Mit Blick auf die politische Zeitenwende in den USA zeigte sich Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, am Sonntags-Stammtisch im BR-Fernsehen selbstkritisch, was die Rolle der Kirchen in diesem Kontext betrifft. Bezogen auf Donald Trumps Präsidentschaft hätten die Kirchen eine weniger gute Rolle gespielt.
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Ein "großes Sorgenkind" ist für den Kardinal, dass autoritäre Regime weltweit Religionen wieder in einer ganz neuen Weise nutzen. Als Beispiele nannte er etwa Indien oder Patriarch Kyrill in Russland. Eine Entwicklung, die Marx so nicht erwartet hätte. Auch sehe er eine Spaltung in der US-amerikanischen Bischofskonferenz: "Die einen sprechen stärker für Trump, die anderen für eine andere Richtung."
In der rechten Intellektuellenszene sei das Katholische immer attraktiv gewesen, so Kardinal Marx: "Da war immer eine Anziehungskraft." Und auch die katholische Seite sei "nicht unanfällig" gewesen. Hierbei betonte er jedoch, dass man dies seit dem letzten Konzil überwunden habe - denn Demokratie und Menschenrechte stünden als Teil der Verkündigung der katholischen Soziallehre. Marx betonte die Bedeutung der Religionen in den heutigen Gesellschaften: "Es reichen nicht nur ökonomische Erfolge. Das war immer ein Irrtum. Man braucht auch irgendwie Sinn."
Sind Fixierungen auf Austrittszahlen der falsche Weg?
Marx äußerte sich auch zur Rolle und Zukunft der Kirchen. Dass sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche im Laufe der vergangenen Jahre immer mehr mit steigenden Austrittszahlen zu kämpfen hatte, ist kein Geheimnis. Die Gründe hierfür seien allerdings vielfältig, so Kardinal Marx. "Möchte ich dazugehören? Bin ich auch bereit, Zeit, Engagement oder einen finanziellen Beitrag zu leisten?", so der Erzbischof. Eine Fixierung auf die Austrittszahlen hält Marx jedoch für falsch. Kirchen würden weiterhin einen wichtigen Beitrag inmitten einer offenen Gesellschaft leisten.
Marx besorgt: Trump hat Zölle faktisch im Alleingang umgesetzt
Ebenfalls besorgt zeigte sich Marx angesichts der Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump: "Dass ein Mann solche Entscheidungen fällen kann, die Auswirkungen haben für alle." Durch die fehlende Beteiligung des Kongresses habe Trump die Zölle faktisch im Alleingang umgesetzt und dafür einen nationalen Notstand ausgerufen. Begründet wurde dies von der US-Regierung mit den wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Risiken durch die Handelsdefizite mit anderen Ländern.
Kaeser sieht Zölle als Bestandteil "sehr perfider Machtstrategie"
Auch Joe Kaeser, Ex-Siemens-Vorstand und ebenfalls Gast beim BR-Sonntags-Stammtisch, sieht die Lage in den USA kritisch. Kaeser ist der Ansicht, dass für den US-Präsidenten Zölle ein "Bestandteil einer sehr perfiden Machterhaltungspolitik" seien. Eine Strategie, von der sich Trump erhofft, dass andere Länder und Unternehmen im eigenen Land nun zu ihm kommen und um Hilfe bitten.
Im Video: Joe Kaeser kritisiert Trumps Zölle scharf
Im Video: Kaeser kritisiert Trumps Zölle scharf
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