Die Bundesregierung hat mit ihrer neuen Migrationspolitik einen Rückschlag erlitten. Das Verwaltungsgericht Berlin erklärte am Montag die Zurückweisung von Asylbewerbern auf deutschem Gebiet für rechtswidrig. Sie dürften nicht ohne Prüfung des Asylantrags abgewiesen werden, entschied das Gericht in einem Eilverfahren im Fall von drei Somaliern.
Innenminister Alexander Dobrindt erklärte jedoch am Abend, Asylbewerber sollten auch künftig von der Bundespolizei an den Grenzen abgewiesen werden. "Wir halten an den Zurückweisungen fest", so der CSU-Politiker in Berlin. "Wir sehen, dass die Rechtsgrundlage gegeben ist und werden deswegen weiter so verfahren." Die Eil-Entscheidung des Verwaltungsgerichts gegen die Praxis sei ein "Einzelfallbeschluss". Sein Ministerium strebe hier das Hauptsacheverfahren an - und glaube da, "deutlich" Recht zu bekommen.
Das Gericht habe ausführlichere Begründungen für die Zurückweisungen verlangt. Diese werde man liefern. Dobrindt verwies zudem darauf, dass die drei betroffenen Somalier dreimal während verschiedener Tage versucht hätten, die Grenze zu überschreiten. Erst beim dritten Versuch hätten sie sich auf das Asylrecht berufen.
Im Video: Dobrindt äußert sich zu Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts
Dobrindt zu Gerichtsurteil: "Wir halten an den Zurückweisungen fest"
Gericht hält Asyl-Zurückweisungen für rechtswidrig
Die Berliner Eil-Entscheidung gilt nur für die drei Somalier, zwei Männer und eine Frau, die sich gegen ihre Zurückweisung ohne Dublin-Verfahren wehrten. Das Gericht machte aber deutlich, dass es die Zurückweisungen bei Grenzkontrollen in solchen Fällen allgemein für rechtswidrig hält.
Da die drei Menschen ihren Wunsch nach Asyl ausgesprochen hätten, müsse ihnen der Grenzübertritt erlaubt werden - jedoch nicht unbedingt ohne Einschränkungen. "Die Antragsteller können nach Darlegung des Gerichts allerdings nicht verlangen, über den Grenzübertritt hinaus in das Bundesgebiet einzureisen", erklärte das Gericht dazu. Das Dublin-Verfahren könne an der Grenze oder im grenznahen Bereich stattfinden. In einem solchen Verfahren prüft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, welcher Staat zuständig für das Asylverfahren ist. Meist ist es das europäische Land, in das die Betroffenen als Erstes reisten.
Das Vorgehen der Bundesregierung war seit Ankündigung der verschärften Kontrollen rechtlich umstritten. Dobrindt zufolge ist es nicht auf lange Dauer angelegt. Von den Zurückweisungen sind zudem besonders verletzliche Gruppen wie Kinder und Schwangere ausgenommen.
SPD-Innenexperte Sebastian Fiedler sagte, man werde mit Minister Dobrindt sprechen, wie die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages umgesetzt werden könnten. "Die Erlasslage des Ministeriums und die Verfügungen des Präsidenten der Bundespolizei müssen zweifelsfrei mit Europarecht, deutschem Recht und unserem Anspruch, Schutzsuchenden zu helfen, vereinbar sein", erklärte er.
Grüne: Merz und Dobrindt wollten "mit dem Kopf durch die Wand"
Im Koalitionsvertrag heißt es, dass Zurückweisungen auch von Asylbewerbern "in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn" vorgenommen würden. Was dies genau heißt, wurde jedoch nicht definiert. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, nannte das Urteil eine erwartete Niederlage für Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Innenminister Dobrindt: "Merz und Dobrindt wollten mit dem Kopf durch die Wand und sind damit krachend gescheitert", sagte sie der "Rheinischen Post".
Der Vorsitzende des Bereichs Bundespolizei bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Andreas Roßkopf, sagte der "Funke Mediengruppe": "Wir haben von Anfang an gesagt, dass die jetzt eingeführte Verfahrensweise, Zurückweisung von Asyl- und Schutzersuchenden, juristisch stark umstritten ist." Man sei nur den Anweisungen des Innenministers gefolgt. "Wichtig ist uns nur, dass keinerlei Konsequenzen und rechtliche Schritte an unseren Kolleginnen und Kollegen hängen bleiben."
Die Geflüchtetenorganisation Pro Asyl, die die drei somalischen Antragsteller bei ihrer Klage unterstützt hatte, forderte nach dem Urteil "ein sofortiges Ende rechtswidriger Zurückweisungen an den deutschen Grenzen". Dobrindt habe "mit seinem nationalen Alleingang genug Leid für Schutzsuchende verursacht und außenpolitischen Schaden angerichtet", so Geschäftsführer Karl Kopp.
Mit Informationen von Reuters und AFP
Im Video: ARD-Rechtsexperte Kolja Schwartz
ARD-Rechtsexperte Kolja Schwartz zum Gerichtsbeschluss zur Zurückweisung von Flüchtlingen
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!