassungsorgans, das zugleich unser höchstes Gericht ist".

Unmut in Unionsfraktion über Vorgehen der Koalitionsspitzen

Auch in der Union wächst angesichts des Streits um die Wahl der Verfassungsrichter der Unmut. Es gibt deutliche Kritik an den Koalitionsspitzen. Was die Regierungsparteien in den vergangenen zwei Wochen geboten hätten, sei "ein Autounfall in Zeitlupe", sagte der Chef des CDU-Sozialflügels, Dennis Radtke, der "Welt am Sonntag". "Vielleicht sollte man in den Fraktionsräumen und Parteizentralen von Union und SPD die Balken vom Wahlabend ausdrucken und aufhängen als Mahnung, dass das Eis verdammt dünn ist, auf dem wir tanzen." Die politische Lage, mit der die neue Regierung seit ihrem ersten Tag konfrontiert sei, gleiche einer "Sturmflut", sagte Radtke. Die Koalition müsse sich hier bewähren.

Kritik an Spahn aus eigenen Reihen – Rückendeckung von Merz

Kritik gibt es in den Reihen der Unionsfraktion auch am eigenen Fraktionschef Jens Spahn (CDU), der die Absetzung der für Freitag geplanten Wahl der SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf im Bundestag zur Verfassungsrichterin mit Zweifeln an ihrer wissenschaftlichen Integrität begründet hatte. "Die plötzlich auftauchenden Plagiatsvorwürfe lösten bei mir ein ganz ungutes Störgefühl aus", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß dem "Tagesspiegel" vom Sonntag. Die fragwürdigen Plagiatsvorwürfe hätten besser geprüft werden müssen.

Rückendeckung bekam Spahn dagegen von Friedrich Merz. Im ARD-"Sommerinterview" stellte sich der Bundeskanzler hinter Spahn. Auf die Frage, ob Spahn noch der richtige Mann auf dem Posten sei, sagte dessen Parteikollege Merz: "Eindeutig ja." Merz sieht zudem "keinen Zeitdruck", eine Lösung für die vorerst gescheiterte Wahl von Richtern für das Bundesverfassungsgericht zu finden. Dass die Wahl am Freitag verschoben werden musste, sei "nun wirklich kein Beinbruch". Er werde jetzt "mit der SPD in Ruhe besprechen", wie es weitergehen solle.

Merz betont gute Zusammenarbeit mit Koalitionspartner SPD

Zuvor schon waren hinsichtlich des Verfassungsrichter-Streits von Merz Wogen glättende Worte gekommen. Der Kanzler hob die Stabilität seiner schwarz-roten Koalition hervor. "Wir arbeiten sogar mit den Sozialdemokraten in dieser Koalition richtig gut zusammen. Und das zeigt auch, dass die politische Mitte in unserem Land in der Lage ist zusammenzuarbeiten, zusammen zu regieren und dafür zu sorgen, dass unsere Demokratie in der Mitte stabil bleibt", sagte der CDU-Vorsitzende bei einem Besuch des Schützenfests in seinem sauerländischen Heimatort Arnsberg-Niedereimer.

Der Kanzler hob die Stabilität seiner schwarz-roten Koalition hervor
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Der Kanzler hob die Stabilität seiner schwarz-roten Koalition hervor

Ramelow: "Noch nie habe ich ein derartiges Desaster erlebt"

Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow kritisierte am "Sonntags-Stammtisch" im BR Fernsehen die gescheiterte Verfassungsrichterwahl. Schon am Mittwoch habe er gespürt, dass es Widerspruch in der Unionsfraktion geben könnte. Am Freitag sei er dann nur noch deprimiert gewesen. "Das war so vorhersehbar furchtbar, ich habe noch nie ein derartiges Desaster erlebt." Bereits vor zwölf Wochen habe er Merz direkt darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, alle Fraktionen einzubinden und Gesprächsbereitschaft der Linken vermittelt, doch mit ihnen sei nicht geredet worden. "Vom Management, vom Handwerk war das das Schlechteste, was ich jemals erlebt habe. Und dafür trägt Jens Spahn die Verantwortung."

Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow kritisierte am "Sonntags-Stammtisch" die gescheiterte Verfassungsrichterwahl. Außerdem äußerte sich der Linken-Politiker zur AfD und den Umgang mit der Union.
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Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow kritisierte am "Sonntags-Stammtisch" die gescheiterte Verfassungsrichterwahl.

Der Bundestag hatte am Freitag eigentlich über die Neubesetzung von drei Richterposten beim Bundesverfassungsgericht befinden sollen. Die Unionsfraktion forderte aber kurzfristig die Absetzung der Wahl der SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf und verwies auf Plagiatsvorwürfe. Nach anderthalbstündigen Krisengesprächen zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD wurden schließlich alle drei geplanten Richterwahlen von der Tagesordnung genommen. Die Wahl dreier neuer Richter für das Bundesverfassungsgericht soll nun erst nach der Sommerpause stattfinden.

Mit Informationen von AFP und dpa

Im Video: So werden Verfassungsrichter gewählt

Erklärstück: So werden Verfassungsrichter gewählt
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