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Haushaltskrise: Ampel zieht die Notbremse

Haushaltskrise: Ampel zieht die Notbremse

Das Urteil zum Klimafonds hat eine Kettenreaktion ausgelöst. Denn es geht nicht nur um diesen einen Geldtopf. Die Ampel will verhindern, dass daraus eine haushaltspolitische Kernschmelze wird. Ausgang: offen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

In Berlin macht mal wieder ein Ministeriumsbrief die Runde. Solche Schreiben sorgen in der Hauptstadt regelmäßig für Aufregung, und nicht immer stehen Anlass und Reaktionen in einem angemessenen Verhältnis. Diesmal aber ist die Nervosität berechtigt. Denn der Brief aus dem Finanzministerium zeigt, dass die Auswirkungen des Karlsruher Urteils noch größer als gedacht sind.

Mit dem Schreiben wird eine Haushaltssperre für alle Ministerien verhängt. Laufende Ausgaben sind zwar weiter möglich und bestehende Finanzzusagen werden eingehalten. Aber: Es dürfen zunächst keine weiteren dazukommen. Mit einem "Shutdown" wie in den USA, der den Regierungsapparat lahmlegen würde, ist die Berliner Haushaltssperre nicht gleichzusetzen. Dennoch ist sie brisant, weil nun immer deutlicher wird: Mit ihrer Entscheidung haben die Verfassungsrichter die Haushaltspolitik in Gänze erschüttert.

Nach Urteil zum Klimafonds fehlen 60 Milliarden Euro

Das Karlsruher Urteil bezieht sich zwar zunächst auf den Klimafonds, in dem nun ein 60-Milliarden-Euro-Loch klafft. Das könnte beispielsweise Zuschüsse für neue Halbleiterfabriken in Ostdeutschland betreffen. Doch im Kern geht es dem Gericht um ein Prinzip, das bisher auch bei anderen Nebenhaushalten angewendet wurde. Die Karlsruher Richter haben klargestellt, dass der Staat Schulden nicht auf Vorrat anlegen darf, um in kommenden Jahren Projekte zu finanzieren.

Und das betrifft wohl auch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds, wie am Dienstag bei einer Expertenanhörung im Haushaltsausschuss des Bundestags deutlich wurde. "Dieser Fonds wirft aus meiner Sicht sehr ähnliche Probleme auf wie der KTF", stellte der Rechtswissenschaftler Hanno Kube fest. Das Kürzel steht für den Klima- und Transformationsfonds, dessen Finanzierung mit coronabedingten Kreditoptionen das Gericht vergangene Woche beanstandet hat. Nun ist aber der Wirtschaftsstabilisierungsfonds ein ganz dicker Brocken, ausgestattet mit Kreditoptionen von bis zu 200 Milliarden Euro – vorwiegend für die Strom- und Gaspreisbremse.

30 Milliarden für Energiehilfen ausgezahlt

Kube erinnerte im Bundestag daran, dass die Ampel diese Optionen schon im vergangenen Jahr bereitgestellt hat. Allerdings sei 2022 nur ein Teil der Mittel geflossen. Dagegen wurden in diesem Jahr laut Wirtschaftsministerium rund 30 Milliarden an Energiehilfen ausgezahlt. Das Problem: Müssten diese Kredite nachträglich im Kernhaushalt für 2023 verbucht werden, würde das wohl den Rahmen der Schuldenbremse sprengen.

So groß ist die Nervosität gerade, dass das Finanzministerium am Dienstagnachmittag vorsichtshalber noch eine Sperre erlassen hat. Nun wurde auch ein Stopp für Kreditoptionen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds verhängt. Dennoch soll das Geld in diesem Jahr zunächst weiterfließen. Welche Quelle dafür angezapft werden könnte, blieb zunächst offen. Es handelt sich bereits um die dritte Notbremse, die die Bundesregierung zieht: nach den Einschränkungen beim Klimafonds und der Sperre für zusätzliche Finanzzusagen im Bundeshaushalt fürs laufende Jahr.

Ampel hält an Zeitplan für Haushalt 2024 fest

Unklar ist auch, ob der Haushaltsentwurf für kommendes Jahr wie geplant noch in dieser Woche den Fachausschuss passieren kann. Das wäre die Voraussetzung für einen Bundestagsbeschluss Ende nächster Woche. Die SPD-Fraktion im Bundestag dringt darauf, dass die Ampel bei ihrem bisherigen Zeitplan bleibt. Das Haushaltsgesetz sei schließlich die wichtigste Entscheidung des Jahres, sagte Fraktionschef Rolf Mützenich.

Umso dringlicher die Frage, warum das Krisenmanagement der Ampel erst nach und nach in Fahrt kommt. Die Koalition beteuert, sich vor dem Karlsruher Urteil auf alle denkbaren Szenarien vorbereitet zu haben. Doch auch sechs Tage nach der Entscheidung ist keine klare Strategie der Ampel erkennbar.

Erklärung einer Notlage als Ausweg aus Haushaltskrise?

Mit Blick auf den laufenden Haushalt wäre eine Möglichkeit, eine Notlage zu erklären. Ein Vorschlag, der unter anderem bei der Expertenanhörung erörtert wurde. Eine solche Erklärung würde es ermöglichen, dass der Bundestag trotz Schuldenbremse umfangreiche Kredite genehmigt. Teile der SPD und die Grünen fänden diese Lösung gut. Doch die FDP lässt bisher keine Sympathie dafür erkennen.

Das gilt erst recht für die Überlegung, die Schuldenbremse durch eine Grundgesetzänderung auf Dauer aufzuweichen. Dafür bräuchte die Ampel im Übrigen die Union, denn eine Verfassungsänderung setzt Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat voraus. Und so geht die Kettenreaktion infolge des Gerichtsurteils weiter. In einem Atomkraftwerk würde man jetzt die sogenannten Steuerstäbe ausfahren, um die Reaktion zu stoppen. Im Werkzeugkasten der Ampel sucht man bisher vergeblich nach einem solchen Instrument.

Die Entscheidung des Bundesfinanzministers stellt alles in Frage.
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