Die deutsche Guillotine des Gefängnisses Prag -Pankrác anöässlich einer Gedenkstunde. Rechts im Vordergrund die originalen Schlingen, mit denen zum Tode Verurteilte während der NS-Zeit hingerichtet wurden.
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Kriegsende: Ein bayerischer Henker in Prag

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Kriegsende: Ein bayerischer Henker in Prag

Kriegsende: Ein bayerischer Henker in Prag

Der Münchner Alois Weiß machte seine Ausbildung zum Scharfrichter im Gefängnis München-Stadelheim. In Prag enthauptete er im Auftrag der Nazis 1.075 Menschen. Dort steht heute der letzte original erhaltene Hinrichtungsraum - von ursprünglich 22.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Zeit für Bayern am .

Der gescheiterte Unternehmer Alois Weiß lernt das "Handwerk" des Tötens ab 1937 beim berüchtigten Münchner Scharfrichter Johann Reichhart. 1941 wird der 35-Jährige einer seiner drei Gehilfen im Gefängnis München-Stadelheim.

Da lernt er, wie er die Todeskandidaten mit auf den Rücken gefesselten Händen auf die Bank der Guillotine heben und den Hals in einen halbrunden Ausschnitt unter das Messer platzieren muss. Sofort fixiert ein anderer Gehilfe den Nacken von oben mit einem ebenfalls halbrund ausgeschnittenen Brett, woraufhin der Scharfrichter mit einem langen Hebel das Fallbeil ausklinkt.

Pro Hinrichtung 30 Reichsmark

Das alles ging blitzschnell vonstatten. Im Hinrichtungsprotokoll von Sophie Scholl etwa steht zu lesen, dass "von der Übergabe an den Scharfrichter bis zum Fall des Beiles" nur sechs Sekunden vergangen sind. Johann Reichhart rühmte sich gerne, der schnellste Scharfrichter Bayerns zu sein. Er gab vor, so das Leiden der Betroffenen verkürzen zu wollen. Die Stoppuhr als sein Gewissen.

Pro Hinrichtung gab es ab 1941 für Scharfrichter und Gehilfen je 30 Reichsmark. Die Summe war gekürzt worden, weil es seit Kriegsbeginn so viele Hinrichtungen geworden waren. Schließlich stand die Todesstrafe bereits auf über 40 Delikte. Da genügte es schon, ein Bettlaken aus den Trümmern eines zerbombten Hauses zu ziehen oder sich als Beamter vom Staatseigentum etwas Benzin abzuzwacken. Ausländische Zwangsarbeiter wurden wegen kleinster Delikte zum Tode verurteilt. Vor allem aber machte dem NS-Regime jeglicher Widerstand Angst, weshalb Oppositionelle ohne viel Federlesens auf der Guillotine landeten.

Alois Weiß ab 1943 Scharfrichter von Prag

Beträchtlichen Widerstand gibt es auch im von der Wehrmacht besetzten "Protektorat Böhmen und Mähren". Darum wird auch für Prag ein Fallbeil - "F-Gerät" genannt - bestellt. Im Gegensatz zur Münchner Guillotine, die noch aus dem 19. Jahrhundert stammt, ist die Prager Maschine eine Neuentwicklung der Nazis. Sie wurde ab 1938 unter größter Geheimhaltung im Gefängnis Berlin-Tegel von Gefangenen gebaut. Insgesamt mindestens 14 Stück - zu je 550 Reichsmark.

Alois Weiß wird nun zum Scharfrichter befördert und auf eigenen Wunsch nach Prag geschickt. Er enthauptet dort bis Kriegsende nach eigener Zählung 1.075 Menschen. Unter ihnen die Wiener Opernsängerin Marianne Golz, die jüdischen Pragerinnen und Pragern zur Flucht verholfen hat und dafür später als "Gerechte unter den Völkern" geehrt wird. Weiß verdient in seinen Prager Jahren 45.000 Reichsmark.

Münchner Guillotine: "Die beste, die ich je kennengelernt habe"

1953 besucht ihn ein SZ-Journalist in Straubing und fragt ihn nach seiner grausigen Tätigkeit in Prag. Seine Antwort: "Mir war das erste Mal ein bisschen komisch, aber ich hab's überstanden. Ich habe nicht einmal nachts davon geträumt. Manchmal leidet man unter Stimmungen, so wie man unter dem Föhn leiden kann." Davon, dass er sich um die Stelle beworben hat, will er nichts mehr wissen. Auch seine übrige NS-Vergangenheit beschönigt er. 1952 klagt er auf Wiedereinstellung in den Staatsdienst - vergeblich.

Im Freistaat gab es nach dem Krieg noch Pläne, die Münchner Guillotine wieder aufzustellen und damit Todesurteile zu vollstrecken. Alois Weiß sollte der Henker werden und beaufsichtigte in Regensburg die Instandsetzung der Guillotine - "die beste, die ich je kennengelernt habe", schwärmt er.

1949 wurde die Todesstrafe abgeschafft, und die Guillotine wanderte auf den Dachboden der JVA Regensburg. Erst 1974 glaubten die dortigen Juristen offenbar nicht mehr an eine Wiedereinführung der Todesstrafe und gaben die Guillotine ans Bayerische Nationalmuseum. Dort steht sie seither im Depot unter Verschluss.

Letzter original erhaltener Hinrichtungsraum in Prag

Insgesamt gab es im Deutschen Reich 22 Hinrichtungsstätten mit je einer Guillotine und oft auch Vorrichtungen zum Erhängen. Kein Hinrichtungsraum ist so original erhalten wie der des Gefängnisses Prag-Pankrác. Besichtigen kann man ihn normalerweise nur in Gruppen und nach Voranmeldung.

Am 2. Mai 2025 um 9.30 Uhr findet im Prager Gefängnis Pankrác die alljährliche und öffentliche Gedenkfeier zu Erinnerung an den Prager Aufstand (externe Links) gegen die nationalsozialistischen Besatzer statt. Eine der seltenen Gelegenheiten, den original erhaltenen Hinrichtungsraum zu besichtigen.

Im Audio: Die Stadelheimer Guillotine hinter Schloss und Riegel

Fotos der Münchner Guillotine gibt das Bayerische Nationalmuseum nicht frei. Das abgebildete Modell stammt ebenfalls aus der Münchner Manufaktur von Johann Mannhardt: Das Fallbeil von Berlin-Plötzensee (heute in der Gedenkstätte Brandenburg-Görden). Auf ihm starben 2.800 Menschen aus 20 Nationen.
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Das Fallbeil von Berlin-Plötzensee (heute in der Gedenkstätte Brandenburg-Görden). Auf ihr starben 2.800 Menschen aus 20 Nationen.

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