Menschen, die über die globale Erderwärmung sprechen, würden oft "ins Lächerliche" gezogen. Das bedauert Papst Franziskus in seinem vergangene Woche erschienenen Schreiben "Laudate Deum". Acht Jahre nach seiner weltweit mit großer Aufmerksamkeit aufgenommenen Umwelt-Enzyklika "Laudato Si" legt Papst Franziskus nun mit einem Mahnschreiben nach: "Mit der Zeit wird mir klar, dass wir nicht genügend reagieren."
Für das Oberhaupt der katholischen Kirche ist klar, dass "die Welt, die uns umgibt, zerbröckelt". Es bestehe kein Zweifel daran, dass die Auswirkungen des Klimawandels das Leben vieler Menschen und Familien zunehmend beeinträchtigen würden, schreibt der Papst weiter und verurteilt jede Form der Relativierung des Klimawandels aufs Schärfste.
Franziskus: "Radikalisierte" Gruppen füllen Lücke in Gesellschaft
In "Laudate Deum" stellt er sich Papst Franziskus sehr deutlich hinter die Klimaaktivisten - selbst wenn diese radikaler auftreten. "Auf Klimakonferenzen ziehen die Aktionen von sogenannten 'radikalisierten' Gruppen oft die Aufmerksamkeit auf sich. In Wirklichkeit füllen sie jedoch eine Lücke in der Gesellschaft als Ganzer, die einen gesunden 'Druck' ausüben müsste, denn es liegt an jeder Familie, zu bedenken, dass die Zukunft ihrer Kinder auf dem Spiel steht", so Franziskus, der die Klimaaktivisten mit diesen Sätzen mehr oder weniger adelt. Gleichzeitig kritisiert er den mangelnden politischen Willen zum gemeinsamen Einsatz gegen den Klimawandel weltweit.
Fridays-For-Future-Aktivistin Neubauer sieht Papst als Verbündeten
Die deutsche Fridays-For-Future-Aktivistin Luisa Neubauer, die von Franziskus zur Vorstellung seines Schreibens in den Vatikan eingeladen war, sieht den Papst als Verbündeten. Er mache deutlich, sagte sie zu domradio-de, dass es "hier im Vatikan jemanden gibt, der verstanden hat, was Sache ist".
"Was mich erschreckt, ist die Art und Weise, wie unsere Politiker auf die Krise reagieren. Papst Franziskus hat Recht mit seiner Sorge, dass wir im Inbegriff sind, unsere Chance zu verspielen." Luisa Neubauer
Franziskus habe vorgemacht, wie es gehe, sagte Neubauer. Wenn er in einer Institution wie der katholischen Kirche zu einem Kulturwandel aufrufen könne, dann könne dies auch jeder andere in seinem Bereich tun. Von der Kirche forderte die Aktivistin, zu einem "wahren Verbündeten" der Klimabewegung zu werden und Gelder aus fossilen Investments abzuziehen.
Bei dem Treffen habe der Papst seine Gäste ermutigt, den Humor nicht zu verlieren und mit Nachdruck erklärt, dass den jungen Menschen die Zukunft gehöre. Dass Franziskus sich Zeit für zivilgesellschaftliche Gruppen wie die Klimabewegung nimmt, sieht Neubauer als ein hoffnungsvolles Zeichen.
"Möglichkeit, dass wir einen kritischen Punkt erreichen"
In "Laudate Deum" teilt der Papst die Sorge vieler Klimaaktivisten und verteidigt sie gegen Kritik - auch aus den Reihen von Katholiken: "Bestimmte apokalyptische Diagnosen erscheinen oft wenig vernünftig oder unzureichend begründet. Dies sollte uns nicht dazu verleiten, zu ignorieren, dass die reale Möglichkeit besteht, dass wir einen kritischen Punkt erreichen."
Kleine Veränderungen könnten aufgrund der Trägheitsfaktoren große, unvorhergesehene und vielleicht bereits unumkehrbare Veränderungen auslösen, schreibt Franziskus. Auf diese Weise würde eine Kaskade von Ereignissen losgetreten werden, die sich "wie ein Schneeballeffekt" auswirke. "In einem solchen Fall kommt man immer zu spät, denn kein Eingreifen kann einen solchen einmal begonnenen Prozess aufhalten."
Münchner Ethiker zu "Laudate Deum": Vorschläge eher schwammig
"Papst Franziskus will aufrütteln", sagte Sozialbischof Heiner Wilmer in einer Stellungnahme für die Deutsche Bischofskonferenz. "Laudate Deum" sei ein flammendes Plädoyer dafür, dass jetzt anstehende Entscheidungen auch getroffen würden. Anders als in seiner Umweltenzyklika "Laudato si" von 2015 richte der Papst das Augenmerk nun entschlossen auf die "Klimakrise", nicht den Klimawandel, so Wilmer.
Zurückhaltender äußerte sich der Münchner Wirtschaftsethiker Johannes Wallacher. Zwar benenne Franziskus die Schwächen der internationalen Politik beim Klimaschutz und argumentiere deutlich gegen Leugner des Klimawandels, auch innerhalb der Kirche. Seine konkreten Vorschläge fielen aber eher schwammig aus, sagte der Präsident der Münchner Hochschule für Philosophie der Katholischen Nachrichten-Agentur.
- Zum Artikel: Was bringen die Klimaproteste? Aktivisten rechnen mit Politik ab
Mit Informationen von KNA
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