Die Co-Chefin der Grünen Jugend, Jette Nietzard, will sich nicht erneut zur Wahl stellen. Das teilte die 26-Jährige im sozialen Netzwerk Instagram mit. Bis zur Neuwahl des Bundesvorstands der Grünen-Nachwuchsorganisation beim Bundeskongress Mitte Oktober in Leipzig will sie noch im Amt bleiben. Nietzard ist seit Oktober 2024 Co-Sprecherin der Grünen Jugend.
Nietzard: Die Grünen sind zu stromlinienförmig
Sie habe versucht, den Blick auf Ungerechtigkeiten zu lenken, erklärte Nietzard. "Ziel meiner Kritik waren immer Menschen in Machtpositionen." Sie kritisierte die Grünen als zu stromlinienförmig. Schon seit einiger Zeit sei klar, dass sie keine Zukunft "in diesem Bundesvorstand" haben könne und beklagte Anfeindungen. Nietzard will aber Parteimitglied und Mitglied der Grünen Jugend bleiben.
Bei den Grünen seien ihre Gedanken nicht immer auf Gegenliebe gestoßen, sagte Nietzard. "Mal wurde ich in Fraktionssitzungen ausgebuht, mal wurde ich von Realo-Spitzenpersonal angeschrien oder von Ministerpräsidenten oder solchen, die es werden wollten, wurde mein Rücktritt gefordert", sagte sie in Anspielung auf den baden-württembergischen Grünen-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und Cem Özdemir, der ihm nachfolgen will.
Heftige Reaktionen bei Parteifreunden auf Äußerungen
Nietzard hatte mit Äußerungen in sozialen Netzwerken immer wieder Ärger und Unverständnis in den Reihen der Grünen ausgelöst. Anfang Juni entschuldigte sie sich für ein kurz zuvor hochgeladenes Video zu Gaza und Israel. Die Grüne Jugend erklärte in einem Transparenzhinweis, in der vorherigen Version des Videos sei "nicht deutlich genug geworden, dass der 7. Oktober ein antisemitischer Terroranschlag war".
Es war nicht das einzige Mal, dass Nietzard Kopfschütteln bei Grünen-Mitgliedern auslöste. Im Mai hatte sie sich auf ihrem privaten Instagram-Kanal mit einem Pullover gezeigt, auf dem das Kürzel "ACAB" zu lesen war. Es steht für "All Cops Are Bastards". Dazu trug sie eine Kappe mit der kapitalismuskritischen Aufschrift "Eat the rich".
Kretschmann: "Verstehe überhaupt nicht, was die bei uns will"
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann forderte Nietzard damals zum Parteiaustritt auf. "Ich verstehe überhaupt nicht, was die bei uns will", sagte der Grünen-Politiker. Für die Positionen, die Nietzard vertrete, gebe es mit der Linken ein passendes Angebot im Parteienspektrum.
Grünen-Chef Felix Banaszak nannte Nietzards Beurteilung der Polizei seinerzeit "inakzeptabel". Cem Özdemir, Spitzenkandidat der Partei für die kommende Landtagswahl in Baden-Württemberg, kritisierte, bei den Grünen sei falsch, wer nicht kapiere, dass die Polizei auch Grünen-Werte verteidige.
Nietzard: "ACAB"-Pulli "als Privatperson"
Nietzard distanzierte sich daraufhin ein wenig von ihrer Pullover-Aktion. Sie "glaube nicht, dass das der richtige Weg war, um auf die Probleme aufmerksam zu machen", erklärt sie in einem "Stern"-Podcast. Den Pulli besitze sie "als Privatperson".
Es war nicht das erste Mal, dass Nietzard provozierte. So hatte sie nach Angaben von Nutzern zu Silvester in sozialen Medien gepostet: "Männer ,die ihre Hand beim Böllern verlieren, können zumindest keine Frauen mehr schlagen." Der Beitrag wurde nach Kritik gelöscht.
Den Rückzug von FDP-Chef Christian Lindner nach dem desaströsen Abschneiden seiner Partei bei der Bundestagswahl quittierte sie auf X mit den Worten: "Ich freue mich, dass der Mann von @francalehfeldt jetzt kürzer tritt, um ihr Karriere und Kind zu ermöglichen". Parteikollegin Renate Künast kommentierte den Post wie folgt: "Jette, das ist unsouverän und macht Dich sehr klein."
Grüne Jugend traditionell sehr links
Innerhalb des grünen Meinungsspektrums vertritt die Grüne Jugend traditionell sehr linke Positionen. Wie in anderen politischen Nachwuchsorganisationen schrecken die führenden Köpfe nicht vor Kritik am Kurs der eigenen Parteiführung zurück. Dennoch ist die Organisation auch eine Kaderschmiede: Die frühere Parteichefin Ricarda Lang stand einst an ihrer Spitze, ebenso ihr Nachfolger Felix Banaszak.
Nietzard war gemeinsam mit Jakob Blasel, ihrem Co-Bundessprecher, wie das Führungsamt in der Grünen Jugend heißt, im Oktober letzten Jahres mitten in einer Krise gewählt worden. Zuvor war der vorige Vorstand zurückgetreten und hatte das mit Entfremdung von den Grünen begründet, bei denen es "mittelfristig keine Mehrheiten (...) für eine klassenorientierte Politik gibt, die soziale Fragen in den Mittelpunkt rückt und Perspektiven für ein grundsätzlich anderes Wirtschaftssystem aufzeigt".
Blasel beklagt "toxische Empörung"
Blasel sprang Nietzard nach der Ankündigung ihres Rückzugs zur Seite. Er bescheinigte ihr "persönliche Größe" und zollte ihr Respekt. Von der Partei verlangte er: "Unsouveräne Reaktionen und toxische Empörung der letzten Wochen müssen aufgearbeitet werden." Statt sich am eigenen Nachwuchs abzuarbeiten, müssten die Spitzen der Partei ihre Haltung grundsätzlich überdenken.
Mit Informationen von dpa
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