Eine Palästinenserin und eine Israelin, verbunden durch ihren Schmerz: Die muslimisch-palästinensische Mutter Laila Al-Sheikh kommt aus Bethlehem. Die Israelin Robi Damelin lebt in Jaffa: "Ich hatte zwei Söhne", sagt sie. "Jetzt habe ich nur noch einen."
- Zum Artikel: Ein historischer Tag für Israelis und Palästinenser
Mütter wollen keine Rache
David, Robis Sohn, wurde bereits 2002 Opfer eines palästinensischen Heckenschützens. Robi Damelin erinnert sich an den Moment, als die Armee ihr die Schreckensnachricht überbrachte und an ihre erste Antwort darauf: "Ich erlaube nicht, dass sie aus Rache jemanden im Namen meines Kindes umbringen. Ich weiß nicht, woher das kam. Aber es war schon fast prophetisch für das, was seitdem mein Leben bestimmt." Nämlich ihr Einsatz für Frieden und Versöhnung zwischen Israelis und Palästinensern.
Laila Al-Sheikhs Sohn Qusai starb ebenfalls 2002 mit nur sechs Monaten an den Folgen von Tränengas aus israelischer Hand. Zunächst überwog für sie die Wut, erzählt sie: "Seit diesem Tag habe ich nur noch Hass und Ärger gespürt, besonders gegen Israelis. Für mich trugen sie alle Schuld an seinem Tod." Laila verdrängt ihren Schmerz fast 16 Jahre lang. Doch irgendwann nimmt sie die Einladung eines Freundes an, der sie immer wieder ermutigte, zu den Treffen des 1995 gegründeten "Parents Circle Family Forum" zu kommen – einem Verein für Familien, die um ihre im Nahost-Konflikt getöteten Angehörigen trauern – auf beiden Seiten. Hier begegnen sich die trauernden Mütter Robi und Laila und sie sprechen darüber, was ihnen passiert ist. Laila Al-Sheikh erinnert sich, wie Robi auf sie zukam: "Sie sagte, ich bin auch Mutter und ich verstehe deinen Schmerz. In diesem Moment hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass mich wirklich jemand wortlos versteht. Sie hat mich umarmt und wir beide begannen zu weinen."
Iris Berben: "Wunderbare starke Frauen"
Seitdem setzen sich Laila und Robi dafür ein, dass nicht noch mehr Menschen Angehörige verlieren. Sie sind zwei von etwa 800 Betroffenen, die ihre Geschichte "der Feinde" gemeinsam aufarbeiten, für den Frieden. Ihre israelisch-palästinensische Friedensinitiative wurde Ende September mit dem Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreis 2025 ausgezeichnet. Jurymitglied Iris Berben ist beeindruckt von "diesen beiden wunderbaren starken Frauen, die trotz ihrer traumatischen Geschichte zusammengefunden haben und dem Hass ein Ende setzen wollen", so die Schauspielerin.
Auch der Nürnberger Oberbürgermeister Marcus König gratuliert und bedankt sich bei den beiden fürs Brückenbauen – in einem Konflikt, in dem es auf allen Seiten Verluste, Trauer und Schmerz zu beklagen gibt. Ende 2024 hat sich auch in Deutschland eine Zweigstelle des Vereins gegründet, Parents Circle Friends Deutschland will sich für den Frieden einsetzen, zum Dialog aufrufen und dass Menschen aus den Erfahrungen der Vergangenheit lernen: "Uns alle verbinden die gleichen Tränen und das gleiche menschliche Blut", sagt Laila Al-Sheikh. "Hass und Ärger halten uns davon ab, uns als Menschen zu sehen."
Nicht auf eine Seite stellen
Eine wichtige Bitte hat Robi Damelien noch bei der Menschenrechtspreisverleihung in Nürnberg: "Seien Sie nicht für Israel oder für Palästina, seien Sie bitte Teil einer friedlichen Lösung. Wenn Sie sich auf eine Seite stellen, importieren Sie unseren Konflikt in Ihr Land." Das schaffe Hass zwischen Juden, Muslimen und Christen. Genau das wollen die beiden trauernden Mütter verhindern und ein "außergewöhnlich ermutigendes Beispiel" für den Rest der Welt sein.
Im Video: Menschenrechtspreisverleihung in Nürnberg (21.09.2025)
Es flossen Tränen und es wurde die Hand gereicht - an einem emotionalen Vormittag im Nürnberger Opernhaus.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!