Dienstagmittag, Pressekonferenz nach der Kabinettsitzung – Hubert Aiwanger wird gefragt, ob er dabei bleibt, dass Markus Söder Bundeskanzler werden soll. Aiwanger sagt: "Also aus meiner Sicht wäre es das Beste, wenn der Markus Söder das machen würde."
Ministerpräsident Markus Söder kann das nicht unkommentiert lassen. Er ergänzt, seine Meinung dazu sei bekannt. Außerdem habe er "den Hubert" darauf hingewiesen, dass Aiwanger als Vizeministerpräsident dann nicht automatisch Ministerpräsident würde – Gelächter bei der Regierungsriege auf dem Podium.
Ein lockeres Geplänkel, das nicht über die Unstimmigkeiten der vergangenen Tage und Wochen hinwegtäuschen kann.
Aiwanger irritiert mit Vorschlägen
Immer wieder hatte Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger Vorschläge gemacht, die nicht in die Regierungslinie passten. Er forderte gleich zu Beginn der Ausgangsbeschränkungen eine Debatte über einen Exit, mahnte eine Maskenpflicht an, als die Regierung gerade von einem Maskengebot gesprochen hatte und forderte eine "Ersatz-Wiesn" für München.
Damit habe er keinesfalls Söder eine Retourkutsche verpassen wollen, sagte Aiwanger im Sonntagsstammtisch im BR Fernsehen: "Söder hat schlichtweg verkündet: Oktoberfest abgesagt. Dann habe ich gesagt, jetzt müssen wir darüber nachdenken, wie wir die Gastro überhaupt irgendwie wieder ins Spiel bringen können."
Gleichzeitig gibt Aiwanger den Macher: er organisiert Vliesstoffe für Masken und bringt Schnapsdestillerien dazu, statt Bärwurz Desinfektionsmittel zu produzieren. Ohne ihn würde die Versorgung mit Masken in Bayern schlechter funktionieren, heißt es aus der Freie-Wähler-Fraktion. Auch manche, die Aiwanger sonst für seine Alleingänge kritisieren, verteidigen ihn jetzt: In der Krise wäre es jetzt von Vorteil, wie pragmatisch und zupackend Aiwanger ist.
Aiwanger: "Ich fühle mich nicht zu wenig beleuchtet"
Als Versuche, neben Söder in der Krise auch wahrgenommen zu werden, will Aiwanger seine Vorstöße nicht gewertet wissen. Ob jemand einen Vorschlag einen Tag früher oder später macht, bezeichnet er als "Schönheitswettbewerb". Es sei klar, so Aiwanger, dass in einer Ausnahmesituation die Regierungschefs mehr Aufmerksamkeit erhielten. "Ich fühle mich da nicht unterbelichtet", sagt er und verbessert sich sofort: "Ich fühle mich da nicht zu wenig beleuchtet."
In offiziellen Statements betonte Ministerpräsident Markus Söder immer wieder die gute Zusammenarbeit in der Regierungskoalition und äußerte Verständnis für seinen Vize. Aiwanger habe als Wirtschaftsminister und Parteivorsitzender eine andere Drucksituation, unter anderem von Verbänden. Aiwanger bringe wichtige Argumente ein. Die Zusammenarbeit sei "sehr sehr gut." Und weiter: "Ich kann über Hubert Aiwanger nichts Negatives Sagen. Eine menschlich sehr, sehr gute Zusammenarbeit."
Vier-Augen-Gespräch Söder-Aiwanger
Ganz so gut war die Stimmung in den letzten Tagen aber nicht. Vor einer Woche holzte CSU-Generalsekretär Markus Blume gegen Aiwanger, er sollte nicht über Feste philosophieren, sondern sich um die Belange der bayerischen Wirtschaft kümmern. Finanzminister Albert Füracker (CSU) wurde in einem Zeitungsinterview noch deutlicher. Er habe den Eindruck, das Kabinett mache Beschlüsse und ein paar Tage später gelte das für den Koalitionspartner nicht mehr.
Nach BR-Informationen gab es ein Vieraugengespräch zwischen Söder und Aiwanger. Ziel sei es gewesen, Spannungen beizulegen. Dass das erfolgreich war, ließ sich in der Pressekonferenz am Dienstag nach der Kabinettsitzung nachvollziehen. Aiwanger forderte weniger vehement eine Öffnung der Gastronomie und knüpfte derlei Entscheidungen an Zahlen zum Infektionsgeschehen. Die Frage ist, wie lange diese Disziplin durchzuhalten ist. Denn Aiwanger als Koalitionspartner steht auch unter dem Druck, nicht als Söders Wasserträger da zu stehen.
Deutliche Kritik aus der Opposition
Aiwanger ist ein Typ, der im normalen politischen Betrieb oft für Schmunzeln sorgt. Seine Hemdsärmligkeit wäre schon in Ordnung, wenn die Gesamtperformance passen würde, sagte ein Kabinettsmitglied dem BR.
Bei der Landtagsopposition zumindest steigt der Unmut über Aiwanger. Der Fraktionsvorsitzende der Liberalen, Martin Hagen, bezeichnet Aiwangers Auftreten in der Corona-Krise als "zwischen tollpatschig und orientierungslos". Selbstständige und Unternehmer fühlten sich vom Wirtschaftsminister im Stich gelassen. Auch der Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann kritisiert Aiwanger deutlich: "Hubert Aiwanger hatte vor der Corona-Krise keine Strategie. Und auch in der Krise handelt und redet er instinktgetrieben. Und er verfällt sehr oft ins Populistische."
Der so hart kritisierte Aiwanger zeigt sich davon unbeeindruckt. Die Opposition sei ja dazu verdammt, zu kritisieren, sagt Aiwanger, dem es anzumerken ist, wie sehr er es genießt, nicht mehr in der Opposition zu sein. Und in Richtung der Grünen sagt er: "Die sollten mal schauen, in welchem Bundesland sie mitregieren, wo es angeblich besser läuft als in Bayern. Dann werden sie mit leeren Händen dastehen."
Regierungspolitik aus einem Guss?
Die Debatten um Lockerungen werden differenzierter, die Interessen der Bevölkerungs- und Berufsgruppen auch. Es bleibt spannend, ob es den beiden Frontmännern Söder und Aiwanger künftig gelingt, Regierungspolitik aus einem Guss zu machen und auch zu kommunizieren.
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