Trauer und Entsetzen in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon: Am Mittwochabend entgleiste die historische Standseilbahn "Elevador da Glória" – die Anzahl der Todesopfer liegt offenbar bei 16. Zunächst wurde von 15 Todesopfern berichtet. Zwei der Verletzten seien in der Nacht im Krankenhaus ihren Verletzungen erlegen, sagte die Leiterin der städtischen Zivilschutzbehörde, Margarida Castro Martins, am Donnerstag. Weitere 21 Menschen seien bei dem Unglück am Mittwochabend verletzt worden.
Zwei Verletzte aus Deutschland - Identität der Todesopfer noch nicht bekannt
Zeugenaussagen, Dokumente und Telefonaufzeichnungen, die bei den Verunglückten gefunden worden seien, deuteten mit "hoher Wahrscheinlichkeit" darauf hin, dass unter den Toten auch ein Deutscher sei – neben zwei Kanadiern, einem US-Bürger und einem Ukrainer, erklärte der Leiter der portugiesischen Kriminalpolizei Luis Neves. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft befanden sich zudem fünf Portugiesen, ein Schweizer und zwei Koreaner unter den Opfern. Die Identität der drei weiteren Todesopfer blieb zunächst unklar.
Zuvor hatte das Auswärtige Amt am Donnerstag erklärt, dass ebenfalls von deutschen Betroffenen auszugehen sei. Über deren genaue Anzahl gebe es allerdings noch keine verlässlichen Angaben. Die Lage sei weiterhin unübersichtlich, hieß es. Die deutsche Botschaft in Lissabon bemühe sich darum, die Identitäten der Opfer zu klären. Auf X schrieb das Ministerium: "Unsere Gedanken sind bei den Opfern des tragischen Standseilbahnunglücks in Lissabon.´"
Die Leiterin von Lissabons Zivilschutzbehörde sagte zudem, dass alle Getöteten Erwachsene seien. Bei den Verletzten handele es sich um Menschen aus Portugal sowie zwei deutsche Staatsbürger, zwei Spanier und jeweils eine Person aus Frankreich, Italien, der Schweiz, Kanada, Marokko, Südkorea und Kap Verde. Die Transportarbeitergewerkschaft Sitra teilte mit, unter den Toten sei der Bremser der Straßenbahn.
Berichte über toten Familienvater nicht bestätigt
Für portugiesische Medienberichte, dass ein deutscher Familienvater ums Leben gekommen sei, gibt es bisher keine offizielle Bestätigung. Die Frau des Mannes sei schwer verletzt, das gemeinsame dreijährige Kind leicht verletzt worden, berichteten die Zeitungen "Correio da Manah" und "Observador". Das Kind sei in der Obhut der Behörden. Zur Herkunft der Familie in Deutschland gab es zunächst keine Informationen.
Unfallursache wird noch ermittelt
Das zerstörte Wrack der Bahn lag am Donnerstag noch auf der von der Polizei abgesperrten Straße in der Innenstadt, auf der sie am Abend verunglückte. Der Unfall des bei Touristen beliebten Verkehrsmittels geschah aus noch unbekannter Ursache. Behördenvertreter wollten nicht darüber spekulieren, ob eine defekte Bremse oder ein gerissenes Kabel den Unfall verursacht haben könnten.
Von Gewerkschaftsseite wurde über Probleme mit der Spannung auf dem Zugseil der Bahn berichtet, die das Bremsen erschwert hätten. Ob das die Ursache sein könnte, sei aber noch unklar, sagte ein Gewerkschaftsfunktionär im örtlichen Fernsehen.
Betreiber: Alle Wartungsprotokolle eingehalten
Das Unternehmen Carris, das den Nahverkehr in Lissabon betreibt, erklärte, dass "alle Wartungsprotokolle" eingehalten worden seien – insbesondere die alle vier Jahre vorgenommene Generalwartung, die 2022 erfolgt sei, und die alle zwei Jahre vorgenommene Zwischenwartung, die zuletzt im vergangenen Jahr durchgeführt worden sei. Carris-Chef Pedro Bogas räumte am Unglücksort allerdings ein, dass sich bereits seit 14 Jahren ein Subunternehmen um die Wartung kümmere.
Die "Gloria"-Standseilbahn wurde 1885 in Betrieb genommen und 1915 an das Stromnetz angeschlossen. Der Stadtrat von Lissabon stellte den Betrieb dreier weiterer Standseilbahnen in der Stadt für eine technische Überprüfung ein. Zunächst soll ihre Funktionstüchtigkeit und Sicherheit überprüft werden, kündigte Zivilschutz-Sprecherin Castro an.
Augenzeugin: Bahn raste "mit voller Geschwindigkeit" Straße hinab
Die Bahn war am Mittwochabend in einer Kurve entgleist und gegen ein Gebäude geprallt. Der Fernsehsender SIC berichtete unter Berufung auf eine Augenzeugin, die Standseilbahn sei "mit voller Geschwindigkeit" die steile Straße hinabgerast und habe dabei ein Gebäude gerammt. "Sie prallte mit brutaler Wucht gegen ein Gebäude und fiel zusammen wie ein Pappkarton", berichtete die Frau. Sie beschrieb die Standseilbahn als außer Kontrolle und anscheinend ohne Bremsen.
Den ganzen Abend und die Nacht hindurch waren Einsatzkräfte vor Ort. Der Unfall ereignete sich zu Beginn der abendlichen Hauptverkehrszeit gegen 18 Uhr. Rettungskräfte teilten mit, dass alle Opfer innerhalb von etwas mehr als zwei Stunden aus dem Wrack geborgen worden seien. Die Gesamtzahl der Toten und Verletzten entspricht in etwa dem maximalen Fassungsvermögen der Standseilbahn, die täglich Lissabons steile Hügel hinauf- und hinabfährt und zu den touristischen Attraktionen der portugiesischen Hauptstadt gehört.
Nationaler Trauertag in Portugal
Ganz Portugal gedenkt an diesem Donnerstag der Opfer: Landesweit gilt ein von der Regierung ausgerufener nationaler Trauertag. "Es ist ein tragischer Tag für unsere Stadt. Lissabon ist in Trauer", erklärte Bürgermeister Carlos Moedas.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bekundete in einer Kondolenzbotschaft sein "tief empfundenes Beileid". "Wir teilen die Trauer und den Schmerz in diesen schweren Stunden", schrieb Steinmeier im Namen der Deutschen.
Mit Informationen von dpa, AFP, Reuters sowie von ARD-Korrespondentinnen und Korrespondenten in Portugal
Im Video: Sebastian Kisters (ARD) über das Seilbahn-Unglück in Lissabon
Der ARD-Korrespondent Sebastian Kisters
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